Nachgewürzt

Wolfgang Fassbender


Gastrokritik

Aus dem einstigen Zwei-Sterne-Restaurant «Pavillon» im «Baur au Lac» wurde das «Marguita», ein mediterran geprägtes Lokal mit guten Ideen, einem Hauch von Nostalgie und einer Terrasse, die sich bereits als Hotspot etabliert hat.

Das Wetter ist durchwachsen, aber das scheint die Gäste auf der Terrasse nicht zu stören. Was sollen sie auch tun? Drinnen, im ehemaligen Restaurant Pavillon, wird noch gearbeitet; man kann sich derzeit nur entscheiden, ob man draussen sitzen oder anderswo einkehren will. Letzteres will aber gerade kaum jemand. Die Eröffnung des Nachfolgers des einstigen Zwei-Sterne-Lokals ist gerade Stadtgespräch. Und das, obwohl die kulinarischen Ansprüche deutlich unter denen des «Pavillon» zu liegen scheinen. Kein Gourmetmenu mehr, sondern ein umfangreiches Angebot à la carte, in dem sich der Gast erst einmal zurechtfinden muss.

Halb Zürich sitzt auf der Terrasse und trinkt Champagner

In der Findungsphase sind an diesem Mittag viele. Die Neugier ist gross, und an so manchem Tisch wird schon am Mittag Champagner ausgeschenkt. Dass es in kulinarischer Hinsicht anders sein wird als früher, zeigt bereits der essbare Auftakt. Es gibt Brot – sehr gutes, eine Sorte – und Olivenöl, aber keine Appetithäppchen, die sogenannten Amuse-Bouches, die in vielen Fine-Dining-Restaurants unabdingbar sind.

Hier sollen wohl eher die Produkte für sich sprechen. Tatsächlich steht Hochklassiges auf der Karte und hier und da auch Spannendes. Man muss es aber finden zwischen all den leicht nostalgisch anmutenden Klassikern von Mozzarella (mit Tomate und Pinienkernen) bis Vitello tonnato. King Crab Rossini (mit Foie gras und Trüffeln zu 68 Franken) ist ein Beispiel für die auf klassischer Basis aufbauende Kreativität des Küchenchefs Maximilian Müller.

Bei anderen Speisen wird erst auf dem Teller klar, wie sehr sie sich abheben von ähnlich klingenden Angeboten anderswo. Die Gazpacho (22 Franken) ist so ein Beispiel: perfekt gewürzt und balanciert, angenehm fruchtig und animierend. Das Carpaccio von sizilianischen Gamberi ist ein anderes. Zum Preis von 38 Franken kommt eine Vorspeise, wie sie nur zu servieren ist, wenn die Qualität der Zutaten exzellent ist: Salsa verde und confierte Zitrone ergänzen das rohe Garnelenfleisch auf das Beste.

Ob wir noch mehr Brot wollten, fragt der Restaurantleiter Aurélien Blanc mit seinem unverwechselbaren französischen Akzent. Auch er war schon zuvor im Team und macht den Eindruck, als gefalle ihm das neue Konzept. Tatsächlich ist die Weinauswahl ja nicht plötzlich schlechter geworden, und erklären muss man mindestens so viel wie früher. Der Laurent-Perrier Grand Siècle No. 26 (der Dezi zu 45 Franken) ist übrigens trotz dem Preis eine Champagner-Attraktion; man könnte überlegen, so etwas in noch grösseren Gläsern auszuschenken.

Austern, Kaviar oder doch nur Fritto misto?

Für die Gäste, die sich oder anderen zeigen wollen, was sie haben, gäbe es Kaviar. 125 Gramm der lapidar als «Baur au Lac Caviar» beschriebenen Ware zu 595 oder 250 Gramm zu 1200 Franken. Mengenrabatt ist, wie man sieht, nicht drin. Drei Gillardeau-Austern kosten 33 Franken, was nicht wenig ist, aber auch nicht teurer als anderswo in der gehobenen Zürcher Gastronomie.

Andererseits kann man auch günstiger speisen, wenn man acht gibt. Wir nehmen als Hauptgang Nummer eins ein Fritto misto zu 38 Franken – und das ist ein Gericht, bei dem man viel falsch machen kann. Hier nicht. Alles ist richtig zubereitet, kurz ausgebacken, mit feiner Aioli serviert. Dass man derartige Snacks der erschwinglichen Art anbietet, dass man eine kleine Auswahl der Karte auch nachmittags serviert, wenn anderswo die Küche zu hat, gehört zum Konzept.

Eine Fischsuppe von Topqualität

Unser Highlight des Mittags aber ist nicht das Fritto misto, sondern die Fischsuppe. Eine Bouillabaisse (68 Franken), die klar macht, wie armselig all das schmeckt, was anderswo in der Schweiz unter diesem Namen serviert wird. Ein aromatischer, aber nicht überladener Sud, grossartige Fisch- und Meeresfrüchte-Einlage, eine genau richtig bemessene Menge Fenchel, die eine aromatisch-süssliche Note beisteuert, und klasse Sauce Rouille. Was will man mehr? Vielleicht noch ein, zwei Croûtons à part.

Weder die Pasta noch die Desserts probieren wir an diesem Tag, nicht den Wolfsbarsch in der Salzkruste (er wird am Nachbartisch aus selbiger gelöst und kostet 185 Franken für zwei Personen), auch nicht die Pouletbrust mit Sauce suprême zu 36 Franken. Aber weil das Konzept sehr stimmig ist, werden wir wiederkommen. Allein schon deshalb, weil man in den Sesseln des neuen Zürcher Hotspots so bequem sitzt, wie es längst nicht überall selbstverständlich ist.

Auf einen Blick

Adresse

Restaurant Marguita im Hotel Baur au Lac
Talstrasse 1
8001 Zürich

Preise

Hauptgerichte kosten zwischen 34 und 122 Franken.

Bewertung

Küche: 8/10
Gastkultur: 8,5/10

Anmerkung: Die Bewertungen orientieren sich an der denkbaren Höchstnote von 10 Punkten. Die Note für die Küche betrifft ausschliesslich die Qualität der Speisen, jene für Gastkultur umfasst sämtliche übrigen Aspekte eines Restaurantbesuchs.

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