Samstag, April 19

Die EU will einen offenen digitalen Markt und hat dafür eigens ein Gesetz geschaffen. Sie untersucht nun, ob Apple, Amazon, Meta und Alphabet ihre Macht missbrauchen. Die Strafen können drakonisch ausfallen.

Die grossen, vornehmlich amerikanischen Tech-Firmen wie Apple, Alphabet (Google), Meta und Amazon sind globale Anbieter, die fast alle kennen. Ihr Angebot ist vielfältig und geht weit über das ursprüngliche Kerngeschäft hinaus.

Apple beispielsweise produziert nicht nur Computer und Smartphones, sondern betreibt auch einen Shop für Apps und einen Bezahldienst (Apple Pay). Das amerikanische Unternehmen strebt selbstverständlich danach, dass beispielsweise die Käufer eines iPhones all diese Dienste nutzen und nicht diejenigen von Konkurrenten. Betriebswirtschaftlich ist das vernünftig; aus der Sicht der EU-Kommission sind Apple, aber auch Alphabet, Meta und Amazon möglicherweise zu mächtig geworden.

Sie hat gegen diese Unternehmen deshalb Untersuchungen oder gewisse Voruntersuchungen (Amazon) eingeleitet. Abzuklären gilt es aus ihrer Sicht, ob die Gesellschaften in der digitalen Wirtschaft einen «Flaschenhals» darstellten, der die Wahlfreiheit der Konsumenten beschneidet und Konkurrenten einschränkt. Man wolle offene digitale Märkte in Europa garantieren, sagt Margrethe Vestager, die für Wettbewerbsfragen zuständige Kommissarin, am Montag.

Sie beruft sich dabei auf die Digital Market Act (DMA), ein Gesetz, das seit dem 7. März die grossen Tech-Unternehmen als «Gatekeeper» bezeichnet: Also als Wächter, welche die Spielregeln auf den eigenen Plattformen bestimmen – möglicherweise zum Schaden Dritter.

Hüterin der Konsumentenrechte

Mit den Verfahren zeichnet sich ein Titanenkampf ab: Auf der einen Seite befinden sich die Tech-Firmen, die ihre lukrativen Geschäftsmodelle verteidigen. Sie profitieren von Netzwerkeffekten und letztlich auch davon, dass ihre Angebote bei vielen Konsumenten auf Anklang gestossen sind. Auf der anderen Seite steht die Kommission, die sich als Hüterin des grössten Konsumentenmarktes der Welt versteht. Es gehört zu den festen Prinzipien der Kommission, dass die Käuferschaft vom Binnenmarkt umfassend profitieren soll.

Was aber stört die Kommission konkret? Alphabet besitzt nicht nur die bekannteste Suchmaschine (Google), sondern betreibt auch eigene Dienste, über die Konsumenten Flüge, Hotelzimmer oder Alltagsgegenstände wie Schuhe suchen können. Gleichzeitig gibt es aber spezialisierte Firmen, die genau das als Kerngeschäft anbieten und auf Google angewiesen sind, um überhaupt gefunden zu werden.

Die Kommission vermutet, dass Google die eigenen Dienste bei den Suchergebnissen bevorzugt behandelt. Sie hat dazu auch Klagen von unabhängigen Vergleichsportalen erhalten. Kaum war die «Gatekeeper»-Bestimmung nämlich am 7. März in Kraft, schrieben ihr über zwei Dutzend Chefs von solchen Firmen, dass sie von Google benachteiligt würden. Das Fehlverhalten daure nun schon seit Jahren und halte die Konsumenten davon ab, die günstigsten Angebote zu finden, betonen sie.

Die Aktion der Vergleichsportale war nicht nur gut getimt, sondern auch geschickt organisiert: An ihr haben sich Firmen aus fast allen Mitgliedsländern der EU beteiligt, offenbar um möglichst viel Druck auf die Kommission auszuüben.

Umstrittene Verknüpfung von Daten

Bei Meta stört die Kommission etwas anderes: Gemäss dem DMA dürfen Gatekeeper Personendaten über ihre verschiedenen Plattformen hinweg nur verknüpfen, wenn die Konsumenten dazu eindeutig die Zustimmung erteilen. Die Kommission bezweifelt, dass Metas Vorgehen, wonach man bezahlen muss, wenn man keine personifizierte und auf Datentausch beruhende Werbung will, mit dem DMA in Einklang steht.

Amazon ist ins Visier der EU geraten, weil das Unternehmen eigene Marken im Amazon Store angeblich bevorzugt. Vielfältig sind die Verdächtigungen schliesslich im Fall von Apple: Die Firma behindere etwa App-Entwickler, mit anderen Unternehmen als Apple Geschäftsbeziehungen einzugehen. Auch behandelten die Amerikaner den hauseigenen Browser Safari gegenüber anderen bevorzugt.

Hohe Bussen

Die Kommission will die Untersuchungen innerhalb von 12 Monaten abschliessen. Dann wird sie den Firmen mitteilen, was diese allenfalls unternehmen müssen, um das DMA einzuhalten. Verstossen die Unternehmen gegen diese Massnahmen, müssen sie sich laut der Kommission auf hohe Bussen gefasst machen: Maximal können diese 10 Prozent des globalen Umsatzes betragen.

Die EU hat sich in einem ersten Schritt Apple, Meta, Amazon und Alphabet vorgeknöpft. Als Gatekeeper gelten jedoch auch Microsoft und Bytedance, die Firma hinter Tiktok. In die Kategorie fallen Firmen, die in der EU sowie in Norwegen, Island und Liechtenstein 7,5 Milliarden Euro Umsatz erzielen oder eine Marktkapitalisierung von mehr als 75 Milliarden Euro aufweisen.

Vor einer Woche hatten bereits das amerikanische Justizministerium und 17 Gliedstaaten Apple angeklagt. Sie verdächtigen das Unternehmen, dass es den Wettbewerb einschränke und die Konsumenten daher zu viel bezahlten.

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