Freitag, Oktober 25

Wolfgang Winter und zwei Kompagnons sollen den Bahncaterer Elvetino um Hunderttausende Franken gebracht haben.

Wolfgang Winter sieht sich als Opfer. Als Opfer einer Intrige und falscher Anschuldigungen. Der 68-Jährige war während mehr als fünf Jahren Chef einer Schweizer Institution: der Elvetino. Das SBB-Tochterunternehmen betreibt Zugrestaurants und bis unter der Führung Winters auch noch Minibar-Wägelchen.

Winter betrachtet sich als Unternehmer alter Schule, der einen eingerosteten Staatsbetrieb zu einem gewinnbringenden und kundenorientierten Unternehmen machte. Einer, der stets nur das Beste für das SBB-Tochterunternehmen wollte – und sich nie selbst bereicherte.

Doch für das Zürcher Bezirksgericht ist er genau das: Ein gewiefter Krimineller, der den Staatsbetrieb zusammen mit zwei Kompagnons mit einem Mix aus Schmiergeldern, Insidergeschäften und überteuertem Ramsch aus China um Hunderttausende von Franken brachte. Kurz: Die Männer sollen Elvetino wie einen Selbstbedienungsladen behandelt haben.

Das Bezirksgericht hat den früheren SBB-Topmanager am Freitag wegen betrügerischer Geschäfte zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 36 Monaten verurteilt. Auf qualifizierte ungetreue Geschäftsbesorgung, Veruntreuung, Betrug, Urkundenfälschung und Bestechung lautet der Schuldspruch.

Seine beiden ehemaligen Geschäftspartner des Ex-CEO, intern «Wolf-Gang» genannt, verurteilt das Gericht zu bedingten Freiheitsstrafen von 24 und 12 Monaten.

Ein lukratives Beratermandat und seltsame Rückzahlungen

Im Dezember 2011 fängt Wolfgang Winter als CEO bei Elvetino an. Doch schnell soll er sich laut Anklage der Staatsanwaltschaft auf Abwege begeben haben: Im Januar 2012 beauftragt er einen alten Freund mit einem lukrativen Beratermandat für einen der beiden alten Freunde. Ramon Althoff (Name geändert) soll die Elvetino in komplexen IT-Fragen beraten. Anfangs soll Althoff für sein Honorar tatsächlich gearbeitet haben. Er verfasst einen Bericht zur Logistik bei der Elvetino. Und er erstellt eine 100-Tage-Bilanz für Winter.

Sein Tagessatz: 2500 Franken. Das vereinbarte Kostendach für den Auftrag wird laut Anklage um das Doppelte überschritten.

Doch dann überwirft sich Althoff mit dem Projektmanager, den er bei einem wichtigen IT-Projekt unterstützen sollte. Die Zusammenarbeit soll ein jähes Ende genommen haben. Die Honorare sind laut Anklage aber weiter geflossen. Innert fünf Jahren erhält Althoff fast eine Million Franken als Honorar.

Wofür, ist umstritten: Er sei kaum im Büro gewesen und bei Sitzungen eingeschlafen, sagt der Staatsanwalt. Er habe bei der Qualitätssicherung eine entscheidende Rolle gespielt und hochwertige Berichte abgeliefert, sagt dagegen die Verteidigung.

Ein Teil des Geldes bleibt jedoch nicht bei Althoff. Es fliesst zurück zu Winter. Althoff, der IT-Consultant, notiert die Rückzahlungen an seinen Freund und Auftraggeber fein säuberlich in einer Excel-Datei, die die Zürcher Behörden später bei einer Hausdurchsuchung finden werden.

Für die Staatsanwaltschaft sind diese Zahlungen sogenannte Kick-backs, also Gegenleistungen für die viel zu gut bezahlten Aufträge. Also: «Schmiergeld». Die Verteidigung bezeichnet sie dagegen als spontan vereinbarten «Freundschaftsdienst aus reiner Dankbarkeit». Das Geld habe der «Mitarbeitermotivation» bei der Elvetino gedient.

