Dienstag, Oktober 8

Jede dritte Person in der Schweiz leidet an Schlafstörungen. Vor allem auch junge Menschen wachen morgens nicht erholt auf. Ärzte und vor allem auch Betroffene selbst, sollten das Problem ernster nehmen.

Der Schlaf ist ein hochempfindliches Seismometer. Wenn sich beim Menschen Unruhe, Sorgen und Ängste anbahnen, verändert sich der Schlaf. Ignorieren wir diese Anzeichen zu lange, so leidet unsere Gesundheit: Diabetes, Demenz und psychische Krankheiten können folgen.

Das Fazit der diesjährigen vom Bundesamt für Statistik durchgeführten Gesundheitsbefragung zum Schlaf der Bevölkerung in der Schweiz ist erschreckend. Eine von drei Personen in der Schweiz leidet an Schlafstörungen. Bis heute nehmen Ärzte und andere Fachpersonen, aber vor allem Betroffene selbst das Problem zu wenig ernst. Doch genau das sollten sie tun – nicht zuletzt, um kostspielige Spätfolgen zu vermeiden.

Für Ärzte kein behandelbares Gesundheitsproblem

Was geschieht eigentlich, wenn ein Patient mit Schlafstörungen zum Arzt kommt? Zuerst klärt die Fachperson eine mögliche Krankheit als Ursache ab: Infrage kommen Schlafapnoe, Stoffwechselerkrankungen, Schmerzen oder aber auch ein zugrunde liegendes psychisches Leiden.

So sind Schlafstörungen eines der häufigsten Symptome einer Depression. Meistens schlafen depressive Menschen zu wenig und nicht erholsam. Doch sind diese Erkrankungen ausgeschlossen, kommt als Ursache vor allem eine zu grosse Belastung, sprich Stress, infrage. Und damit sieht sich der Arzt oder die Ärztin als nicht mehr zuständig.

Der Arzt mag zwar Entspannung anmahnen oder ein Schlafmittel verschreiben. Doch als behandelbares Gesundheitsproblem betrachtet er diese Beschwerde häufig nicht.

Dabei sind Schlafstörungen nicht nur ein dringliches Problem, sondern auch behandelbar. Es gibt bewährte verhaltenspsychologische Wege, um Stress und Schlaflosigkeit zu bekämpfen. Ein besseres Stressmanagement gehört ebenfalls dazu.

Irrglauben über Schlaf ist verbreitet

Vielen Patienten fehlt das Wissen, wie sie die Schlafprobleme und deren Ursachen bekämpfen können. In unserer Gesellschaft gehört es noch immer fast zum guten Ton, ständig im Stress zu sein. Das wird gar als Zeichen von Leistungsbereitschaft gewertet.

Und so reden sich die Patienten die stressbedingten Schlafstörungen lieber klein. Dabei behilflich sind diverse Fehlannahmen zum Schlaf, die in der Gesellschaft kursieren. Etwa jener Satz, den man von jungen Müttern oft hört: «Man kann sich an zu wenig Schlaf gewöhnen.»

Doch das stimmt nicht ganz. Der Körper gewöhnt sich nicht an zu wenig Schlaf – allenfalls gewöhnt sich der Mensch an den übermüdeten Zustand. Wer zu wenig schläft, wird reizbar, ängstlich und so langsam, als würde er betrunken durch die Welt gehen. Das haben wissenschaftliche Studien gezeigt. Auch wenn es häufig vorkommt, niemand ist nach einer schlaflosen Nacht geistig fit.

Ein weiterer Irrglaube ist, dass wenig Schlaf «antidepressiv» wirken könne. Die Annahme mag den schlaflosen Patienten beruhigen. Doch leider sitzt er damit einem verhängnisvollen Irrtum auf. Schlafentzug war zwar früher ein medizinischer Ansatz. Doch heute weiss man es besser: Langfristig können Schlafstörungen gar zur Ursache für eine Depression werden.

Schlafstörungen sind eine Epidemie

Viel zu viele Menschen werden im Laufe ihres Lebens psychisch krank. Gerade weil Schlafstörungen langfristig Ängste, Depressionen begünstigen, dürfen wir sie nicht als Bagatelle abtun.

Wir sollten so vorgehen wie damals, als die Schweiz von Cholera- und Typhus-Epidemien heimgesucht wurde. Wissenschafter bemängelten die schlechte Hygiene der Bevölkerung, die im Zuge der Industrialisierung in immer engeren Behausungen in den Städten wohnten. Und so wurde Hygieneerziehung nicht nur zur Aufgabe der Mediziner, sondern der ganzen Gesellschaft.

Es entstanden Lehrstühle für Hygiene an den medizinischen Fakultäten. Hygienevereine und ein eidgenössisches Büro für Gesundheitspflege trugen das Anliegen in die Gesellschaft. Das Projekt war ein Erfolg.

Auch beim Thema Stress sollten wir die Prävention angehen. Denn wissenschaftlich ist erwiesen, dass chronischer Stress und zu wenig Schlaf langfristig der Gesundheit schaden. Irgendwann sollte ein gutes Stressmanagement so selbstverständlich sein wie das Händewaschen.

Exit mobile version