Donnerstag, November 28

Seit 2021 sind die Vorgaben für einen Vaterschaftsurlaub in Kraft. Nun soll laut Initianten ein starker Ausbau des staatlich finanzierten Elternurlaubs her.

Die Schweiz ist eine Trommelfeuer-Demokratie. Mit hoher Kadenz treiben weitreichende Volksinitiativen Politik und Wirtschaft vor sich her. Die Rechte bewirtschaftet mit Vorstössen vor allem die Ausländerfeindlichkeit und die EU-Skepsis. Die Linke fordert derweil vor allem Wachstum, Wachstum, Wachstum – mehr Renten, mehr Löhne, mehr Staatsausgaben, mehr Subventionen, mehr Steuern, mehr Staatsschulden.

In der Sonntagsschule der Klimapolitik wendet sich die Linke zwar kurzfristig gegen die Wachstumsgläubigkeit, doch an den Werktagen ist das jeweils rasch wieder als grünes Deckmäntelchen entlarvt. An den Werktagen gilt etwa aus linker Sicht ein «Sparpaket», welches das jährliche Wachstum der Bundesausgaben bis 2030 im Mittel von 3 Prozent auf 2,3 Prozent senken will, bereits als inakzeptables Abbauprogramm.

Hier einige Beispiele von weitreichenden Volksinitiativen der Wachstumsgläubigkeit: 13. AHV-Monatsrente (jährliche Zusatzkosten 4 bis 5 Milliarden Franken, vom Volk angenommen); Ausbau der staatlichen Verbilligung der Krankenkassenprämien (gemäss Wünschen der Initianten etwa 5 bis 10 Milliarden, knapp abgelehnt); Ausbau der staatlichen Kinderkrippenfinanzierung (über 2 Milliarden; Ausgang offen); Klimafonds (4 bis 8 Milliarden, Ausgang offen). Hinzu kommt die chancenreiche Mitte-Initiative zur Erhöhung der AHV-Renten für Ehepaare (3,5 bis 4 Milliarden). Die genannten Initiativen würden zusammen etwa jährliche Kosten von rund 20 Milliarden Franken oder noch mehr verursachen; umgerechnet wären das mindestens etwa 6 Mehrwertsteuerprozente.

Zweimal 18 Wochen

Und es geht weiter im Takt. Am Donnerstag haben Exponenten von links und aus dem Mittespektrum eine Volksinitiative zum starken Ausbau des staatlich bezahlten Elternurlaubs angekündigt. Die Minimalvorgabe für einen bezahlten Mutterschaftsurlaub liegt zurzeit bei 14 Wochen. Seit 2021 gibt es auch eine staatliche Vorgabe für einen Vaterschaftsurlaub von 2 Wochen.

Die Initiative fordert ein Minimum von je 18 Wochen Mutterschaftsurlaub und Vaterschaftsurlaub – mit Entschädigung von 100 Prozent (statt 80 Prozent) des Lohns für die tieferen Einkommen. Dies soll durch eine Erhöhung der Lohnbeiträge für die Erwerbsersatzordnung von 0,5 auf 0,75 Prozent finanziert werden. Die Unterschriftensammlung soll im kommenden Frühling starten.

Die Einführung der Vorschrift für einen bezahlten Vaterschaftsurlaub ging auf eine Volksinitiative der Gewerkschaft Travail Suisse zurück; diese forderte 4 Wochen, doch die Initianten zogen ihr Begehren zugunsten eines weniger weitgehenden Gegenvorschlags des Parlaments zurück. Travail Suisse ist nun auch bei der neuen Initiative wieder aktiv. Zu den Trägern gehören auch die Grünen, die Frauenorganisation Alliance F und die Mitte-Frauen. Die SP sitzt offiziell nicht in der Trägerschaft, dürfte aber den Vorstoss unterstützen. Auch einzelne FDP-Exponenten sind laut den Initianten im Komitee.

Mehr versteckte Umverteilung

Auch diese Initiative entspricht dem Zeitgeist und erscheint chancenreich. Schon bei der Einführung des Vaterschaftsurlaubs war klar, dass der Ausbau nur eine Frage der Zeit sein würde. Schon damals gab es Forderungen für bezahlten Elternurlaub von 20, 30 oder auch mehr Wochen. Die Eidgenössische Kommission für Familienfragen hatte gar 38 Wochen gefordert.

Für den Ausbaudruck sorgt bereits die Art der Finanzierung. Mutter- und Vaterschaftsurlaub werden wie die AHV finanziert: durch prozentuale Abzüge vom Lohn, ohne Deckel bei den Lohnabzügen, aber mit einem Deckel bei den Auszahlungen. Diese Finanzierungsart bringt eine versteckte Umverteilung von oben nach unten; dies wird bei der neuen Initiative noch verstärkt durch degressive Auszahlungssätze. Wie bei der AHV wird die Linke deshalb immer für einen Ausbau votieren. Familienpolitik ist zwar nicht ihr Steckenpferd, aber bei der Wahl eines Deckmäntelchens muss man «flexibel» bleiben.

