Montag, Oktober 7
Nachgewürzt

Wolfgang Fassbender


Tipps

Die wirklich guten Lokale von den weniger guten zu unterscheiden, ist nicht immer einfach. Doch Blicke auf die Menukarte und die Einrichtung erlauben oft Einschätzungen.

Wer regelmässig Restaurants besucht, kennt das Gefühl. Man sitzt bei Tisch und fühlt sich zunehmend unwohl. Der Service ist gelangweilt, das Brot trocken, der Weisswein zu warm. Doch jetzt gehen, noch vor dem ersten Gang? Vielleicht ist es ja am Ende doch nicht so schlecht. Und wo soll man auf die Schnelle eine Alternative auftreiben, die dann auch noch Platz hat?

Ach, wie schön wäre es doch gewesen, das schlechte Restaurant schon im Vorfeld erkannt zu haben. Noch vor dem Eintreten oder zumindest gleich danach. Das ist gar nicht so einfach und auch für Profis eine Herausforderung. Doch ein paar Indizien gibt es, und hilfreich sind die vor allem da, wo keine Zeit oder Gelegenheit bleibt, ausführlich in Restaurantführern, bei Locals und im Internet zu recherchieren.

Von aussen pfui, innen hui?

Gut verstellen können sich übrigens die wenigsten Gastronomen. Entweder hat man Ehre im Leib oder nicht. Der allererste Blick der professionellen Restauranttester gilt also, sofern die Recherche in Guides, auf Social Media oder auf Websites unergiebig war, der aushängenden Speisekarte. Besser gesagt: dem Papier, auf das sie gedruckt wurde, und der Umgebung, in der sie hängt.

Je besser und ambitionierter das Restaurant, desto öfter wird die Karte gewechselt. Und desto sauberer ist der Kasten, in dem selbige hängt. Spinnweben, Flecken und vergilbte Menus sind ein schlechtes Zeichen, lieblose Übersetzungen in Fremdsprachen auch. Das Weite suchen sollte man immer dann, wenn Aufkleber und Empfehlungstafeln der Gastro-Guides veraltet wirken. Ein vor fünf Jahren verliehener Stern mag damals Bedeutung gehabt haben – heute ist er oft irrelevant.

Ordnung ist das halbe Leben – auch im Restaurant

Im Sommer ist noch vor der Einkehr ein Blick auf die Terrasse hilfreich – und das in dreifacher Hinsicht. Erstens kann man da überprüfen, welches Publikum anwesend ist, zweitens, ob es sauber aussieht, und drittens, wie Speisen und Accessoires wirken. Ein «Dürfen wir einmal schauen?» wird in Bezug auf den Aussenbereich eher erlaubt als drinnen, aber auch da kann eine höfliche Frage mit Begründung («Wir würden vielleicht gern für nächste Woche reservieren») nicht schaden. Je unhöflicher die Bedienung auf eine entsprechende Bitte reagiert, desto weniger sollte man diesen Betrieb für einen Besuch in Erwägung ziehen.

Gerade in Touristenorten ist ein hoher Anteil einheimischer Gäste kein schlechtes Zeichen; viele asiatische Kunden in einem asiatisch geprägten Lokal in der Schweiz deuten auf Authentizität hin. Warnhinweise sind dagegen billige Plastikstühle (auch hier gibt es Ausnahmen), aber vor allem vertrocknete Blumendekoration, unaufgeräumte Ecken, klebrige Tischdecken. Wer Ordnung und Hygiene im Gastbereich vernachlässigt, wird auch in der Küche kaum akribisch arbeiten. Riecht es nach ranzigem Fett und nicht gesäubertem WC, sollte man sich schnellstens entfernen, ohne auch nur einen Bissen zu sich genommen zu haben.

Je mehr Auswahl, desto weniger Frischprodukte

Ordentlich sind hoffentlich auch die Kennzeichnungen auf den Speisekarten. Je mehr Zusatzstoffe dort stehen – oft nur als Ziffern erkenntlich –, desto schlechter. Und je mehr Speisen zu haben sind, desto problematischer wird es. Grosse Karten verlangen einen grossen Umsatz, also viele Gäste. Gegen zwanzig Positionen an Meeresfrüchten ist zwar nichts zu sagen, wenn das betreffende Restaurant am Meer liegt und eine echte Referenz ist; bei Fleisch von sieben unterschiedlichen Tieren sieht es schwierig aus – es sei denn, es handelte sich um ein Grillrestaurant mit Renommee.

Ein gutes Zeichen sind immer Tagesgerichte oder Tagesmenus, die entweder saisonale, nur in kleinen Mengen verfügbare Produkte anzeigen oder günstige Alternativen für Stamm- und Mittagskunden erlauben. Restaurants, die hingegen sehr teure Produkte in den Fokus stellen – Trüffel oder Hummer –, sollte man vor einem Besuch weiteren Prüfungen unterziehen.

Ein Blick auf die Weinkarte hilft

Die besten Erfahrungen, um schlechte Restaurants von guten zu unterscheiden, habe ich mit der Frage nach der Weinkarte gemacht. In Vietnam oder Malaysia mag die Bitte um die Getränkeliste zwar nicht immer hilfreich sein, in der Provence, auf Ibiza oder in Rom dagegen schon. Wo preiswerte Flaschen fehlen, wo Markenchampagner an erster Stelle steht, wo die Karte abgegriffen wirkt, wo keine Jahrgänge genannt werden, sinkt die Chance auf ein Erlebnis.

Fast noch aufschlussreicher ist die Apéritifrecherche. Die Bitte um Pastis, Cidre, Bier oder Wermut sollte, natürlich abhängig von der Region, nicht mit Industrieprodukten erfüllt werden. Ein Restaurant, das sich beim Einkauf der Getränke mit dem Billigsten zufriedengibt, wird bei der Beschaffung seiner Zutaten für die Küche kaum anders handeln.

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