Sonntag, September 29

Der Entscheid gegen den Gemeinderat von Henggart ist auch eine Niederlage für den Zürcher Sicherheitsdirektor Mario Fehr.

Der anhaltende Zustrom von Asylbewerbern sowie Schutzsuchenden aus der Ukraine setzt die Zürcher Gemeinden stark unter Druck. Ihre vom Kanton verordnete Asyl-Aufnahmequote ist seit 2020 viermal erhöht worden, von 5 Personen pro 1000 Einwohner auf derzeit 16 Personen.

Weil es an vielen Orten kaum noch freie Wohnungen gibt und es rasch Lösungen braucht, haben sich mehrere Gemeinden dazu entschieden, Wohncontainer anzuschaffen.

Auch Henggart im Zürcher Weinland wählte diesen Weg. Im Mai beschloss der Gemeinderat, Occasions-Wohncontainer für 920 000 Franken zu beschaffen. Weiter waren jährliche Folgekosten von 143 000 Franken veranschlagt.

Diese Auslagen liess sich der Gemeinderat nicht von den Stimmbürgern bestätigen. Er stellte sich auf den Standpunkt, dass es sich um gebundene Ausgaben handle und er deshalb in eigener Regie darüber befinden könne.

Gebunden sind Ausgaben nach Gesetz dann, wenn sie erstens vorgegeben sind und wenn es zweitens weder sachlich noch örtlich oder zeitlich erheblichen Handlungsspielraum gibt.

Genau dieser zweite Punkt war aber umstritten. 34 Bürgerinnen und Bürger aus Henggart reichten gegen den Beschluss des Gemeinderats Stimmrechtsrekurse beim Bezirksrat Andelfingen ein.

Jetzt hat der Bezirksrat ihnen recht gegeben und den Beschluss des Gemeinderats aufgehoben. Dieser habe seine Finanzkompetenzen überschritten. Dies geht aus dem Entscheid vom 16. September hervor, welcher der NZZ vorliegt.

Schon in Fällanden klappte es nicht

Eine grosse Überraschung ist der Entscheid des Bezirksrats nicht. Das Zürcher Verwaltungsgericht hatte nämlich vor rund einem Jahr bereits in einem ganz ähnlichen Fall gegen eine Gemeinde entschieden.

Damals ging es darum, dass Fällanden für rund 1,5 Millionen Franken Wohncontainer für die Unterbringung von Asylbewerbern kaufen wollte, ohne die Ausgabe der Gemeindeversammlung vorzulegen. Auch Fällanden stellte sich auf den Standpunkt, dass es der Gemeinde an Handlungsspielraum fehle, die Ausgabe deshalb gebunden sei und der Gemeinderat eigenständig darüber entscheiden könne.

Das Verwaltungsgericht kam damals aber zu dem Schluss, dass es sehr wohl Spielraum gebe, wo und wie eine Unterkunft erstellt werden könne. Fällanden zog den Entscheid des Zürcher Verwaltungsgerichts weiter an das Bundesgericht, doch dieses trat nicht einmal auf die Beschwerde ein.

Bemerkenswert ist, dass nun der Bezirksrat im Fall Henggart ganze Passagen des Verwaltungsgerichtsurteils zu Fällanden wortwörtlich übernommen hat – die beiden Fälle sind in den Augen der Andelfinger Rekursbehörde also sehr gut vergleichbar.

Es sei davon auszugehen, dass sachlich und örtlich ein erheblicher Spielraum bestehe. Dies zeige nur schon der Umstand, dass sich der Gemeinderat von Henggart in seinem Beschluss auf über fünf Seiten zu diversen Alternativen zu den Wohncontainern geäussert habe. Weiter habe der Gemeinderat explizit eine Mehrzweckhalle als kurzfristige Übergangslösung beschrieben – somit gebe es auch in zeitlicher Hinsicht einen gewissen Entscheidungsspielraum.

Der Entscheid des Bezirksrats Andelfingen ist indirekt auch eine Niederlage für den Zürcher Sicherheitsdirektor Mario Fehr (parteilos). Dieser ist auf der Kantonsebene für die Asylbewerber und Schutzsuchenden zuständig.

Fehrs Sicherheitsdirektion hatte den Gemeinden mehrmals schriftlich bestätigt, dass die Kosten für die Erfüllung von Asylaufgaben gebunden seien. In einem Schreiben vom April 2023 erwähnte die Sicherheitsdirektion das «Aufstellen von Behelfscontainern» sogar explizit als Beispiel für eine solche gebundene Ausgabe. Zum Urteil des Verwaltungsgerichts im Fall von Fällanden teilte die Sicherheitsdirektion den Gemeinden mit, «die Begründung des Gerichts ist falsch.»

Der Bezirksrat Andelfingen liess sich davon nicht beeindrucken. Die Haltung des Sicherheitsdirektors ändere nichts an der Einschätzung, dass es in Henggart verschiedene Möglichkeiten gebe, die Asylbewerber unterzubringen. Sprich: Die Ausgabe ist nicht gebunden, sondern gehört vor die Gemeindeversammlung.

Der Entscheid des Bezirksrats ist noch nicht rechtskräftig. Henggart verzichtet aber auf einen Weiterzug, wie der Gemeindepräsident Andreas Wyler (parteilos) gegenüber der NZZ sagt. «Wir wollen nun der Gemeindeversammlung zwei bis drei Varianten für die Asyl-Unterkunft vorlegen.»

Dies solle möglichst bald geschehen, damit die neue Unterkunft bis im nächsten Frühling oder Sommer bezugsbereit sei.

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