SchmuckTrends

Schmuckklassiker sind zeitlos schön, emotional aufgeladen und symbolisieren den Stil des leisen Luxus. Das gefällt auch der jungen Generation. Dank Social Media sind Nobelmarken jetzt auch bei der Generation Z begehrt.

Die grossen Schmuckmarken verzeichnen Rekordumsätze. Tiffany & Co., seit Anfang 2021 Teil des Luxuskonzerns LVMH, hat sich in nur zwei Jahren zum grössten Umsatzbringer der Gruppe entwickelt. Auch beim Richemont-Konzern, dem unter anderem die Marken Cartier und Van Cleef & Arpels gehören, läuft es nirgends so gut wie beim Schmuck.

Grund dafür ist auch die Beliebtheit der Marken bei der Jugend. Laut der neusten Luxusgüterstudie des Beratungsunternehmens Bain & Company stellen zwar die Generationen X und Y – das heisst die 30- bis 60-Jährigen – nach wie vor den Grossteil der Luxuskäufe. Aber der Anteil der Generation Z – also die heute 14- bis 29-Jährigen – steigt nicht nur rasch an. Schon heute beeinflussen die Jungen die Älteren mit ihrem Wunsch nach Sinnhaftigkeit, bleibenden Werten und Glaubwürdigkeit – ein Einfluss, der durch die digitalen Netzwerke noch verstärkt wird.

Ikonen aus Gold

«Beim High-End-Schmuck steht Cartier an erster und Van Cleef & Arpels an zweiter Stelle», erklärt Dominique die gegenwärtige Beliebtheitsskala. Vor etwa anderthalb Jahren wurde die 18-Jährige über Tiktok-Videos ihrer Community auf Cartier aufmerksam. Sie betont, keinen Influencern zu folgen, «weil sie unglaubwürdig sind und ihre Bilder zu gestellt und angeberisch wirken». Inzwischen tragen an ihrer Schule in Zürich einige Gleichaltrige die Goldarmreifen von Cartier. Besonders begehrt seien die Kollektionen «Love» mit den markanten Schraubenköpfen sowie «Juste un Clou» in Form eines gebogenen Nagels.

Warum es gerade diese beiden, vor rund fünfzig Jahren entworfenen Linien sind, kann Dominique erklären. Es sei das schlichte, elegante Design und die Tatsache, dass sich der Schmuck ideal für den Alltag eigne. Weil er stabil gefertigt sei, könne man ihn sogar beim Sport tragen. Zudem verlören Ikonen, wenn sie aus Gold bestehen, ja nie ganz ihren Wert.

Wettrennen auf Tiktok

Eine Renaissance erlebt derzeit auch die Vintage-Kollektion «Alhambra» von Van Cleef & Arpels. Der französische Nobeljuwelier lancierte 1968 die langen Halsketten mit Kleeblattmotiv, die bald royale Damen wie die Fürstin Grace von Monaco schmückten.

Erneut wachgeküsst wurde «Alhambra» im Februar 2020 von einer der beliebtesten Stilikonen, die garantiert unter keinem Marketingvertrag steht: Prinzessin Kate trug bei den British Film Awards ein ganzes Ensemble. Nach und nach tauchen «Alhambra»- Kreationen jetzt auch in Dominiques Umfeld auf. «Aber sie sind noch nicht so verbreitet, weil der Schmuck noch teurer ist und für den Alltag zu filigran», sagt die Gymnasiastin.

Was schon der Mutter oder der Grossmutter gefiel, ist also wieder gefragt. Nachdem jahrelang Hip-Hop, Rap und Street-Fashion die auffälligen Stilcodes bestimmten, gibt es nun die Gegenbewegung zum vornehmen Purismus. Als Auslöser diente die HBO-Kultserie «Succession». In dem satirischen Familiendrama rund um einen milliardenschweren amerikanischen Medienmogul machen sich die Protagonisten in distinguierten Outfits gern über protziges Auftreten und grosse Logos lustig.

Während jeder Ausstrahlung der Serie fanden auf Instagram und Tiktok Wettrennen statt, wer zuerst herausfindet, welche logofreien Produkte die Darsteller tragen. Hashtags wie Old-Money-Style, Quiet Luxury und Rich-Mom-Look erzielen inzwischen weit über 100 Millionen Aufrufe. Perfektioniert wird der Look mit klassisch elegantem Schmuck.

Bei Mädchen und Jungs gleichermassen beliebt: Die Trinity-Ringe

Schmuck zieht auch bei jungen Männern. «Ein bis zwei elegante Ringe oder Armbänder sind okay, mehr wirkt übertrieben und erweckt den Eindruck von protzigem Reichtum», erklärt Valentin. Der 14-Jährige zieht seine Inspiration von unabhängigen Inhalterstellern und holt sich Informationen direkt von den Marken. Seine jüngeren Mitschülerinnen und Mitschüler neigten dazu, eher Silberschmuck von Tiffany zu tragen, der etwas preiswerter sei, beobachtet der Gymnasiast. Ab der Oberstufe griffen die Jungen häufiger zu Lederarmbändern und Clic-Armreifen von Hermès.