Liebe, Trüffel und doppelte Spesen

2016 soll Winter laut Anklage einen ebenso lukrativen wie skurrilen China-Deal aufgebaut haben. Behilflich ist ihm dabei auch seine chinesische Partnerin, die er einst als Elvetino-Barista an einem Schweizer Bahnhof kennenlernte. Zudem holt Winter einen anderen alten Freund an Bord. Die drei gründen laut Anklage Strohfirmen und beginnen einen lukrativen Handel mit der Elvetino: Sie kaufen in China billige Ware ein und verkaufen sie zu hohen Margen an die SBB-Tochter weiter. Die Differenz streichen sie ein.

Für 12 500 Glasuntersätze aus Acryl im Wert von 25 000 Dollar bezahlt die Elvetino fast 110 000 Franken. Plastikteller, Kaffeebecher und Brotkörbe im Wert von 43 000 Dollar kauft sie für 180 000 Franken. Ein Teil der Ware entpuppt sich später als unbrauchbarer Ramsch. Teller sind zu gross, Salatzangen nicht «lebensmitteltauglich».

Der Staatsbetrieb kauft beim eigenen Chef und bei seinen Partnern ein. Wolfgang Winter segnet jene Transaktionen ab, an denen er selbst mitverdient. Für die Staatsanwaltschaft sind das Insidergeschäft. Unterbietet ein Konkurrent das Angebot seiner Geschäftspartner, soll Winter sie informiert haben.

Von Winters Beteiligung an den Geschäften habe bei Elvetino niemand gewusst, sagt der Staatsanwalt während der Verhandlung im September. Der interne Beschaffungsprozess sei derart chaotisch gewesen, dass Winter faktisch freie Hand gehabt habe. Das Controlling sei inexistent gewesen, öffentliche Ausschreibungen habe es nicht gegeben. Die «Wolf-Gang» – die Clique um den Chef – habe in der Elvetino das Sagen gehabt.

Den Gewinn aus dem Geschäft – fast eine Viertelmillion Franken – versuchen Winter und seine Kompagnons laut Anklage gewinnbringend zu investieren. So steigen sie etwa in den Handel mit ungarischen Trüffeln ein.

Zum Verhängnis werden Winter und seinen Geschäftspartnern jedoch weder Trüffel-Investments noch Acryl-Untersetzer. Sondern eine Reise nach China und eine hohe Spesenabrechnung.

Ende Juli 2017 fliegt Winter mit seiner Partnerin und deren Sohn nach Hongkong, in der Businessclass. Sie besuchen ihre Eltern und Freunde der Familie. Daneben nutzt der Elvetino-CEO den Aufenthalt, um Lieferanten seiner Importfirma zu besuchen. Nach der Rückkehr stellt er dafür Spesen in Rechnung, und zwar laut Anklage doppelt: bei seiner eigenen Firma und bei Elvetino. Ein Umstand, den die Verteidigung bestreitet.

Doch die Spesenabrechnung lässt die Geschäftsleitung und die SBB-Spitze misstrauisch werden. Kurz darauf stellen sie Winter zur Rede – schliesslich wird er geschasst und angezeigt.

Alles normale Geschäftstätigkeit?

Winter selbst schweigt vor Bezirksgericht zu den Vorwürfen. Er habe sich in den letzten Jahren genug zu all den Vorwürfen geäussert, sagt er während der Verhandlung im September.

Das Reden übernehmen seine Anwälte. Sie erzählen die Geschichte des Unternehmers, der vollkommen legal und nur zum Vorteil von Elvetino arbeitete. Der mit seinem Kontaktnetz dafür sorgte, dass Elvetino überhaupt in China einkaufen konnte und von konkurrenzlos tiefen Beschaffungspreisen profitieren konnte. Eine normale Geschäftstätigkeit nennt es seine Anwältin. Elvetino sei zum Beispiel immer bekannt gewesen, dass ein Freund von Winter am China-Geschäft beteiligt gewesen sei.

«Alles lief transparent», sagt Winters Anwältin. Ihr Klient habe zudem nie allein über Einkäufe entschieden.

Urteil DG 230 105 vom 25. 10. 24, noch nicht rechtskräftig.

Exit mobile version