Freitag, Oktober 4

Ein Mann versteckte 1993 irgendwo in Frankreich die Replik einer goldenen Eule. Es war der Anfang einer Schatzsuche, die das Land über mehrere Jahrzehnte beschäftigen sollte.

Paul Régis Hauser hatte im Frühling 1993 eine Idee: Er grub in der Nacht auf den 23. April an einem bestimmten Ort in Frankreich ein 80 Zentimeter tiefes Loch. Darin vergrub er die Replik einer goldenen Eule.

Wenige Wochen später publizierte Hauser unter dem Pseudonym Max Valentin das Buch «Sur la trace de la chouette d’or» – auf den Spuren der goldenen Eule. Darin lieferte er in elf Rätseln Hinweise auf das Versteck der goldenen Eule.

Wer sie finden wollte, musste Sprachspiele auflösen, historische Anspielungen deuten, mathematische Denksportaufgaben meistern, kartografische Chiffren decodieren. Der Künstler Michel Becker steuerte Zeichnungen bei, die weitere Hinweise gaben. Wer die Replik finden würde, würde eine identische Skulptur aus Gold gewinnen.

Ablenkungsmanöver und Manipulationsversuche

Paul Régis Hauser war ein einstiger Rallyfahrer, der sich sein Geld als professioneller Rätselerfinder mit diversen Schatzsuchen verdiente. Er war aber auch ein Kommunikationsexperte – und das half ihm, sein Rätsel der Öffentlichkeit bekanntzumachen.

Um den Verkauf des Buches anzukurbeln, nutzte er das damals revolutionäre Netzwerk Minitel. Der elektronische Informationsservice war zu Beginn der 1990er Jahre ein Vorläufer des Internets. Hausers Buch hatte eine Auflage von 70 000 Exemplaren. Auf einem kostenpflichtigen Server streute er zudem weitere Hinweise auf den Fundort.

Schnell waren zahlreiche Theorien im Umlauf, wie das Rätsel um die Eule zu knacken sei. Bald schon diskutierte man im französischen Fernsehen über den mysteriösen Schatz. Menschen aus allen Regionen machten sich auf die Suche nach der goldenen Eule. Es kursierten diverse Gerüchte über deren Fundstelle. Es gab Ablenkungsmanöver und Manipulationsversuche. Ein Mann, der zwanzig Jahre lang erfolglos nach der Eule gesucht hatte, behauptete vor einigen Jahren, das Rätsel sei von Anfang an ein «Betrug» gewesen.

Die meisten Schatzsucher wollten von solchen Theorien jedoch nichts wissen. Sie durchforsteten mit Metalldetektoren Wiesen, Felder, Dörfer. Die Leute waren so besessen, dass sie auf der Suche vor nichts zurückschreckten. Sie gruben Löcher, sprengten Bahngleise, setzen eine Kapelle in Brand.

Hauser plante die Schatzsuche so, dass die Rätsel sowohl von Experten als auch von Laien gelöst werden konnten. In einem Interview betonte er einst: «Wenn alle Sucher ihr ganzes Wissen zusammenlegen, kann die Eule in zwei Stunden gefunden werden.» Es dauerte drei Jahrzehnte.

Das französische Fernsehen dokumentierte die Suche

Paul Régis Hauser starb im April 2009 – auf den Tag genau sechzehn Jahre nachdem er die goldene Eule irgendwo in Frankreich vergraben hatte. Hauser war der einzige Mensch, der das Versteck kannte. Die Koordinaten des Verstecks hinterliess er in einem Umschlag bei einem Notar. Die echte Skulptur der goldenen Eule verblieb in einem Bankschliessfach. Michel Becker, Mitschöpfer des Rätsels, klagte auf deren Herausgabe. Becker hat nicht nur die Rätsel im Buch illustriert, sondern auch die Skulptur der goldenen Eule geschaffen. Er wähnte sich darum den rechtmässigen Besitzer.

Es folgte ein jahrelanges Gerichtsverfahren mit Hausers Erben. Anfang 2021 erhielt Michel Becker von Hausers Familie den Umschlag mit den Koordinaten. Becker veröffentlichte eine Neuauflage des Rätselbuches und startete im Internet ein eigenes Forum, wo er neue Hinweise zum Fundort lieferte. Der französische Fernsehsender Canal+ widmete der Suche dieses Jahr eine Dokumentation.

Doch trotz neuen Hinweisen und eigener Dokumentation: Weiterhin konnte keiner der «chouetteurs», wie sich die Schatzsucher nennen, die goldene Eule finden.

Die Eule ist 150 000 Euro wert

Doch nun ist die jahrelange Schatzsuche zu Ende. Am Mittwochabend gab Becker im Internetforum bekannt, dass die Skulptur ausgegraben worden sei. Für viele Schatzsucher kommt diese Nachricht dem Ende einer Ära gleich. Es sei eine Lösung eingegangen, die den Fundort korrekt bezeichne. «Es ist daher sinnlos, weiter im Land herumzureisen und an dem Ort zu graben, von dem Sie ausgehen, die Skulptur könnte dort vergraben sein.» Man überprüfe jetzt, ob die eingereichte Lösung gültig sei.

Der Finder bekommt nun den prestigeträchtigen und legendären Gewinn. Er kann die ausgegrabene Replik gegen die goldene Eule eintauschen: eine aus Edelmetallen gefertigte und mit Diamanten besetzte Skulptur, deren Wert ursprünglich auf 150 000 Euro geschätzt worden war.

Für einen Rekord reicht es dieser französischen Schatzsuche aber nicht. Die am längsten laufende Schatzsuche der Welt läuft immer noch. Es handelt sich um «The Secret», 1982 vom amerikanischen Spielentwickler Byron Preiss veröffentlicht. Darin geht es um die Suche nach zwölf Kisten mit Schätzen, die an geheimen Orten in den USA und Kanada vergraben sind. Bisher wurden erst drei davon gefunden.

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