Mittwoch, Oktober 9

Seit der CS-Übernahme werden die Karten im Geschäft mit Schweizer Firmenkunden neu gemischt. Raiffeisen hat dank ihrer Grösse gute Voraussetzungen, Marktanteile zu gewinnen.

Raiffeisen ist ein Riese. Nach dem Verschwinden der Credit Suisse ist sie mit einer Bilanzsumme von über 300 Milliarden Franken die zweitgrösste Bank der Schweiz, hinter der UBS, die im Heimmarkt auf 320 Milliarden kommt. Dass sie nicht als riesig wahrgenommen wird, liegt daran, dass sie dezentral organisiert und mit 218 autonomen Raiffeisenbanken regional verwurzelt ist. Auch sorgt Raiffeisen seit der Affäre um den Ex-Chef Pierin Vincenz für weniger Schlagzeilen.

Ein Riese ist Raiffeisen vor allem bei Hypotheken. Sie hatte davon zum Halbjahr 215 Milliarden Franken ausstehend und konnte ihren Marktanteil auf 18 Prozent vergrössern, auch hier ist sie die Nummer 2. Doch das Aus der CS hat der Genossenschaftsbank neue Wachstumsmöglichkeiten eröffnet: Nicht nur im Vorsorge- und Anlagegeschäft will die Bank gemäss dem CEO Heinz Huber wachsen, sondern auch im Geschäft mit Firmenkunden – das kann ein Laden in der Innenstadt oder ein Grossunternehmen mit Milliardenumsatz sein.

Denn die CS hat nach ihrer Einverleibung in die UBS eine grosse Lücke hinterlassen. Bei Konsortialkrediten etwa war die CS oft die federführende Bank. Grössere Firmen hatten oft eine Beziehung zur UBS und eine zur CS. Nun haben sie nur noch eine Verbindung zur UBS; oder sie wurden Kunden der UBS, ohne es zu wollen.

CS-Aus ist eine Chance für Raiffeisen

Für Banken, die im Geschäft mit grösseren Firmenkunden in der zweiten Reihe standen, ist das Verschwinden der CS eine grosse Chance. So konnte Raiffeisen ihr Kreditvolumen für Firmen in den ersten sechs Monaten des Jahres um 2 Milliarden Franken auf jetzt über 50 Milliarden erhöhen. Der Raiffeisen-Chef Heinz Huber sagt, dass es in diesem Bereich «viel Traktion» gebe. 3000 neue Firmen seien zu Raiffeisen gekommen, vor allem mittlere und grosse Unternehmen.

«Die Unternehmen organisieren nach dem Ende der CS ihre Kreditbeziehungen neu», das sei einer der Hauptgründe, warum Raiffeisen derzeit in diesem Bereich so stark wachsen könne, sagt Roger Reist, er verantwortet bei Raiffeisen das Firmengeschäft. Nach der CS-Übernahme habe Raiffeisen dieses Geschäft priorisiert und diesem mehr Kapital zugeteilt, sagt er und schiebt nach, dass man aber nach wie vor eine «vorsichtige Risikopolitik» verfolge.

Raiffeisen ist als zweitgrösste Schweizer Bank in einer guten Ausgangslage, um die Kredit- und Finanzierungsbedürfnisse von Unternehmen abzufangen, die eine inländische Alternative zur UBS suchen. Denn auch Raiffeisen hat eine grosse und sichere Bilanz, die ihr ein wachsendes Kreditgeschäft ermöglicht – im Gegensatz zu vielen Regional- oder Kantonalbanken, die aus Risikogründen nur KMU-Finanzierungen anbieten.

Dass sich Unternehmen neben der UBS nach weiteren Partnern umschauen, ist naheliegend, denn die Grossbank soll ihre Kreditkonditionen teilweise verschärft haben. Die UBS-Schweiz-Chefin Sabine Keller-Busse sagte jüngst in der NZZ: «Unrentable Beziehungen müssen wir neu bepreisen, das haben wir den Kunden aber transparent gemacht.»

Denn etliche Kreditlinien der CS sollen defizitär gewesen sein. Die untergegangene Bank soll dem Vernehmen nach bei Unternehmenskrediten tiefere Margen in Kauf genommen haben, andere Bereiche wie das Devisen- oder Kapitalmarktgeschäft hätten das Kreditwesen quersubventioniert. Die UBS will von dieser Praxis der CS abrücken. Dafür ist aber eine Verteuerung der Kredite notwendig, auch angesichts des höheren Zinsniveaus.

Kein Preiskampf bei Firmenkrediten

Raiffeisen ist erst seit etwa zehn Jahren ernsthaft im Firmenkundengeschäft tätig. Sie konnte sich aber hinter der UBS und der ZKB als Nummer drei in diesem Geschäft etablieren. Sie ist allerdings deutlich grösser als die Kantonalbanken; und angesichts ihrer Bilanzstärke hat die Bank das Potenzial, der UBS grössere Firmenkunden streitig zu machen.

