Sonntag, September 29

Dauerläufe bilden einen wesentlichen Bestandteil des erfolgreichen Lauftrainings. Warum sind sie wichtig, und wie lassen sie sich zielführend gestalten?

Ein Blick in die Trainingswissenschaft soll gleich mit einem Vorurteil aufräumen, das den Dauerläufen anhaftet. Diese sogenannten Longruns oder Longjogs sind zwar – nomen est omen – von langer Dauer. Das heisst aber nicht, dass sie immer langsam sind; obwohl einem dies überall entgegenschlägt.

Die Wissenschaft unterscheidet zwischen extensiven und intensiven Ausdauerbelastungen. Extensive fühlen sich leicht an. Dem Körper steht ausreichend Sauerstoff zur Verfügung, die Muskulatur häuft kein Laktat an, die Beine brennen nicht, Sprechen gelingt problemlos. Es liegt auf der Hand, dass derartige Longruns relativ langsam sind.

Innerhalb einer Trainingssaison dienen diese Läufe dem Aufbau einer soliden Grundlagenausdauer, welche die Basis für ökonomisches Laufen als Gesundheits- und Leistungssport bildet. Wer in einer niedrigen Intensität unterwegs ist, profitiert von wertvollen Anpassungsprozessen im Körper, die spätere Leistungssteigerungen überhaupt erst möglich machen: Stärkung des Herz-Kreislauf-Systems, Verbesserung von Fettstoffwechsel, Sauerstofftransport- und -aufnahmefähigkeit, Ökonomisierung neuromuskulärer Bewegungsabläufe und viele mehr.

Langsame Dauerläufe gehören das ganze Jahr über in den Trainingsplan: als aktive Regenerationsläufe nach harten Intervalltrainings oder Testwettkämpfen, als sanfte Trainingsläufe nach Erkältungen und Verletzungen oder als Teststrecken für neues Material und Gadgets.

Langsam und lang laufen fällt nicht allen leicht

In der Praxis zeigt sich, dass vor allem ambitionierte Hobbyläufer oftmals nicht die Geduld oder das Mass besitzen, um extensive Longruns in wirklich niedrigen Intensitäten zu absolvieren. Wer möchte schon durch die Gegend schleichen, wenn der Motor aufdrehen will?

Wichtig zu wissen: Sportlicher Erfolg stellt sich langfristig nur dann ein, wenn sich fordernde Belastungen und gezielte Erholung im Gleichgewicht befinden; sonst drohen Verletzungen und Überlastungen. Abhilfe schafft eine Leistungsdiagnostik, welche die subjektiven (wahrgenommene Anstrengung) oder objektiven (Herzfrequenz) Belastungszonen definiert, anhand derer sich das Training individuell steuern lässt.

Am anderen Ende der Dauerlauf-Skala befinden sich intensive Dauerläufe. Sie werden in Intensitäten absolviert, die man als etwas anstrengend bis zunehmend anstrengend empfindet. Sprechen ist anfangs in kurzen Sätzen, später in Phrasen möglich. Der Körper produziert Laktat, das zu Beginn abgebaut wird, gegen Trainingsende hin jedoch überhandnimmt, weshalb die Beine schwer werden.

Intensive Longruns erfüllen mehrere Funktionen: Energieversorgung und Sauerstofftransport werden weiter ökonomisiert, Kopf und Körper nehmen Anpassungen vor, um höhere Belastungen in Zukunft besser und länger zu tolerieren, kurz: Stehvermögen baut sich auf.

Sich an intensive Dauerläufe heranzutasten, macht vor allem Einsteigern Mühe. Denn wer längere Zeit konstant mit moderater Belastung zu rennen vermag, schafft die gleiche Distanz nicht eben mal in höherem Tempo. Hier ist es sinnvoll, den Dauerlauf variabel zu gestalten.

Das bedeutet: in langsame, lange Läufe kurze Abschnitte von höheren Intensitäten einbauen. Das mögen anfangs vielleicht nur wenige Minuten sein, die sich jedoch im Laufe der Saison immer weiter steigern lassen.