Bei Mädchen und Jungs gleichermassen beliebt ist laut Valentin derzeit der neue Trinity-Ring von Cartier, der zum 100. Geburtstag der Marke eine Neuauflage erhalten hat. Eine Bühne bekam der ikonische Trinity-Ring bei der letzten Oscar-Preisverleihung. Mehr als ein Dutzend Persönlichkeiten aus der Film- und Musikbranche wurden von Cartier mit Ringen, Armbändern, Uhren oder Halsketten ausgestattet, darunter acht Männer. Und alles wurde blitzschnell verbreitet.

Cartier verzeichnet auf seinen Social-Media-Kanälen 23,2 Millionen Follower. Als jüngst die Marke Louis Vuitton mit «Les Gastons Vuitton» ihre erste Schmuckkollektion für Männer lancierte, sprachen Branchenkenner von einem Startschuss zum Megatrend. Schmuck für sowohl Frauen als auch Männer ist nicht nur ein gesellschaftliches Thema, sondern auch ein lukratives: Im Schmuckbereich wird die Zielgruppe quasi verdoppelt.

Noch vor wenigen Jahren waren die jüngsten Luxuskunden mindestens volljährig, wie Bain & Company feststellt. Heute sind sie 15 Jahre jung. Valentin schätzt hochwertige Luxusaccessoires unter anderem deshalb, weil sie ihn älter aussehen lassen. Wenn er im Stadtzentrum bummeln geht, um sich die Produkte real anzusehen, «darf ich manchmal Papas Cartier-Uhr tragen und werde sofort überall ernster genommen». Vielleicht verleiht ihm die Uhr auch ein selbstsicheres Auftreten.

Sackgeld für Schmuck ausgeben

Das funktioniert allerdings nur, wenn die schmucken Luxusklassiker doch nicht so «leise» sind. Ein hoher Wiedererkennungswert beim logofreien Design ist für den Erfolg ausschlaggebend.

Die hochpreisigen Wünsche der Jungen stellen für die Eltern eine Herausforderung dar. «In meinem Freundeskreis wird solcher Schmuck nur zu besonderen Anlässen geschenkt, etwa zur Firmung oder zum 18. Geburtstag», meint Dominique. Manchmal legten mehrere Familienmitglieder zusammen. Valentin spart sein Taschengeld, damit er zum Luxuskauf etwas beisteuern kann, was seine Eltern auch einfordern. Bei Diskussionen mit ihnen argumentiert er gern, dass sie ja auch schon viele Jahre Uhren und Schmuck von Luxusmarken haben: «Also wissen sie, was gut und langlebig ist. Ich frage sie dann, warum sie mir das nicht ebenfalls gönnen wollen.»

Der Erfolg der Traditionsmarken bei der Generation Z ist allerdings kein Zufall und auch nicht einfach die Folge einer Rückkehr zu traditionellen Werten. Es ist das Resultat geschickten Marketings. Nachdem LVMH Tiffany übernommen hatte, übertrug Patron Bernard Arnault das Marketing und die Kommunikation der Marke seinem Sohn Alexandre, der damals 28 Jahre alt war. Alexandre Arnault engagierte Influencer wie die Sängerin Beyoncé und lancierte freche, auf die Generation Z ausgerichtete Kampagnen.

Durch den Werbespruch «Not your mother’s Tiffany» fühlten sich zwar nicht alle Mütter geschmeichelt, aber Tiffany wurde bei den Kids bekannter. Inzwischen hat die Marke über 28 Millionen Follower auf Social Media. Sie feiern und lieben Markenkooperationen wie die Tiffany-blauen Nike-Sneaker oder Halsketten mit Pikachu-Figuren aus den Pokémon-Videospielen. Und die Umsätze boomen.

Mitbewerber Cartier geht subtiler vor. Man gründete die Denkfabrik Gen Z Observatory in Paris, wo sich der CEO Cyrille Vigneron statt mit Beratern lieber direkt mit Studierenden und Wissenschaftern über Trends und gesellschaftliche Themen austauscht.

Goldohrringe sind en vogue

Die Eindrücke von Dominique und Valentin kann Lena nur bestätigen. Die 22-Jährige erklärt: «Bei Marken wie Cartier, die bei Frauen und Männern beliebt sind, legen die Follower den Fokus auf Design-Ikonen. Von Tiffany fühlen sich junge Luxuseinsteiger angesprochen, denen es um Status geht. Die Zielgruppe von Van Cleef & Arpels ist etwas älter, überwiegend weiblich, und beide Präferenzen kommen zusammen.»

Lena weiss, wovon sie spricht. Sie studiert Wirtschaftskommunikation und arbeitet parallel dazu in einer grossen Social-Media-Agentur. Derzeit wachse das Interesse junger Frauen für goldene Ohrringe, «weil man sie sichtbarer als Armbänder tragen kann». Wobei auch dort gezieltes Marketing der Marken dahinterstecke, um die Kunden mit neuen Produkten an sich zu binden. Weshalb sich die Gen Z auf kostspieligen High-End-Schmuck konzentriere, hänge auch damit zusammen, dass Modeschmuck rasch kaputtgehe oder die Haut verfärbe. Solche Enttäuschungen verbreiteten sich auf Social Media im Nu. Bei Qualitätsschmuck von Luxusjuwelieren wähnt man sich auf der sicheren Seite.

Dieser Artikel ist in der «NZZ am Sonntag»-Verlagsbeilage «Uhren & Schmuck» erschienen.

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