Der Werbemarkt blickt dank den Wahlen in den USA und Sportevents auf ein Rekordjahr zurück. Dennoch leiden Werbeagenturen unter der starken Konkurrenz durch Tech-Firmen und Kostenproblemen. Steht eine Marktbereinigung bevor?
Sportliche Grossereignisse wie die Olympischen Spiele oder internationale Fussballturniere sind für die Werbebranche ein Segen. Sie versprechen hohe Umsätze, weil Unternehmen in solchen Jahren besonders viel für Marketingmassnahmen ausgeben.
Erstmals mehr als eine Billion Dollar für Werbung
Im Jahr 2024 gab es mit den Olympischen Spielen in Paris und der Fussball-EM in Deutschland gleich zwei internationale Grossveranstaltungen im Sport. Doch damit nicht genug: Auch die Wahlen in den USA liessen die Werbeausgaben in die Höhe schnellen.
Laut Schätzungen floss weltweit noch nie so viel Geld in Werbung wie 2024. Insgesamt dürften die Ausgaben erstmals eine Billion Dollar überstiegen haben. Gegenüber dem Vorjahr sei mit einer Steigerung von 10 Prozent zu rechnen, hiess es bei Group M, einer Tochterfirma des britischen Werbekonzerns WPP.
Die grossen Gewinner sind Google, Meta und Amazon
Doch trotz diesen Rekordzahlen herrscht in weiten Teilen der Branche keine ausgelassene Stimmung. In vielen Agenturen, die traditionell vor allem Budgets für Kampagnen im Fernsehen und in Printprodukten betreuten, geht vielmehr die Angst um, dass die führenden Technologiekonzerne Google, Meta und Amazon ihnen noch mehr Geschäfte wegnehmen könnten. Schon heute entfalle mehr als die Hälfte der Werbeausgaben auf dieses Trio sowie die beiden chinesischen Tech-Firmen Bytedance (Tiktok) und Alibaba, so die Schätzung bei Group M.
Eine weitere Sorge, welche die Branche umtreibt, ist, dass die Technologiekonzerne sie auch bei der Kreation von Werbung zunehmend konkurrenzieren werden. Mithilfe von künstlicher Intelligenz wie Chat-GPT lassen sich nicht nur im Nu Werbesprüche kreieren. Auch Bilder und Videos können von jedermann künstlich erzeugt werden. Werbeschaffende fragen sich, wie viele kreative Köpfe es künftig noch braucht.
Omnicom und Interpublic suchen Zusammenschluss
Noch beschäftigt die Werbebranche weltweit mehrere hunderttausend Personen. Doch ihre Zahl könnte rasch schrumpfen. Darauf deutet der jüngste Plan des Branchenschwergewichts Omnicom hin, der seinen Konkurrenten Interpublic übernehmen will.
Die meisten Marktbeobachter sind sich einig, dass die beiden amerikanischen Konzerne, die zusammen allein über 100 000 Mitarbeitende zählen, diese Elefantenhochzeit nicht aus einer Position der Stärke anstreben. Es sei vielmehr ein defensiver Akt.
Wie die meisten traditionellen Werbeagenturen bekunden beide Unternehmen seit Jahren Mühe, sich dynamisch zu entwickeln. Laut Schätzungen beschränkte sich das branchenweite jährliche Wachstum seit 2018 auf knapp 3 Prozent, wenn man die starken Schwankungen in den ersten beiden Jahren der Corona-Pandemie herausrechnet.
«Unerreichte Fähigkeiten»
Auch im zurückliegenden Rekordjahr dürfte weder Omnicom noch Interpublic brilliert haben. So gehen Branchenbeobachter bei Omnicom zwar von einem Umsatzzuwachs von 7 Prozent aus. Damit wäre der Konzern aber unter dem erwarteten Marktwachstum von fast 10 Prozent geblieben. Im Fall von Interpublic rechnen Finanzanalytiker im Durchschnitt gar mit einer leichten Umsatzabnahme.
Bei der Ankündigung der Fusion am 9. Dezember 2024 bemühten sich die Geschäftsleitungen beider Unternehmen in typischer Werbermanier, ihr Vorhaben in den höchsten Tönen anzupreisen. So hiess es, der Zusammenschluss erfolge «zu einem perfekten Zeitpunkt», und die zwei Firmen vereinigten «unerreichte Fähigkeiten». Niemand sonst in der Branche offeriere derart breite und innovative Dienstleistungen sowie Produkte.
Über die Details des Zusammenschlusses, dem nicht nur die Aktionäre beider Konzerne, sondern auch die Kartellbehörden noch zustimmen müssen, wurde erst wenig bekannt. Allerdings nannten die beiden Partner bereits einen präzisen Betrag für die angestrebten Kostensynergien. Die Summe von 750 Millionen Dollar lässt einen umfangreichen Stellenabbau erwarten.
Verlagerungen und Automatisierungen
Laut den beiden Unternehmen soll die Organisation «optimiert» werden. Ausserdem ist die Rede von Verlagerungen an Standorte in kostengünstigeren Ländern (Near- und Offshoring) und von Automatisierungen, womit wohl auch der vermehrte Einsatz von künstlicher Intelligenz gemeint ist.
Die meisten Arbeitsplätze dürften in den USA wegfallen, wo Omnicom und Interpublic zusammengerechnet knapp 60 Prozent ihres Umsatzes erwirtschaften und Firmen wie Apple, Disney und den Spielzeughersteller Mattel zu ihren Kunden zählen. Doch auch Standorte in Europa, auf die ein Viertel der Verkäufe entfallen, werden wohl verkleinert werden. Mit der Mediaagentur OMD ist Omnicom auch in Zürich vertreten, Interpublic betreibt in Genf eine Filiale seiner Werbeagentur Weber Shandwick.
Auffallend schwach sind die beiden Konzerne in Asien aufgestellt. Der Umsatzbeitrag dieser Region liegt bei lediglich 10 Prozent.
Angesichts eines Pro-forma-Umsatzes von über 25 Milliarden Dollar bietet sich Omnicom und Interpublic die Chance, nicht nur Publicis aus Frankreich und Dentsu aus Japan, sondern auch den bisherigen Marktführer WPP deutlich zu überholen. Offen ist, ob Konkurrenten nun ihrerseits versuchen werden, sich durch Übernahmen den strukturellen Problemen der Werbebranche entgegenzustellen.
Wie die Wirtschaftszeitschrift «The Economist» festhielt, verschiebt sich das Gravitationszentrum der Werber stärker weg von Europa in Richtung New York. Zurzeit haben mit WPP und Publicis noch zwei der drei weltgrössten Werbekonzerne den Sitz in Europa. Mit Blick auf die starken Werteinbussen, die der angekündigte Zusammenschluss in den Aktienkursen von Omnicom und Interpublic hinterlassen hat, dürften sich Mitbewerber aber genau überlegen, ob sie dem Beispiel der beiden amerikanischen Konzerne folgen sollten.