Die Marktkapitalisierung von SAP ist inzwischen höher als die von ASML und wächst weiter. Das hat nicht nur etwas mit dem DeepSeek-Schrecken zu tun.
Früher war alles besser? Von wegen: Einer Thronfolge gingen oft blutige Ereignisse voraus. Im heutigen Wirtschaftsgeschehen geht es dagegen um nüchterne Zahlen, wie die jüngste Entwicklung an der Spitze Europas zeigt: SAP hat ASML, den bisherigen Throninhaber als wertvollstes hiesiges Techunternehmen, in die zweite Reihe verdrängt. Bereits ab Oktober vergangenen Jahres rüttelte SAP kurz am Thron und hat die Marktkapitalisierung seitdem um über 20% gesteigert, ASML nur um etwas mehr als 4%. Mitte Januar kam dann der Wachwechsel, der ASML auf einen Platz im Schatten des Throns verbannte.
Eine Abdankung mit Anlauf. SAP liefert inzwischen nämlich eine begehrte Währung: Planbarkeit. Unter anderem deswegen wurde dem Unternehmen in den vergangenen Monaten ein immer dichterer Lorbeerkranz gewunden. Beispielsweise bei der Präsentation der Jahreszahlen wurden SAP-CEO Christian Klein und CFO Dominik Asam von mehreren Analysten zu einem hervorragenden vierten Quartal beglückwünscht. Dafür sorgte unter anderem das Cloud-Geschäft. Bislang sind die Systeme bei den Kunden installiert, ab 2027 wird die Unterstützung dafür eingestellt und es geht für die Kunden in die Cloud. Der Ansatz kommt an: Der gesamte Auftragsbestand für Software in der Cloud belief sich per Ende 2024 auf 63,3 Mrd. €, 40% mehr als vor einem Jahr. Die Verträge laufen im Schnitt etwas mehr als drei Jahre. Und das liefert Unternehmen wie Anlegern Planbarkeit. «Der Wechsel der Kunden in die Cloud kommt jetzt richtig gut voran», sagt Tom Ackermans, Fondsmanager des Fidelity Germany Fund.
Dazu kommt: Der DeepSeek-Schreck über eine künstlichen Intelligenz (KI) zu deutlich günstigeren Preisen und mit weniger leistungsstarken Chips befeuert als bei der US-Konkurrenz perlte an SAP weitestgehend ab. Der Grund: Das Unternehmen sei agnostisch und baue nicht selbst Large Language Models (LLM), sondern gehe Partnerschaften ein, hiess es bei der Präsentation der Zahlen. ChatGPT oder DeepSeek? Offenbar kein Problem. Und schon jetzt werden 50% der neuen Cloud-Deals mit einer KI-Komponente verkauft. Im vergangenen Quartal waren es 30%, heisst es in einer Analyse der Deutschen Bank. Für Fondsmanager Ackermanns bedeutet das in Summe: «Wir sehen bei SAP bis 2030 noch viele Jahre des Wachstums.».
ASML: gute Marktposition, schwieriger Markt
ASML hat eine andere Positionierung. Es gehört zu jenen Unternehmen, die besonders vom Trend zur künstlichen Intelligenz (KI) profitieren. Immerhin stellt das Unternehmen jene grossen Maschinen her, mit denen sich die Hochleistungschips für die hohen Anforderungen der KI drucken lassen. Je leistungsfähiger die gefragten Chips sind, um so besser die Marktposition von ASML. «Wenn ich davon überzeugt bin, dass immer mehr Rechenleistung auf immer kleinerem Raum benötigt wird, führt kein Weg an ASML vorbei», sagte Thorsten Winkelmann noch im Dezember, Fondsmanager bei AllianceBernstein. Allerdings birgt die Position als Zulieferer hochkomplexer Maschinen auch Risiken, da der Abnehmerkreis mit Grossunternehmen wie Samsung oder TSMC sehr klein ist. Winkt nur einer ab, wird es herausfordernd. Entsprechend traf der Sputnik-Moment der DeepSeek-Präsentation auch ASML – auch wenn die Valoren danach wieder zulegten.
Dazu kommt die Politik: Die USA wollen dem geopolitischen Rivalen China nicht die neueste Halbleitertechnik zukommen lassen. Bislang hat das Unternehmen gut dorthin verkauft, zuletzt nurmehr Maschinen der älteren Generation.
Entsprechend läuft SAP dem Konkurrenten ASML an der Börse davon. So sehr, dass das Unternehmen langsam zu gross für den Index zu werden droht.
Sehr viel königlichen Glanz versprüht aber auch die Bewertung des neuen Throninhabers: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), gemessen am geschätzten Gewinn der kommenden zwölf Monate, liegt bei ASML bei gut 28, bei SAP bei fast 43.