Mit einem hauchdünnen Vorsprung gewinnt die Mitte-links-Politikerin Alessandra Todde die Regionalwahlen in Sardinien. Dreht nun der Wind auch in Rom?
Rund dreitausend Stimmen gaben am Ende den Ausschlag. So knapp hat bei den Regionalwahlen in Sardinien die von Mitte-links unterstützte Fünf-Sterne-Politikerin Alessandra Todde ihren Gegner Paolo Truzzu aus dem rechten Lager besiegt. Mit Todde steht erstmals eine Frau an der Spitze der Regionalregierung auf der Mittelmeerinsel.
Ihr Sieg kommt ziemlich überraschend und bringt Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni in Erklärungsnot. Diese hatte sich im rechten Lager durchgesetzt und mit Truzzu einen engen Vertrauten zum Spitzenkandidaten in Sardinien gemacht. Matteo Salvini, Melonis Koalitionspartner in Rom und ewiger Rivale, hatte einen Kandidaten aus seiner Partei, der Lega, bevorzugt, dem Drängen der Regierungschefin aber schliesslich nachgegeben.
Als sich am Montagabend der Sieg Toddes abzuzeichnen begann, bestiegen in Rom die Parteichefs Giuseppe Conte (Fünf Sterne) und Elly Schlein (Partito Democratico, PD) gemeinsam ein Flugzeug, das sie nach Sardinien brachte. Die beiden Oppositionspolitiker waren sich jüngst meist aus dem Weg gegangen, doch nun konnten sie erstmals zusammen einen Sieg feiern, und das wollten sie sich nicht entgehen lassen. Die Teamarbeit habe sich bewährt, sagten sie. «Der Wind dreht jetzt», meinte Schlein.
Conte und Schlein für einmal vereint
Vor exakt einem Jahr war die Italo-Schweizerin Schlein zur Parteivorsitzenden des sozialdemokratischen PD gewählt worden. Die anfängliche Euphorie über ihre Wahl machte bald der Ernüchterung Platz.
Schlein hat bisher noch kein Rezept gegen die rechte Übermacht von Giorgia Meloni gefunden. Im PD wurden zunehmend kritische Stimmen laut. Mit dem Sieg in Sardinien dürften diese fürs Erste verstummen. Die Allianz des PD mit der Fünf-Sterne-Partei hat sich ausbezahlt.
Vor allem aussenpolitisch trennen die beiden Parteien aber nach wie vor Welten. Schleins PD gibt sich atlantisch und proukrainisch, Contes Fünf-Sterne-Partei pflegt einen diffusen, de facto prorussischen Pazifismus und ist in mancherlei Hinsicht unberechenbar. Aber angesichts der Stärkeverhältnisse in Italien führt nichts an einer weiteren Zusammenarbeit des PD mit der Fünf-Sterne-Partei vorbei. Das politische Zentrum ist zu schwach, um sich als möglicher Koalitionspartner des PD ins Spiel zu bringen.
Im sardischen Wahlkampf hat die Aussenpolitik indessen kaum eine Rolle gespielt. Todde setzte auf die Themen Arbeitsmarkt, Gesundheitswesen und Kampf gegen die Armut – und damit auf Fragestellungen, bei denen die beiden Parteien eine relativ grosse Übereinstimmung haben. Ausserdem profilierte sie sich als überzeugte Antifaschistin. Ihre Stimmen holte sie vor allem in den Städten und grösseren Ortschaften auf der Insel – dort, wo die Rechte am meisten verloren hat. In Cagliari, wo ihr Konkurrent Paolo Truzzu Bürgermeister war, kam es zu einem richtiggehenden Taucher der Rechten.
Salvinis schlechte Karten
Für Giorgia Meloni ist es die erste nennenswerte Niederlage seit dem überwältigenden Wahlsieg vom September 2022. Womöglich hat sie sich zu sehr in Sicherheit gewähnt. Das Resultat in Sardinien dürfte nicht spurlos an ihr vorbeigehen. Dass ausgerechnet sie, die instinktsichere Populistin, auf den falschen Mann gesetzt hatte, werden ihr ihre Koalitionspartner mit Sicherheit noch lange vorhalten – allen voran Matteo Salvini. Allerdings hat just der Lega-Politiker und Vizeregierungschef dabei schlechte Karten. Seine Partei hat in Sardinien ein miserables Resultat eingefahren. Die Lega kommt hier gerade noch auf einen Anteil von 3,7 Prozent (gegenüber 11,4 Prozent bei den letzten Regionalwahlen 2019).
Ob es sich beim Resultat in Sardinien wirklich um die Wende handelt, die sich Elly Schlein herbeiwünscht, ist ungewiss. In diesem Jahr stehen weitere Regionalwahlen an, unter anderem in Piemont, und im Juni kommt der grosse Test anlässlich der Europawahl. Erst danach wird man zuverlässiger beurteilen können, ob in Italien eine echte Alternative zu Giorgia Meloni in Sicht ist.