Die Gerichte verweigern dem Neubauprojekt in der Brunau mit 500 Wohnungen die Genehmigung. Es ist bereits der zweite Anlauf der Bauherrin.
Die Liste der verhinderten Bauprojekte in der Stadt Zürich wird länger und länger. Jüngstes Beispiel: die Brunaupark-Siedlung im Süden der Stadt, ein Grossprojekt mit 500 neuen Wohnungen statt der bestehenden 239.
Seit Jahren versucht die Pensionskasse der Credit Suisse, eine Bewilligung für den Neubau zu erhalten. Zuerst verweigerten die Gerichte diese aufgrund von Lärmschutzbedenken. Nun ist das zweite, komplett neu aufgegleiste Vorhaben ebenfalls fürs Erste gescheitert – dieses Mal wegen des Heimatschutzes.
Auslöserin des riesigen Wohnbauprojekts war einst die Hauptmieterin Migros. Sie betreibt ein Ladenzentrum in der bestehenden Wohnsiedlung und wollte diese sanieren. Die CS-Pensionskasse als Besitzerin beschloss daraufhin 2019, die gesamte Siedlung zu überbauen. Vier der fünf Wohnblöcke sollen abgerissen werden.
Bis zu tausend Wohnungen sind blockiert
Doch es dauerte nicht lange, da wurde das Projekt angefochten. Vom Verkehrsclub der Schweiz, aber auch von Bewohnern der benachbarten Siedlung, die sich in der IG Wohnen in Laubegg organisiert haben. Das Baurekursgericht hiess deren Beschwerde gut.
Der Grund waren Lärmschutzvorgaben, die von den Gerichten seit einem Bundesgerichtsurteil von 2016 strenger ausgelegt werden.
Ähnlich wie dem Brunaupark erging es vielen Bauprojekten. Allein in der Stadt Zürich sind bis zu tausend Wohnungen durch die neue Gerichtspraxis blockiert. Rasch monierten Kritiker, Nachbarn könnten mithilfe der Lärmschutzverordnung unliebsame Projekte bodigen. Der Zufall will es, dass just kommende Woche im Nationalrat die Gesetzgebung wieder angepasst werden soll. Voraussichtlich wird das Bauen an lauten Lagen deutlich einfacher werden.
Auf das aktuelle Brunauprojekt hätte eine Lockerung keinen Einfluss. Denn während andere Bauherren in Zürich angesichts der schärferen Lärmschutzvorgaben ihre Projekte auf Eis legten, entschied sich die CS-Pensionskasse, von Grund auf neu zu planen.
Sie passte das Projekt mit Blick auf den Lärmschutz an. Am Erscheinungsbild ändert sich nichts. Das Projekt war vom städtischen Baukollegium als sehr gut eingestuft worden.
Doch auch gegen dieses zweite Projekt legten die Nachbarn Beschwerde ein. Ihnen kommt zupass, dass sie in einer Siedlung leben, die im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (Isos) aufgeführt ist. Die Nachbarn führten ins Feld, dass die Siedlung durch den Neubau in der Nachbarschaft «beeinträchtigt» sein könnte.
Das Baurekursgericht hatte noch zugunsten der Bauherrin entschieden. Nun jedoch hat die zweite Instanz, das Verwaltungsgericht, die Beschwerde gutgeheissen.
Dabei hatten die Behörden den Bauherren mit Blick auf die «Siedlung im Laubegg» klare Auflagen gemacht – nämlich dazu, wie die Umgebung zu gestalten sei.
Nun aber sagt das Verwaltungsgericht, diese Auflagen hätten bereits in der eigentlichen Baubewilligung und nicht in den Nebenbestimmungen formuliert sein müssen.
Zudem hätte die zuständige kantonale Fachstelle prüfen müssen, ob ein Gutachten einer eidgenössischen Kommission einzuholen sei.
Die Gründe für die Ablehnung sind demnach rein formal.
Urteil schränkt das Bauen womöglich weiter ein
Doch das Urteil könnte weitreichende Folgen haben. Wörtlich heisst es darin: «Die erhebliche Beeinträchtigung eines inventarisierten Objekts kommt auch von ausserhalb des Perimeters eines Inventarobjekts infrage.»
Mit anderen Worten: Das Heimatschutz-Argument kann grundsätzlich von Nachbarn ins Feld geführt werden, die in einer geschützten Siedlung wohnen und ein Neubauprojekt bekämpfen wollen.
Dies könnte das Bauen in den Städten nochmals deutlich erschweren – während gleichzeitig Wohnungsknappheit herrscht.
Die CS-Pensionskasse äussert sich nur knapp zum Urteil. Man werde weitere Schritte prüfen. Es wäre aber eine Überraschung, wenn die Bauherrin das Urteil nicht ans Bundesgericht weiterziehen würde. Beim Hochbaudepartement der Stadt Zürich nimmt man das Urteil «mit Erstaunen» zur Kenntnis.
Freuen dürften sich neben den Nachbarn die heutigen Mieterinnen und Mieter. Die CS-Pensionskasse hatte ihnen 2019 gekündigt. Später fanden Mieterverband und Bauherrin eine Übereinkunft, die Mieter konnten länger in ihren Wohnungen bleiben. Nun dürfte sich diese Frist auf unbestimmte Zeit verlängern.