Der Körper lernt schnell und reagiert bereits auf kleinste Trainingsreize, so dass sich schon nach wenigen Wochen klare Leistungsverbesserungen erkennen lassen.

Fortgeschrittene, erfahrene Läuferinnen und Läufer gestalten variable Dauerläufe, indem sie vor dem Saisonhöhepunkt gewisse Einheiten mit schnellerer zweiter Streckenhälfte («negative split») oder sogar als Steigerungsläufe absolvieren, um die Ziellinie im Wettkampf früher zu erreichen.

Wann ist der Longrun zu kurz?

Auf die Frage, wie lang ein Dauerlauf sein soll, gibt es keine pauschale Antwort. Einerseits greifen physiologische Anpassungsprozesse bei extensiven Belastungen bereits ab rund dreissig Minuten, wenn der Körper die vordergründig zur Verfügung stehenden Glykogenspeicher geleert hat und zur Energiebereitstellung vermehrt auf Fettreserven zurückgreift. Andererseits orientiert sich die ideale Dauer am individuellen Trainingsziel.

Wer vom Marathon unter 4:30 Stunden träumt, wird einzelne variable Dauerläufe in der Grössenordnung von rund 3:30 Stunden absolvieren müssen, um Körper und Geist an die Belastung im Zielwettkampf zu gewöhnen.

Weiss man nun um den Nutzen und die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten langer Läufe, dürften diese im Training ab sofort strukturierter, motivierter und vor allem zielführender zur Anwendung gelangen.


Varianten fürs Cool-down bringen neue Reize

Genau wie das Einlaufen zu Beginn gehört auch das Auslaufen am Ende zu den fixen Einheiten eines jeden Lauftrainings, sofern man seriös auf ein Saisonziel hin trainiert und die Schuhe nicht nur zum Spass schnürt.

Von lockerem Auslaufen (10 bis 20 Minuten) in tiefstem Intensitätsbereich profitieren Körper und Geist gleichermassen: Einerseits werden unerwünschte Stoffwechselprodukte aus dem Training abtransportiert, etwa Laktat oder beschädigtes Gewebe. Andererseits bietet sich dem Kopf die Möglichkeit, dem vergangenen Lauf nachzuspüren und zu beurteilen, welche Trainingsaspekte rund laufen, wo sich Defizite erkennen lassen und welche Lehren fürs nächstfolgende Training zu ziehen sind.

Wer das obligate Cool-down um eine reizvolle Note ergänzen mag, probiere das Auslaufen einmal in folgenden Varianten:

Barfuss oder in Socken auf gewohntem Trainingsuntergrund. Intuitiv setzt man beim Barfusslaufen eher vorsichtig und oftmals auf dem Mittel- und Vorfuss auf, was die Belastung auf Knie- und Hüftgelenke spürbar reduziert. Überdies verlangt das Laufen ohne stützende Schuhe der Fussmuskulatur erhöhte Stabilität ab. Das aktiviert kleinste Muskeln in Füssen und Zehen. Wer keine Schnittverletzungen riskieren will, behält zum Schutz der Haut die Socken an.

Barfuss auf natürlichem Untergrund. Eine richtiggehende Fussmassage setzt ein, wenn man das oben beschriebene Auslaufen barfuss auf natürlichem Untergrund angeht. Wiese, Waldboden, Sand, Holzschnitzel auf der Finnenbahn fordern das neuromuskuläre System und stimulieren die sensorische Körperwahrnehmung. Hinzu kommt, dass natürliche Untergründe den Aufprall dämpfen und damit Gelenke, Sehnen und Wirbelkörper entlasten.

Wie jeder neue Trainingsreiz verlangt auch das Auslaufen auf ungewohntem Untergrund eine sorgfältige Annäherung, um Verletzungen im Keim zu ersticken. Daher sollte man buchstäblich schrittweise starten und anfänglich nur wenige Meter oder Minuten dergestalt zurücklegen.

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