Sonntag, Oktober 6

Die Wettbewerbskommission hat ihren Schlussbericht zu Lohnabsprachen veröffentlicht. Dieser lässt erstmals Rückschlüsse darauf zu, in welchem Umfang die Arbeitgeber Informationen zu Löhnen austauschten.

Wenn sich Arbeitgeber die besten Mitarbeitenden gegenseitig abjagen, steigen deren Löhne. Das ist gut für die Begehrten, aber wegen der höheren Lohnkosten mittelfristig nachteilig für die Firmen.

Sprechen sich dagegen die Arbeitgeber ab, für gewisse Jobs nicht mehr als eine bestimmte Summe zu bezahlen, bleiben die Löhne tiefer. Den Schaden haben die Arbeitnehmer. Der Wettbewerb um Arbeitskräfte wird abgewürgt.

Über einen solchen Fall informierte diesen Juli die Wettbewerbskommission. Offenbar sprechen sich Schweizer Firmen regelmässig über Löhne ab. Im Fokus stand nach einer Selbstanzeige einer Bank der Finanzsektor. Doch auch in vielen anderen Branchen tauschen sich die Firmen über Löhne und Lohnentwicklungen aus.

Umfangreicher Austausch von Informationen

Inzwischen hat die Weko ihren Schlussbericht veröffentlicht. Dieser lässt erstmals Rückschlüsse darauf zu, worüber bei den vermeintlich konspirativen Treffen von über 200 Unternehmen gesprochen wurde und in welchem Umfang die Arbeitgeber Informationen austauschten.

  • Auf dem Bankenplatz Zürich etwa führte die Kommission für Grundbildung des Zürcher Bankenverbandes gemäss dem Weko-Bericht mindestens seit 2015 unter den Teilnehmerbanken Salärvergleiche durch. In einer Tabelle wurden die Jahreslöhne für die Lernenden (KV und Informatiker) sowie die Einstiegssaläre nach dem Ende der Lehre erfasst. Neben den Informationen betreffend Lernende wurden auch jene über die Saläre, Boni und Essensentschädigungen im Programm «Bankeinstieg für Mittelschulabsolventen» sowie über deren Einstiegslöhne ausgetauscht. Letztmals stellte die Kommission die aktualisierte Salärtabelle den Mitgliedern per Januar 2022 in anonymisierter Form zu.
  • Auf dem Bankenplatz Basel tauschte sich mutmasslich die Mehrheit der Ausbilderbanken aus. Dabei informierten sich die Banken gegenseitig über die Jahreslöhne pro Lehrjahr. Ein Teil der Banken informierte sich auch gegenseitig über die Einstiegslöhne nach der Lehre.
  • Ins Visier der Weko gerieten auch die Kantonalbanken. Sie hielten im Rahmen einer jährlichen Verbandskonferenz fest, in welchem Umfang eine Erhöhung der Fixsaläre vorgesehen ist. Weiter werden Angaben zu geplanten Bonuszahlungen und deren Höhe im Vergleich zu der Gesamtlohnsumme ausgetauscht. Zu Beginn des Folgejahrs kommunizierten sie untereinander die effektiven Lohnerhöhungen.
  • Eine Gruppe von zuerst sieben, dann acht Deutschschweizer Kantonalbanken erstellte zudem zur Vorbereitung einer jährlichen Personalleitersitzung «Salärbenchmarks». Dabei sammelte eine Kantonalbank die Lohndaten der anderen. In den Jahren 2010 bis 2022 tauschten sich die Banken über Grundlöhne und variable Löhne aus, aufgeschlüsselt nach Angestelltenkategorien wie Leiterin und Leiter Bereich Kreditverarbeitung, Teamleiterin und Teamleiter Kreditverarbeitung, Sachbearbeiterin Kreditverarbeitung und viele andere mehr.
  • Die Banken tauschten sich aber nicht nur untereinander aus. Es gab laut dem Weko-Bericht auch branchenübergreifende Treffen. Im Raum Zürich bildeten Mitarbeitende von Banken, Finanzdienstleistern und (Rück-)Versicherungen ein informelles Netzwerk für einen Erfahrungsaustausch zu Fragen im Bereich HR und Vergütungen. Mindestens in den Jahren 2015 bis 2019 tauschten die Teilnehmerfirmen Lohninformationen aus. Jeweils im Vorfeld der Sitzungen wurden die Mitglieder eingeladen, eine Tabelle auszufüllen. Die Tabellen beinhalten Angaben zu Vergütungen der Mitarbeitenden, Saläranpassungen und effektive Bonuszahlungen.
  • In der Region Basel beziehungsweise im Raum Nordwestschweiz trafen sich Vertreter der Basler Gesellschaft für Personalmanagement (eines regionalen Netzwerks für Personalfachleute) in regelmässigen Abständen, um Informationen über Gehälter und andere Arbeitsbedingungen auszutauschen.
  • Zudem haben laut Weko auch multinationale Konzerne aus den Branchen Chemie, Energie, Gesundheit, Versicherungen, Logistik, Luxusgüter, Ernährung, Banken und Finanzen, Pharma/Life-Sciences und Wissenschaft und Technologie personalbezogene Informationen ausgetauscht.

