Russland hat im Krieg fast die Hälfte seiner Landungsschiffe im Schwarzen Meer verloren. Die Versenkung der «Cäsar Kunikow» am Mittwoch ist gleichwohl eine Premiere.
Den ukrainischen Streitkräften ist in der Nacht auf Mittwoch ein weiterer schwerer Schlag gegen die russische Schwarzmeerflotte gelungen. Marinedrohnen griffen vor der Südküste der besetzten Halbinsel Krim das Kriegsschiff «Cäsar Kunikow» an, beschädigten es durch Explosionen und brachten es zum Kentern. Es ist davon auszugehen, dass das Schiff inzwischen gesunken ist.
Der ukrainische Militärgeheimdienst HUR belegte den Einsatz von Kamikazedrohnen des Typs Magura V5 mit Videoaufnahmen, die trotz ihrer Unschärfe eine Vorstellung von der Katastrophe geben. Demnach wurde das Schiff am Heck getroffen und kippte später nach links. Über das Schicksal der rund 90 Mann starken Besatzung ist nichts Verlässliches bekannt, aber militärnahe russische Quellen sprachen von einer erfolgreichen Evakuation.
Moskau schweigt
Die von Kiew gemeldete Versenkung wurde in Moskau offiziell weder dementiert noch bestätigt. Das entspricht der üblichen Informationspraxis des Kremls, der solche Rückschläge kaum je zugibt. Das russische Verteidigungsministerium spricht manchmal selbst dann noch beschönigend von «Beschädigung», wenn aufgrund von Bildquellen längst der Totalverlust von Kriegsmaterial offensichtlich ist.
Wie ist der Untergang der «Cäsar Kunikow» zu bewerten? Zum einen fällt auf, dass sich die Verluste der Schwarzmeerflotte in jüngster Zeit gehäuft haben. Die Ukraine hatte zwar schon in den ersten Kriegsmonaten spektakuläre Erfolge erzielt. Zu nennen ist besonders die Versenkung des Flaggschiffs der Flotte, der «Moskwa», im April 2022 durch ukrainische Raketen. Aber seit dem vergangenen Herbst setzen die Ukrainer ungefähr im Monatsrhythmus russische Kriegsschiffe ausser Gefecht – in diesem Monat waren es sogar zwei.
Diese Häufung ist für Russlands Marine eine Katastrophe, zumal kein Ersatz in Sicht ist. Seit Kriegsbeginn wurde am Schwarzen Meer kein einziges neues Schiff in Dienst gestellt, und Verstärkung von den übrigen russischen Flotten – etwa aus der Nordsee oder der Ostsee – ist nicht möglich. Die Türkei blockiert auf Grundlage der Konvention von Montreux die Durchfahrt von Kriegsschiffen durch den Bosporus. Die Schwarzmeerflotte gerät dadurch in eine tiefe Krise.
Zum andern zeigt der Untergang der «Cäsar Kunikow», dass sich die Bedrohungslage für die Russen weiter verschärft hat. Es ist das erste Mal, dass ukrainische Marinedrohnen ein grosses Kriegsschiff nicht nur beschädigt, sondern vollständig zerstört haben. Für einen solchen Totalverlust hatte es bisher Raketen gebraucht, wie im Fall der «Moskwa», oder westliche Marschflugkörper, wie zuletzt im Fall des im Krim-Hafen Feodosija getroffenen Landungsschiffs «Nowotscherkassk». Den ukrainischen Marinedrohnen fehlte anfangs die nötige Sprengkraft noch. Die neueren Typen scheinen jedoch schlagkräftiger zu sein.
Ein beachtlicher Erfolg war bereits am 1. Februar die Versenkung des Raketenschiffs «Iwanowez» vor der Westküste der Krim, doch dabei handelte sich um ein eher kleines Schiff. Die «Cäsar Kunikow» war mit 112 Metern Länge doppelt so gross.
Erfolgreiche Jagd auf Ropucha-Landungsschiffe
Das Schiff gehörte zur sogenannten Ropucha-Klasse, die noch in der späten Sowjetzeit entwickelt worden war. Ropucha-Schiffe dienen primär dazu, bei Landungsoperationen Truppen und Fahrzeuge direkt am Ufer abzusetzen. Sie können bis zu ein Dutzend Panzer mit sich führen. Noch kurz vor dem Einmarsch im Februar 2022 hatte Russland solche Angriffe intensiv geübt. Angesichts der ukrainischen Gegenwehr musste Moskau dann zwar auf eine Invasion vom Meer her verzichten. Die Schiffe der Ropucha-Klasse behalten aber ihre Bedrohlichkeit, und sie dienen als Transportmittel für Truppen und Waffen.
Sollte es der Ukraine dereinst gelingen, die strategisch wichtige Krim-Brücke bei Kertsch zu zerstören, könnten solche Schiffe Russlands Nachschub über die Meerenge sicherstellen. Auch vor diesem Hintergrund ergibt es militärisch Sinn, diesen Schiffstyp systematisch auszuschalten. Von ursprünglich neun einsatzfähigen Ropuchas im Schwarzen Meer bei Kriegsbeginn hat Russland nun noch deren fünf. Im August hatte eine ukrainische Marinedrohne ein Schwesterschiff der «Cäsar Kunikow» schwer beschädigt; zwei weitere fielen im September und im Dezember Luftangriffen zum Opfer.