Mittwoch, April 23

Anleger fürchteten sich zu Unrecht: SAP hat abermals ein hervorragendes Quartal absolviert. Das Geschäft wächst nicht nur, sondern wird immer besser vorhersehbar. Sorge bereitet allenfalls die hohe Bewertungsprämie gegenüber US-Software-Unternehmen.

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Am gestrigen Dienstag agierte die Börse – mal wieder – ziemlich irrational. Der Kurs der SAP-Aktie fiel im Xetra-Handel zeitweise über 4% und schloss als schlechtester Wert im Dax, mit einem Minus von 3,3%. Grund war wohl die Angst von Anlegern, dass SAP wie so viele andere Unternehmen bei der Bekanntgabe des Quartalsberichts am späten Abend nach 22 Uhr die Jahresprognose revidieren könnte.

Für das SAP-Topmanagement war das gar nicht so schlecht, kann SAP so doch am heutigen Mittwoch wieder mal als Dax-Rakete glänzen: Mit einem Kursplus von fast 9% setzte sich der Software-Riese im frühen Handel an die Dax-Spitze.

Seit dem Höchst von 283 € im Februar hatten die Aktien in der allgemeinen Börsenmisere, die vor allem Tech-Werte traf, kräftig an Wert verloren – aber weniger als andere. Seit vier Wochen steht SAP unter Europas wertvollsten Unternehmen an der Spitze.

Anders als die jetzige Börsenreaktion suggeriert, waren die Quartalszahlen und insbesondere die Bestätigung des Ausblicks keine Überraschung. Jedenfalls nicht für Anleger, die sich eingehender mit SAP beschäftigen und nicht nur auf die vielen gesenkten Prognosen anderer Unternehmen schauen.

Keine Zölle auf Software

Als Software-Unternehmen ist SAP schon mal keinerlei Zöllen ausgesetzt, da diese lediglich bei Einfuhren von Waren an der Grenze erhoben werden können. Der von US-Präsident Donald Trump ausgelöste Handelskrieg kann das Geschäft von SAP also nicht direkt beeinträchtigen, höchstens indirekt: durch die ausgelösten Unsicherheiten und Rezessionsängste.

SAP-Chef Christian Klein sagte Dienstagnacht, dass er bisher keine Investitionszurückhaltung bei seinen Kunden sehe. Das belegen auch Geschäftszahlen und Neuabschlüsse, die SAP fürs erste Quartal berichtete.

Der sogenannte Cloud Current Backlog – der in dem Quartal vereinbarte Cloud-Umsatz der nächsten zwölf Monate – legte währungsbereinigt um 29% auf 18,2 Mrd. € zu und damit exakt mit derselben Rate wie im Schlussquartal 2024. Der bereinigte Betriebsgewinn sprang um 58% auf 2,46 Mrd. €, der Free Cashflow um 36% auf 3,6 Mrd. €.

Geschäftsmodell ist Lizenz zum Gelddrucken

Die Solidität und Resilienz des Walldorfer Konzerns leitet sich aus einer weltweit dominanten Marktposition bei ERP-Software für Kernprozesse von Unternehmen wie Finanzwesen, Einkauf oder Personalverwaltung ab. Unternehmen, die einmal SAP in ihren Kernprozessen installiert haben, kommen daraus kaum wieder heraus, jedenfalls nicht ohne hohen Aufwand.

Dass SAP ihr Geschäft seit einiger Zeit vom Lizenzverkauf auf Mietsoftware aus der Cloud (Software as a Service, SaaS) umstellt, macht das Geschäft zudem deutlich vorhersehbarer. Im ersten Quartal seien bereits 86% der Umsätze wiederkehrende Umsätze (recurring revenues) gewesen, sagte Klein.

Weiterer Vorteil der Umstellung ist, dass SAP damit die Umsätze pro Kunde deutlich erhöhen kann. Zum einen erfolgt die Umstellung bei Grosskunden meist schrittweise über mehrere Jahre hinweg – von der klassischen Lizenznutzung mit Wartungsverträgen hin zu Cloud-basierter Software: Während dieser Zeit kann SAP also Wartungsumsätze sowie Cloud-Umsätze abrechnen. Langfristig rechnet SAP damit, dass aus 1€ Wartungsumsatz etwa 2€ Cloud-Umsatz werden.

Das Unternehmen begründet das mit zusätzlichen Leistungen für die Kunden, etwa indem SAP Rechenleistung in Rechenzentren, die SAP wiederum günstig von Hyperscalern wie Microsoft oder Amazon Web Services einkauft, an seine Kunden weiterverkauft. Generell macht Mietsoftware es den Anbietern jedoch deutlich einfacher, Preiserhöhungen durchzusetzen. Angesichts der Abhängigkeit ihrer Kundschaft ist die Umstellung für SAP somit gewissermassen eine «Lizenz zum Gelddrucken».

Neuabschlüsse trotz aller Unsicherheiten

Zuletzt konnte SAP auch mit ihren Angeboten zur künstlichen Intelligenz Kunden überzeugen: Auch im ersten Quartal enthielten die Hälfte der Neuabschlüsse KI-Anwendungen. Diese ermöglichen laut SAP erhebliche Kosteneinsparungen – so lasse sich etwa der Output von Programmierern um 30% steigern. Tatsächlich konnte SAP im ersten Quartal einige Kunden aus der gebeutelten Autoindustrie überzeugen, mit dem hauseigenen Programm «RISE» auf Cloud-Software umzustellen: darunter die Autohersteller Hyundai, Kia und Mazda und den bayerischen Autozulieferer Webasto.

Zur Resilienz des Geschäfts an sich kommt hinzu, dass SAP die Zügel in der zuvor teils ein wenig laxen Finanzmarktkommunikation angezogen hat: Seit Dominik Asam vor zwei Jahren den CFO-Job übernahm, verfolgt SAP nahezu pedantisch das Prinzip «Beat and Raise», also: Die eigenen Prognosen immer mindestens erreichen und immer wieder leicht anheben.

Vor seinem Wechsel zu SAP hatte sich Asam in vier Jahren als Airbus-CFO sowie acht Jahren als Infineon-Finanzchef bei Investoren einen Namen als extrem konservativer und solider Finanzer gemacht. Dass er einen Ende Januar gegebenen Ausblick bereits Ende April senkt, dafür müsste SAP wohl der Himmel auf den Kopf beziehungsweise den Walldorfer Firmensitz fallen.

Deutsche-Bank-Analyst Gianmarco Conti spekuliert in einer ersten Reaktion entsprechend, dass SAP ohne die Marktunsicherheiten den Ausblick für 2025 wohl schon jetzt angehoben hätte. Auf der Kundenkonferenz Sapphire im Mai in Florida, die auch einen Investorentag inkludiert, könnte SAP nebst neuer Details zur KI-Strategie auch neue Mittelfristziele veröffentlichen.

SAP wird mit hoher Bewertungsprämie gehandelt

Das einzige, was mich an der Aktie bedenklich stimmt, ist die Bewertung: Seit SAP vergangenen Sommer eine Bewertung wie amerikanische Softwareunternehmen erreicht hat, konnten die Aktien ihre Multiplikatoren kräftig ausweiten – während US-Topwerte wie Microsoft oder Salesforce abgestraft wurden.

Die nun erreichte Prämie gegenüber der US-Konkurrenz erscheint mir trotz der firmenspezifischen Sonderkonjunktur von SAP sportlich.

Freundlich grüsst im Namen von Mrs Market

Angela Maier

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