Die Weko hält in ihrem Schlussbericht fest, dass es sich nicht um Bagatellfälle handle. Besonders stark betroffen sei der Bankensektor, wo sich die Lohnabsprachen über ganze Kantone oder Regionen erstreckten. Aber auch grosse Unternehmen in anderen Branchen mit mehreren tausend Mitarbeitern würden sich über Löhne absprechen. Damit liegen laut der Weko Anhaltspunkte vor, dass die Abreden den Wettbewerb erheblich beschränken würden.

Sozialpartner reagieren kritisch

Der Arbeitgeberverband reagiert wenig überraschend kritisch auf den Schlussbericht der Weko. Dass die Wettbewerbskommission in diesem Bereich regulieren wolle, sei keine gute Idee. Zur Aushandlung von Löhnen zwischen den Sozialpartnern sei ein Austausch gewisser Informationen schlicht nötig.

Es könne nicht das Ziel sein, dass die Weko nun Best Practices etabliere und so versuche, Richtlinien zu normieren, heisst es in einer schriftlichen Stellungnahme. In einer Thematik, mit der die Sozialpartner seit Jahrzehnten umzugehen wissen, ist laut dem Verband Zurückhaltung begrüssenswert.

Auch die Gewerkschaften lehnen die Einmischung der Weko ab. Anstatt sich über die Lohnabsprachen zu empören, äussern sie sogar Verständnis für die Arbeitgeber. «Ein Kollektivvertrag fällt nicht vom Himmel», argumentiert Daniel Lampart vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund. Damit die Sozialpartner die in den Gesamtarbeitsverträgen geltenden Löhne aushandeln könnten, müsste jede Seite zunächst einmal ihre Vorstellung von der Realität bilden und eine Verhandlungsposition festlegen. Dafür braucht es einen Austausch von Information und eine Abrede im Hinblick auf die Verhandlungen, so Lampart.

Tatsächlich fallen Löhne, welche in der Schweiz von den Sozialpartnern in Gesamtarbeitsverträgen ausgehandelt werden, grundsätzlich nicht unter das Kartellgesetz. Andernfalls wären Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern um Gesamtarbeitsverträge nicht möglich, denn diese sind gewissermassen vom Staat für zulässig befundene Abreden. Allerdings gibt es nicht in allen Regionen für alle Branchen Gesamtarbeitsverträge.

Strittig ist allerdings, ob einseitige Lohnabsprachen unter den Arbeitgebern ohne Einbezug der Gewerkschaften erlaubt sind oder nicht. Die Weko verneint dies in ihrem Schlussbericht mit dem Hinweis auf die historische Auslegung, neuere Literaturmeinungen und das EU-Recht. Die Argumentation der Sozialpartner spricht dagegen.

Spielraum für die Erarbeitung von Best-Practice-Regelungen, wie es die Weko angekündigt hat, besteht deshalb wohl vor allem ausserhalb von Gesamtarbeitsverträgen.

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