Beim 1:3 gegen Servette zerbricht der FCZ an den eigenen Ansprüchen und gibt gegen den neuen Tabellenführer klein bei. «Es war eine Katastrophe», sagt der FCZ-Trainer Ricardo Moniz.
Und dann merkte er es doch noch. Es lief die 90. Minute, und Juan José Perea jubelte nach seinem Kopfballtor, als hätte der FCZ-Stürmer in letzter Sekunde den Siegtreffer erzielt. Dem war freilich nicht so, es war für den FCZ eine Art Trostpflaster nach einem Spiel, das die Zürcher auch mit fünf oder sechs Gegentreffern hätten verlieren können. Als auch Perea dies wieder einfiel, hielt er sich zurück, streckte nur den Zeigfinger wedelnd in die Luft und rannte aus dem Servette-Strafraum. Kurz danach war Schluss im Letzigrund. Der FCZ verlor 1:3 gegen Servette.
Es war ein Spitzenspiel um die Tabellenführung, wie es zu dieser Meisterschaft passt. «Spitzenspiel» ist rasch einmal in dieser Saison. Die Liga hat wenig Konturen, die Young Boys als Champions-League-Teilnehmer stehen weiter unter ihrem rätselhaften Liga-Fluch (0:2 in Lugano), der FC Basel als zweites Schwergewicht beginnt sich erst allmählich zu sortieren nach dem holprigen Saisonstart.
Gewinnt ein Klub zwei, drei Mal, steht er wie zuletzt der FC Luzern oder eben auch der FCZ rasch einmal zuoberst und taucht dann wieder ab. Wie der FCZ in den 90 Minuten am Sonntag gegen Servette. Jetzt sind die Genfer mit 23 Punkten Leader.
Moniz sagt: «Das kotzt mich an»
Der Befund soll allerdings die feine Leistung der Mannschaft von Trainer Thomas Häberli nicht schmälern. Die Servettiens boten eine reife, abgeklärte Vorstellung. Sie bearbeiteten den Gegner geduldig und hatten mit dem Doppeltorschützen Dereck Kutesa den besten Spieler auf dem Platz. Aber reichen Qualität und Breite von Servette für mehr als eine Momentaufnahme als Leader? «Es ist ein Marathon, es wird bis zum Schluss spannend bleiben», sagte Servettes Coach Häberli. Auf mehr wollte er sich nicht einlassen.
Der FCZ-Trainer Ricardo Moniz war weniger vage oder diplomatisch nach dem Spiel. «Heute war eine Katastrophe», sagte Moniz während seiner Ausführungen über fehlende Kreativität, mangelndes Pressing und vorausschauendes Verteidigen. «Wir haben zum dritten Mal nicht gezeigt, dass wir fähig sind, Leader und Favorit zu sein – das kotzt mich an», befand der Holländer und gab gleich noch einen obendrauf: «Das macht mich krank.» Zusammengefasst: Moniz wurde einmal mehr seinem Ruf gerecht, in der Kommunikation den Zweihänder zu führen.
Schon als sich die erste Halbzeit dem Ende zugeneigt hatte, musste man Angst haben, dass sich Moniz selbst Schmerzen zufügte ob der Vorstellung seiner Mannschaft. Er hatte sich den kleinen Finger in den Mundwinkel gesteckt und malträtierte ihn so heftig, wie einst Alex Ferguson seine Kaugummis geplagt hatte. Was ist zu tun? Was kann ich ändern? Gedankenschwer stapfte der Coach in die Kabine. Was er gesehen hatte, verursachte offensichtlich Schmerz und Leid.
Dabei hatten seine Spieler den Match diszipliniert und mit Engagement begonnen, die Dreierabwehr mit den stämmigen Verteidigern Nikola Katic, Mariano Gomez und Mirlind Kryeziu bildete eine furchteinflössende Abwehrkette, vor der sich die Jungspunde im Mittelfeld redlich mühten, eine Idee für die Offensive zu entwickeln. Es sei darum gegangen, die Ideen des schmerzlich vermissten Antonio Marchesano zu ersetzen, sagte Moniz. Davon war nichts zu sehen.
Der FCZ ist auf einer Gratwanderung
Nach der ersten Servette-Chance von Enzo Crivelli nach 20 Minuten verlor der FCZ die Übersicht. Nach dem dritten Konter, als der FCZ wie ein Hühnerhaufen vor dem gegnerischen Tor ein Körnchen Glück gesucht hatte, beendete Kutesa das ungeordnete Treiben des FCZ (32.). Abermals Kutesa (51.) und der nimmermüde Miroslav Stevanovic unter Mithilfe von FCZ-Goalie Yanick Brecher per Freistoss (65.) stellten die leistungsgerechten Verhältnisse zugunsten der Genfer her.
Einmal mehr bestätigte sich, dass sich der FCZ mit seiner Neuausrichtung auf eine Gratwanderung begeben hat. Die vielen jungen Spieler, die allermeisten aus dem Ausland geholt, brauchen noch sehr viel Zeit für den Nachweis, dass sie in der Sprache der FCZ-Führung zu «Triple-A-Talenten» gehören. Und völlig offen ist auch, ob die Mannschaft zu mehr als einem Gefüge zusammenwächst, das aus Einzelspielern besteht, die ihre individuellen Interessen verfolgen. Pereas Torjubel war vor diesem Hintergrund kein gutes Zeichen.
Und trotzdem hat der FCZ mit 21 Punkten nur 2 Zähler weniger auf dem Konto als vor einem Jahr. Damals ritten die Zürcher mit dem Trainer Bo Henriksen auf einer Erfolgswelle, die erst abbrach, als Henriksen wenig Bereitschaft zeigte, mehr junge Spieler einzusetzen. Jetzt ist die Situation umgekehrt. Am Mittwoch ist im Wallis der FC Sion der nächste Gegner, danach kommt YB in den Letzigrund. Es bleibt spannend beim FCZ.