Der Ausbau der staatlichen Vorgaben für den bezahlten Elternurlaub ist auch ein besonderes Anliegen der Grünliberalen. Das Anliegen ist zwar weder grün noch liberal, aber es klingt irgendwie «progressiv»: Es klingt nach mehr Gleichheit der Geschlechter und nach Frauenförderung. Zudem haben die Grünliberalen trotz der zweiten Hälfte ihres Parteinamens keine Berührungsängste bei Forderungen nach mehr Staatsinterventionen.

Gemessen an den Versprechen der Initianten ist der Vorstoss eine Art eierlegende Wollmilchsau: Er soll gleichzeitig die Geburtenrate steigern, die Erwerbstätigkeit erhöhen, die KMU entlasten, Frauenkarrieren erleichtern sowie die Gesundheit von Eltern und Kindern verbessern. Und dies quasi gratis. Denn die geschätzten Kosten von einer Milliarde Franken pro Jahr würden nach zwanzig Jahren durch die höheren Steuern und Sozialversicherungsabgaben refinanziert, sagen die Initianten mit Verweis auf eine von ihnen bestellte Studie des Beratungsbüros Ecoplan. Laut der Studie würden dank der Initiative jedes Jahr umgerechnet auf Vollzeitstellen 2200 Personen zusätzlich im Arbeitsmarkt tätig sein. Die Studie unterstellt im wahrscheinlichen Szenario eine Steigerung des Erwerbspensums der Mütter als Folge der Initiative von 2,5 Prozent; in diesem Szenario würde der geschätzten jährliche Nutzen die jährlichen Kosten nach 25 Jahren übersteigen. Die geschätzten Kosten unterstellen eine Lohnersatzquote von generell 80 Prozent.

Gut für Kindergesundheit

Die internationale Forschungsliteratur liefert einige Argumente für den Ausbau des bezahlten Elternurlaubs. Ein Überblick von 2018 über die Fachliteratur durch eine nordamerikanische Forschergruppe ortete einen positiven Zusammenhang zwischen einem Ausbau des bezahlten Elternurlaubs und der Kindergesundheit. Bei einem bezahlten Elternurlaub zwischen 6 und 12 Monaten gebe es überdies wenig Anzeichen, dass dies für die Betroffenen negative Folgen für Erwerbsbeschäftigung und Lohnentwicklung habe.

Auch ein Überblick von 2024 über die Literatur durch eine italienische Forschergruppe stellte einen positiven Zusammenhang zwischen der Dauer der Elternbetreuung in der frühkindlichen Phase und der längerfristigen Gesundheitsentwicklung der Kinder fest. Ebenfalls dieses Jahr haben spanische Forscher die internationale Fachliteratur zum Vaterschaftsurlaub unter die Lupe genommen. Zu den genannten Tendenzen gehören bessere Vater-Kind-Beziehungen, bessere Paarbeziehungen und eine bessere Entwicklung der Kinder.

Unklare Erwerbseffekte

Die Befunde der Forschung zu den Folgen eines Ausbaus des bezahlten Elternurlaubs auf die Berufskarriere der Eltern sind durchzogen. Ein 2024 publizierter Überblick durch drei europäische Forscher zum Zusammenhang zwischen bezahltem Elternurlaub und der Berufskarriere von Müttern zeigt keine klare Tendenz. In ihrer eigenen Studie untersuchten die Forscher die Entwicklung in Norwegen, wo in acht Schritten zwischen 1987 und 2005 der bezahlte Elternurlaub von 18 auf 53 Wochen ausgedehnt wurde – mit einer Quote von zuletzt mindestens fünf Wochen für die Väter.

Der Kernbefund: Die Reformen hatten in der Summe keinen Effekt auf die spätere Erwerbsbeschäftigung der Mütter und auf die Geburtenrate. Auch in Bezug auf die längerfristige Karriere der Mütter (Wahrscheinlichkeit des Aufstiegs in die Chefetage) orten die Forscher keine Wirkungen.

Die Volksinitiative ruft zudem einmal mehr nach der Grundfrage, inwieweit Eltern Verantwortung und Kosten ihrer Kinder an den Staat abschieben sollen. Menschen haben Kinder mit guten Gründen: Kinder sind eine Quelle von viel Freude, welche die Kosten und Mühen bei weitem überwiegen können (wenn es nicht allzu schlecht läuft). Wie weit man hier dem Prinzip «privater Nutzen, sozialisierte Kosten» nachleben will, ist eine politische Frage. Ähnliches gilt für die Verwendung der verlangten Zusatzmittel zur Finanzierung in Milliardenhöhe: Die Zahl der angeblich guten Zwecke ist unbegrenzt, doch die Mittel sind begrenzt – wer Zusatzgelder für den Zweck A verlangt, kann diese Mittel nicht für die guten Zwecke B bis Z einsetzen.

Doch solche Volksinitiativen setzen darauf, dass die Bürger dies vergessen. Bis die nächste teure Initiative den nächsten guten Zweck in den Fokus stellt.

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