Nach über einem Jahr fährt das Sauber-Team wieder in die Punkte. Derweil steht seit dem Wochenende fest, dass der katarische Staatsfonds Minderheitsbesitzer wird.
Mehr als ein Jahr musste das Sauber-Team im Formel-1-Zirkus auf einen Punktgewinn warten. Am Sonntag hat Zhou Guanyu, der chinesische Sauber-Pilot, das Warten endlich beendet. Beim Grand Prix von Katar fuhr Zhou auf den achten Platz. Die Zuschauer belohnten den Chinesen mit der Wahl zum Fahrer des Tages. Valtteri Bottas, der zweite Sauber-Fahrer, ging als Elfter knapp punktlos aus. Endlich wieder in den Punkten, das ist eine grosse Erleichterung für das Schweizer Team – und genau am richtigen Ort.
Denn dieses Rennen in Katar, auf dem Losail International Circuit, knapp 5000 Kilometer entfernt von Hinwil, ist künftig das Heimrennen von Sauber. Seit dem Wochenende ist klar, dass der Staatsfonds von Katar etwa ein Drittel der Anteile des künftigen Audi-Werksteams mit Sitz in Hinwil übernehmen wird. Für die Katarer ist das ein langfristiges Investment – und für den deutschen Automobilkonzern eine wichtige Geldspritze, um den Ausbau der Rennfabrik und die Aufstockung des Personals voranzutreiben.
Der Audi-Vorstandschef Gernot Döllner, der zusammen mit seinem Finanzchef eigens in die katarische Wüste gereist war, drückt es im gewählten Manager-Deutsch so aus: «Ein weiterer Meilenstein unserer Transformationsgeschichte. Das wird unser Wachstum beschleunigen.» Das ist auch nötig, angesichts des hohen Anspruchs der Marke und der knappen Zeit bis zum Neustart in der Saison 2026. Bis dahin muss wegen eines neuen Reglements ein komplett neues Auto entstehen.
250 bis 350 Millionen aus Katar
Von einer «signifikanten Minderheitsbeteiligung» der Katarer ist die Rede, für die es einen Sitz im Verwaltungsrat der Sauber Motorsport AG gibt. Je nach Schätzung soll sich der Zuschuss aus dem Ölstaat auf 250 bis 350 Millionen Schweizerfranken belaufen. Mit der gegenwärtigen Krise der Automobilindustrie, die insbesondere den Volkswagen-Konzern, zu dem auch Audi gehört, erfasst hat, hängt die Beteiligung nicht direkt zusammen. Gleichwohl hat sie interne wie externe Bedenken bezüglich des Engagements gelindert.
Die Verhandlungen mit der Qatar Investment Authority (QAI) hatten bereits am 29. November 2023 begonnen, als die Gäste aus Katar die Rennmotorenfabrik in Neuburg an der Donau besuchten. Es soll noch andere Interessenten gegeben haben, aber Katar ist schon drittgrösster Anteilseigner von VW.
Auch in den Verkaufsverhandlungen mit dem schwedischen Sauber-Retter Finn Rausing spielte das potenzielle Investment bereits eine Rolle. Rausing sollte ursprünglich eine Minderheitsbeteiligung am neuen Werksteam halten, doch für diese 25 Prozent hätte er im Gleichschritt mit Audi kräftig investieren müssen.
So aber kündigte der Autohersteller im März dieses Jahres die Komplettübernahme an. Wenn diese Anfang 2025 vollzogen ist, kommt auch Katar offiziell an Bord. Am Teamnamen Audi soll sich vorerst nichts ändern, möglicherweise rückt aber ein Co-Sponsor mit an Bord. Von einer Komplettübernahme durch die neuen Investoren ist nicht die Rede.
Die Formel 1 ist kein Zuschussgeschäft mehr
Mohammed al-Sowaidi, Geschäftsführer der QIA, ist davon überzeugt, dass die Formel 1 ein Sport mit einem erheblich unerschlossenen «Investitionspotenzial» ist. In der zunehmenden Kommerzialisierung des Profisports und der wachsenden globalen Popularität der Formel 1 sieht er «eine spannende Gelegenheit» für sein Land, Image und Gewinn gleichermassen zu machen.
Der Boom der Königsklasse und die gleichzeitige strenge Kostendeckelung sorgen dafür, dass aus dem jahrzehntelangen Zuschussgeschäft für Konzerne ein Businessmodell geworden ist. Die führenden Rennställe Ferrari, Red Bull Racing oder Mercedes werden mit weit über drei Milliarden Dollar bewertet. Das Formel-1-Schlusslicht Sauber liegt noch jenseits einer Milliarde. Das macht den Grand-Prix-Sport weiterhin attraktiv für Anleger.
Der Mercedes-Teamchef Toto Wolff beurteilt das Engagement von Katar als gut für den Sport und sieht mit Genugtuung, dass der Rivale Audi ein ähnliches Konstrukt verfolgt wie der Stuttgarter Werksrennstall. Dort sind bereits seit vier Jahren der Österreicher Wolff selbst, Mercedes und der Chemiekonzern Ineos zu je einem Drittel Anteilseigner.
Die Investoren aus Katar haben bei ihrer Entscheidung auch zu den direkten Nachbarn in der Golfregion geschielt. Bahrain kontrolliert bereits seit Jahren McLaren, Saudiarabien hat über seine Erdölfördergesellschaft Aramco die Option auf ein Aktienpaket von Aston Martin.
«Wir kennen einander. Es ist eine Partnerschaft, in der man sich auf den anderen verlassen kann», sagt der Audi-Chef Döllner über die neue strategische Beziehung. Ein gewaltiger Unterschied zu den trüben Zeiten von 2009, als BMW nach seinem Ausstieg die Anteile an angebliche Geldgeber vom arabischen Golf abgab. Hinter der Gesellschaft Qadbak verbarg sich jedoch nicht der ersehnte Retter, sondern ein britischer Finanzjongleur in betrügerischer Absicht. Peter Sauber selbst musste darauf sein Lebenswerk retten.
Den GP in Katar gewann Max Verstappen. Der Niederländer verwandelte am Sonntag ein bis dahin desolates Rennwochenende in seinen neunten Saisonsieg. In einem von mehreren Safety-Car-Phasen und einigen Reifenschäden geprägten, zerfahrenen vorletzten WM-Lauf wurde der britische Mc-Laren-Pilot Lando Norris nach einer Zehnsekundenstrafe wegen der Missachtung einer gelben Warnflagge vom zweiten auf den zehnten Rang durchgereicht.
Charles Leclerc im Ferrari war als Zweiter einer der Profiteure. Damit bleibt das Titelrennen in der Konstrukteurs-Wertung bis zum Finale am kommenden Sonntag in Abu Dhabi offen. McLaren führt im Prestige-Duell jetzt noch mit 640:619 Punkten vor Ferrari.