Bei Krediten für KMU ist Raiffeisen bereits gut unterwegs. Doch nun versucht sie auch in Bereichen mitzumischen, die bisher den Grossbanken oder ausländischen Instituten vorbehalten waren, etwa Exportfinanzierungen, internationaler Zahlungsverkehr oder Kapitalmarkttransaktionen, wo die UBS den Inlandmarkt dominiert.

Raiffeisen hätte auf all diesen Gebieten ein Angebot, wenn auch unterschiedlich ausgeprägt. «Auch wir bieten Leasing- oder Devisenabsicherungsgeschäfte an. Das sind Bereiche, wo die CS traditionell sehr stark war», sagt Reist. Finanzierungslösungen werden auf Ebene der Regionen wie auch der Gruppe angeboten. Diese kümmert sich auch um Unternehmen, die zwei- oder dreistellige Kreditsummen benötigen.

Dass es für Raiffeisen im Firmenkundengeschäft rundläuft, zeigt der Stellenbestand: 500 Leute sind im Bereich tätig, 60 wurden neu auf Gruppenstufe angestellt, es handelt sich um ein «strategisches Geschäftsfeld». Denn Raiffeisen kann sich seit der Zinswende nicht mehr nur auf den «Zinsturbo» für höhere Erträge verlassen. Das Zinsergebnis fiel mit 1,4 Milliarden Franken 7 Prozent tiefer aus als im Vorjahr, was auch den Gesamtertrag und den Gewinn drückte.

Diesen Effekt muss Raiffeisen im Anlage- oder Firmenkundengeschäft zu kompensieren versuchen. Mittlerweile trägt der Bereich ein Fünftel des Gesamtertrags bei. Doch wachsen um jeden Preis ist kein Thema, Raiffeisen hat kein Interesse an einem Preiskampf. Man habe eine grosse Bilanz, ein sehr gutes Risikoprofil, aber man wolle auch eine «vernünftige Rendite» auf dem Eigenkapital erzielen, sagt Reist. Deshalb wolle man profitabel wachsen und sich nicht über günstigere Kredite differenzieren.

Eine schnelle Veränderung der Wettbewerbsverhältnisse ist also nicht zu erwarten. Reist räumt ein, dass die Marktverschiebungen langsamer stattfänden als erwartet, auch weil die Kreditverträge teilweise über 3 bis 5 Jahre liefen. So kann Raiffeisen aber davon ausgehen, dass sie auch in den kommenden ein, zwei Jahren im Firmenkundengeschäft vom «CS-Effekt» profitieren» wird.

Bedenken der Weko unbegründet

Dass sich die Marktverhältnisse verändern, wäre im Sinn der Wettbewerbskommission (Weko). Denn das inländische Firmenkundengeschäft ist ein Bereich, der nach der CS-Übernahme aus Wettbewerbssicht Sorgen bereitet. Das betont die Weko in ihrer Stellungnahme für die Finma, die den UBS-CS-Zusammenschluss ohne Auflagen durchgewinkt hat.

Die Wettbewerbshüter schreiben, dass die UBS im Corporate Banking einen Marktanteil von nahezu 40 Prozent halte, was ein Indiz für eine «dominante Stellung» sei. Im Corporate Banking für grosse Unternehmen stünden derzeit «keine vollwertigen Alternativen» zur UBS zur Verfügung, die alle nachgefragten Dienstleistungen aus einer Hand anbieten könnten. Insbesondere die ZKB, andere Kantonalbanken «und in gewissen Bereichen» die Raiffeisenbanken und ausländische Banken sieht die Weko zwar als «potenzielle Konkurrentinnen».

Der Corporate-Banking-Experte Reist teilt diese Einschätzung aber nicht: Es gebe genug Anbieter. Die Kantonalbanken, die ausländischen Banken und auch Raiffeisen hätten ihr Kreditengagement ausgeweitet. Der Wettbewerb um Schweizer Firmenkunden spiele, solange die Unternehmen bereit seien, für gewisse Dienstleistungen mit ausländischen Banken zusammenzuarbeiten, sagt er.

Eine im Sinne der Weko «vollwertige», valable Schweizer Alternative zur UBS im Firmenkundengeschäft wäre dennoch wünschenswert. Denn inländische Banken bieten klare Vorteile. Gemäss Reist bieten sie vor allem Konstanz, denn der Heimmarkt geniesse eine hohe Priorität. Ausländische Banken seien womöglich weniger verlässlich und könnten sich nach einigen Jahren wieder aus dem Schweizer Markt zurückziehen.

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