Samstag, Oktober 5

Die ugandische Läuferin Rebecca Cheptegei wird in Kenya von ihrem Partner ermordet. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf ein grassierendes Problem in der kenyanischen Gesellschaft.

Erst vor wenigen Wochen lief Rebecca Cheptegei in Paris den Olympiamarathon, nun ist sie tot. Die 33-jährige Läuferin aus Uganda fiel einem grausamen Verbrechen zum Opfer. Cheptegei war am Sonntag von ihrem Lebenspartner mit Benzin übergossen und angezündet worden. Laut Medienberichten waren etwa 80 Prozent ihrer Körperoberfläche verbrannt. Sie habe zudem Flammen eingeatmet und innere Brandwunden erlitten. In einem Spital in Kenya wurde Cheptegei auf der Intensivstation behandelt. Am Donnerstag erlag sie ihren schweren Verletzungen.

«Wir haben vom traurigen Ableben unserer olympischen Athletin Rebecca Cheptegei erfahren, die von ihrem Freund brutal angegriffen wurde», schrieb Donald Rukare, Präsident des Uganda Olympics Committee, auf X. Cheptegei lief im Marathon in Paris auf den 44. Rang. 2021 wurde sie in Thailand Weltmeisterin im Berg- und Trailrennen.

Wie die Polizei mitteilt, soll Cheptegeis Partner ihr mit einem Fünf-Liter-Benzinkanister an ihrem Wohnort in Trans-Nzoia County im ländlichen Westen Kenyas aufgelauert haben. Der Mann hatte sich nach ersten Erkenntnissen in Cheptegeis Haus geschlichen, während sie mit ihren Kindern in der Kirche war. Bei ihrer Rückkehr habe er sie mit Benzin übergossen und angezündet.

Ob Cheptegei und der mutmassliche Täter noch in einer Beziehung waren, ist nicht bekannt. Wie es in Medienberichten heisst, sollen sich Cheptegei und der mutmassliche Täter vor der Attacke um das Grundstück gestritten haben, auf dem das Haus gebaut worden war. Laut ihren Eltern habe die Läuferin das Landstück im Westen Kenyas gekauft, um in der Nähe der vielen Trainingszentren zu leben.

Jede dritte Frau in Kenya hat schon körperliche Gewalt erlebt

Der kenyanische Sportminister Kipchumba Murkomen bezeichnete den Tod Cheptegeis als einen Verlust «für die gesamte Region». «Die geschlechterspezifische Gewalt hat in den letzten Jahren auch im Spitzensport ihr hässliches Gesicht gezeigt. Wir müssen mehr tun, um sie in unserer Gesellschaft zu bekämpfen», sagte er in einer Erklärung.

Gewalt gegen Frauen ist in Kenya ein grassierendes Problem. Das Problem ist zwar bekannt, wird aber oft verschwiegen. Laut Statistiken hat jede dritte Frau ab 15 Jahren schon körperliche Gewalt erlebt. Der Tod von Cheptegei ist daher kein Einzelfall. Er zeigt aber auf, dass immer mehr Spitzensportlerinnen davon betroffen sind.

Besonders die Morde an den drei kenyanischen Läuferinnen Edith Muthoni, Damaris Muthee Mutua und Agnes Tirop hatten in den vergangenen Jahren für Aufsehen gesorgt. Alle drei Fälle hatten eine Gemeinsamkeit – die drei Frauen wurden von ihren Trainern, Partnern oder Ex-Partnern getötet. Zwei der drei Frauen starben in Iten, der Elite-Laufstadt, die als «Home of Champions» bekannt ist und schon einige der weltbesten Läufer hervorgebracht hat.

Die Langstreckenläuferin Damaris Muthee Mutua wurde dort im April 2022 erwürgt aufgefunden – unter Tatverdacht steht ihr Freund. Die Mittelstreckenläuferin Edith Muthoni wurde im Oktober 2021 in Kirinyaga von ihrem Mann mit einer Machete getötet. Wenige Tage später wurde Agnes Tirop in Iten umgebracht. Ihr Tod hallt in Kenya immer noch nach und erfuhr medial die grösste Resonanz.

Erst läuft sie Weltrekord, dann wird sie ermordet

Tirop galt als aufstrebendes Talent im Marathon und als einer der kommenden Stars in einer der erfolgreichsten Laufnationen der Welt. Im September 2021 stellte sie einen Weltrekord über zehn Kilometer auf der Strasse auf. Wenige Wochen später war die 25-Jährige tot.

Sie wurde mit mehreren Stichwunden in Bauch und Nacken in ihrem Haus aufgefunden. Als Täter identifizierte die Polizei Tirops sechzehn Jahre älteren Ehemann. In den Medien war nach der Tat von einer «toxischen Beziehung» zu lesen. Tirop wollte sich offenbar von ihm trennen, weil er in ihrer Abwesenheit ihr Geld verprasste. Ihr Mann wiederum behauptete, Tirop habe eine Affäre mit einem anderen Leichtathleten. Als die Athletin von einem Wettkampf in der Schweiz zurückkehrte, wurde sie ermordet.

Der Tod von Tirop sorgte unter kenyanischen Athleten für Bestürzung. Viola Lagat, eine gute Freundin der Getöteten und ebenfalls eine bekannte Läuferin, hielt an Tirops Beerdigung eine pointierte Rede. Sie wies auf die geschlechterspezifische Gewalt im Land hin. «Es muss etwas getan werden. Und zwar jetzt. Nicht morgen, nicht an irgendeinem anderen Tag, sondern heute.»

Auch die Langstreckenläuferin Joan Chelimo, die seit diesem Jahr für Rumänien startet, übte Kritik. «Wie viele Agnes gibt es da draussen noch? Wie lange wird unsere Gesellschaft noch schweigen und diese Art von Tragödie hinnehmen?» Läuferinnen seien einem hohen Risiko von Ausbeutung und Gewalt durch Männer ausgesetzt, die von ihrem Geld angezogen würden, sagte Chelimo gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

Meistens würden sich die Männer als Trainer bei den jungen Athleten melden, ihnen Nahrung, Unterkunft und Ausrüstung anbieten. «Sie sehen die Möglichkeit, sich selbst zu bereichern. Und die Athleten geraten in die Falle dieser Raubtiere», sagte Chelimo. Wenn sich die erfolgreichen Läuferinnen eines Tages emanzipieren wollten, ende es oft in einer tödlichen Eskalation.

Eine NGO fordert härtere Strafen für die Täter

Lagat und Chelimo haben sich nach Tirops Tod mit mehreren kenyanischen Athleten zusammengetan und die Nichtregierungsorganisation Tirop’s Angels gegründet. Damit wollen sie junge Athletinnen unterstützen und junge Mädchen an Schulen und in Sportcamps über geschlechterspezifische Gewalt aufklären. Zudem setzen sie sich für eine Gesetzesänderung ein, damit die Gefängnisstrafen für potenzielle Täter erhöht werden.

Der mutmassliche Täter im Mordfall von Agnes Tirop wurde im November 2021 angeklagt. Nach zwei Jahren in Untersuchungshaft wurde er im November 2023 auf Kaution freigelassen. Er bestreitet die Tat bis heute. Der Fall ist noch nicht abgeschlossen, weil das Urteil noch aussteht.

Im Fall von Rebecca Cheptegei liegt der mutmassliche Täter derzeit auf der Intensivstation. Er hat beim Angriff auf seine Freundin ebenfalls Verbrennungen an 30 Prozent der Körperoberfläche erlitten. Die Ermittlungen dauern an.

Exit mobile version