Sonntag, Oktober 20

Für die deutsche Supermarktkette muss bald eine Lösung her. Fest steht schon jetzt: Für die Migros Zürich wird es teuer.

Eines muss man der Migros lassen: Was sie ankündet, zieht sie durch. Wo früher Melectronics-Läden standen, werden derzeit Filialen der Kette Media-Markt eröffnet. Aus SportX werden nächstes Jahr Ochsner-Sport-Niederlassungen. Und über den Bikeworld-Fachgeschäften prangt bald das Logo des Berner Velo-Unternehmens Thömus.

Noch vor Weihnachten dürfte klar sein, wie es mit den Fachmärkten Micasa und Do it + Garden sowie der Reisetochter Hotelplan weitergeht. Ein Deal für die Industrietochter Mibelle wird wohl Anfang 2025 gefixt.

Im Schnellzugtempo entledigt sich die Migros ihrer unrentablen Geschäftsfelder. Doch es gibt einen Klotz am Bein, für den sich keine Lösung abzeichnet. Zumindest bis jetzt: Tegut, die deutsche Supermarktkette, die seit 2012 der Migros-Regionalgenossenschaft Zürich gehört. Sie schreibt seit Jahren herbe Verluste und ist dem Vernehmen nach auch 2024 tief in den roten Zahlen.

Dennoch versicherte die grösste der zehn Migros-Regionalgenossenschaften noch im Frühling: «Die Migros Zürich hält an ihrem Engagement in Deutschland fest, eine Veräusserung von Tegut steht nicht zur Debatte.»

Doch so eisern gilt dieser Vorsatz offenbar nicht mehr. So berichtete die deutsche «Lebensmittelzeitung», dass die Migros Zürich der deutschen Tegut einen externen Berater zur Seite gestellt habe. Dies, um die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens zu überprüfen.

Eine hochrangige Quelle aus der Migros-Zentrale sagt nun, dass die Zürcher Regionalgenossenschaft sehr bald vor der Frage stehe: Tegut abstossen oder sanieren?

Zwei schlechte Optionen

Es ist die Wahl zwischen zwei schlechten Optionen: Tegut loszuwerden, wäre mit einem enormen Abschreiber verbunden. Denn in dem Zustand, in dem die Firma heute ist, wird ein Verkauf nur wenig einbringen. Höchstens ein paar Ladenstandorte in kaufkräftigen Münchner Quartieren seien werthaltig, sagen Branchenkenner. Seit der Übernahme 2012 hat Tegut nur gerade in vier Geschäftsjahren keinen Verlust geschrieben.

Aber auch sanieren wird teuer. Denn Tegut müsste radikal umdenken. Die Supermarktkette ist eigentlich zu klein für den deutschen Markt. Dieser wird beherrscht von knallharten, teilweise weltweit agierenden Giganten: Lidl, Aldi, Edeka und Rewe. Tegut mit einem Nettoumsatz von knapp 1,3 Milliarden hat im Direktvergleich gegen diese geballte Marktmacht keine Chance.

Die Migros-Tochter versucht sich deshalb als hochwertigere und nachhaltigere Alternative zu präsentieren. Allerdings ohne durchschlagenden Erfolg. Oft ist Tegut teurer als die Konkurrenz, was die preissensitive deutsche Kundschaft nicht goutiert. Gleichzeitig ist Tegut auch keine naturnahe Biokette, sondern letztlich doch eher ein gewöhnlicher Supermarkt. Zu sehr in die Nische geht nämlich auch nicht.

Was also tun? Die Migros Zürich scheint zumindest gewillt, um ihre deutsche Tochter zu kämpfen: «Tegut hat bereits Anfang Jahr ein Turnaround-Projekt, das die Wirtschaftlichkeit signifikant verbessern und damit die Zukunft sicherstellen soll, lanciert», teilt die Medienstelle mit.

Von Verkaufsabsichten will die Migros Zürich – jedenfalls gegen aussen – nichts wissen. «Der Fokus der Migros Zürich liegt zu 100 Prozent auf dem Sanierungsvorhaben», heisst es weiter.

Da die Regionalgenossenschaft Zürich rechtlich eine eigene Firma ist, kann sie den Entscheid alleine fällen. Klar ist aber, dass viele Manager im zentralen Migros-Genossenschafts-Bund (MGB) in Sachen Tegut lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende sähen.

Der MGB hat es vorgemacht. Bei sich selber hat er 2023 einen massiven Abschreiber von einer halben Milliarde Franken vorgenommen, um Altlasten zu beseitigen. 2024 wird aus dem gleichen Grund wohl noch einmal eine Wertberichtigung nötig sein. Aber immerhin: Im Jubiläumsjahr 2025 sollte die Migros das Gröbste hinter sich haben.

Gleiches kann die Migros Zürich von sich nicht behaupten, sollte sie an Tegut festhalten. Das Turnaround-Projekt von Tegut sei auf drei Jahre angelegt, teilt die Medienstelle mit. Und ob das reicht, kann heute noch nicht beantwortet werden.

Keine Auslandabenteuer mehr

Hinzu kommt, dass Tegut nicht nur finanziell viele Mittel aus Zürich absorbiert. Das ständige Sich-beschäftigen-Müssen mit einer Tochterfirma, die weit weg von den eigenen Filialen ins Straucheln geraten ist, zwackt auch beim Management viele Ressourcen ab. Die Migros gibt offen zu, dass sie im Inland Marktanteile an die Konkurrenz verloren hat. Die Konzernspitze fordert deshalb volle Konzentration auf den Konkurrenzkampf im Inland mit Coop, Aldi und Lidl.

Auch deshalb ist unklar, ob Tegut überhaupt noch zum Konzept der Migros passt. Die neue Führung um den MGB-Direktor Mario Irminger steht Auslandsengagements äusserst skeptisch gegenüber. Laut Insidern lautet die aufgefrischte Doktrin: Die Migros soll nur noch im Ausland tätig sein, wenn das den Schweizer Kunden einen konkreten Nutzen bringt.

Aber wie soll ein durchschnittlicher Schweizer Migros-Konsument von einer defizitären Supermarktkette weit hinter der Grenze profitieren? Die Migros Zürich verweist auf die Tegut-Entwicklung Teo: Es ist eine Art moderne Supermarkt-Baracke mit einem Grundsortiment von rund 900 Artikeln, welche ohne Ladenpersonal auskommt. Das erlaubt längere Öffnungszeiten. Schweizweit sind fünf solcher Läden in Betrieb, vor allem in der Region Zürich und Ostschweiz.

Aber ob das reicht, ist fraglich. Zwar mögen unbediente Läden eine nette Ergänzung zum bisherigen Filialnetz sein. Aber ein flächendeckender, landesweiter Einsatz ist nicht in Sicht.

Aus all diesen Gründen muss sich die Spitze der Migros Zürich – seit diesem Sommer wird sie von Patrik Pörtig geleitet – gut überlegen, ob sie an Tegut festhalten will. Es wäre jedenfalls nicht das erste Mal, dass sich die grösste Migros-Regionalgenossenschaft aus dem deutschen Markt zurückzieht.

Anfang 2022 hat sie nach zehn Jahren das Geschäft mit Fitnesscentern in Deutschland aufgeben müssen – zu gross waren die Verluste während der Corona-Zeit. Berechnungen legen nahe, dass dies sie wohl rund 150 Millionen Franken gekostet hat.

Allerdings: Ein Ausstieg bei Tegut könnte die Migros Zürich noch viel teurer zu stehen kommen.

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