Dienstag, Oktober 8

Es geht um 25 000 Franken. Und den Ruf der Partei.

Auf dem Land ist die SVP eine Macht, und in den Städten ist sie manchmal der Verzweiflung nahe. «Die Städte sind Moloche», erklärte die Partei in einem Positionspapier im Jahr 2021. Es war auch eine Selbstbeschreibung: In vielen städtischen Sektionen kämpfen die wenigen Vertreter der SVP um wenige Wählerprozente – und vielleicht auch deshalb immer wieder mit sich selbst.

Am Dienstagabend beschuldigte Yves Holenweger, ein Alt-Stadtparlamentarier der SVP Luzern, per Mail an die Medien seinen eigenen Präsidenten: «Griff in die Parteikasse! Parteipräsident der SVP der Stadt Luzern überweist sich CHF 25 000.– vom Parteikonto auf sein eigenes Konto!» Es geht um einen Fall aus dem Wahljahr 2023. Der angesprochene Dieter Haller – Slogan «gradlinig, bürgerlich», Präsident seit 2018 – habe das Geld erst Tage später und «auf weiteren Druck hin» zurückbezahlt. Holenweger stört sich daran, dass die Sache bisher parteiintern nicht «lückenlos» aufgearbeitet worden sei: «Eine Partei, die sich auf Law and Order beruft, kann solche Zustände nicht dulden.» Das sei «schwach, oberschwach», sagt er.

Erst am Freitagmittag war die SVP der Stadt Luzern so weit, ihren eigenen Präsidenten zu verteidigen: «Dieter Haller fühlt sich in seiner Ehre verletzt.» Der Präsident führe die Partei «hervorragend», die 25 000-Franken-Buchung sei ein «Versehen» gewesen, das er «schnellstmöglich wieder korrigiert und transparent kommuniziert» habe. Haller selbst will sich derzeit nicht weiter äussern.

In ihrer Mitteilung gibt die SVP zudem bekannt, sie schliesse Yves Holenweger «mit sofortiger Wirkung» aus der Partei aus – «infolge Parteischädigung und Datenschutzverletzung». Man prüfe eine Anzeige.

Yves Holenweger erfährt am Telefon vom Parteiausschluss. Er zeigt sich nicht überrascht und hält es für «bezeichnend». Er werde nun eine «sachliche Analyse» der Geschehnisse vornehmen.

Nichts klar, alles umstritten

Martin Wicki, der Präsident der kantonalen SVP, schreibt auf der Partei-Website über sich selbst: «Ich packe auch heisse Eisen an.» Jetzt sagt er, er sehe «keinen Grund zur Panik»: Differenzen gebe es in jeder Familie, in jedem Geschäft. Es brauche keinen Aktionsplan, einige Gespräche würden reichen. Aus kantonaler Sicht sei aber wichtig, «dass sich die Partei primär mit Sachthemen und nicht mit sich selbst beschäftigt».

Es geht um den Ruf einer Partei, die auf dem Land so schnell gewachsen ist, dass sie, wie Roger Köppel einmal schrieb, auch «Mitläufer, Profiteure, Politakrobaten» angezogen hat. Und die in der Stadt auf verlorenem Posten kämpft – was zum Teil fragwürdige Figuren zur Geltung kommen lässt. Die Sektion von Basel-Stadt war jahrelang durch Intrigen geprägt. Und auch die SVP der Stadt Luzern ist schon länger eine Partei, in der es im Zweifel mindestens zwei Wahrheiten zu geben scheint: Nichts ist klar, alles umstritten.

Genau umgekehrt

In diesem April kandidierte der Gewerbler Peter With gleichzeitig für das Stadtparlament und für den Stadtrat von Luzern. Als er am Wahlsonntag ahnungslos beim Nachtessen gewesen sei, habe er erfahren, dass die SVP auf einen zweiten Wahlgang mit ihm als Stadtratskandidaten verzichte. So berichtete er in seinem Blog. Dieter Haller, der SVP-Präsident, sagte hingegen in der «Luzerner Zeitung», alles sei ganz anders gewesen.

Auch vier Jahre davor, bei den Wahlen 2020, hatte sich Dieter Haller mit seinem Stadtratskandidaten überworfen. Die SVP nominierte mit Silvio Bonzanigo einen ehemaligen CVPler, der in seiner neuen Partei umstritten war. Dann demontierte sich die SVP öffentlich selbst. An einer Versammlung bezeichnete eine Stadtparlamentarierin die Nomination als «Fehlentscheid»: «Die SVP hat ohnehin schon ein angeschlagenes Image, und nun werden wir noch mehr belächelt.» Irgendwann soll der Präsident Haller gesagt haben: «Jetzt reicht’s, es ist Matthäus am Letzten!» – So berichtete der Reporter der «Luzerner Zeitung» aus dem Restaurant Schützenhaus. Als der Kandidat Bonzanigo nach dem Wahlsonntag für eine andere Liste in den zweiten Wahlgang gehen wollte, schloss die SVP ihn aus der Partei aus – per Mail. Der Präsident Haller: «Es gibt nichts mehr zu diskutieren.»

Schon in den 2010er Jahren gab es in der SVP der Stadt Luzern einen prominenten Ausschluss: Die Partei entledigte sich ihres früheren Präsidenten und Stadtratskandidaten René Kuhn. Der selbsterklärte «Antifeminist» hatte geschrieben, er müsse in der Schweiz «tagtäglich diese linken, ungepflegten, verfilzten Weiber ansehen». Damit sei er «immer mehr zu einer Hypothek» geworden, stellte nach unzähligen Medienberichten auch die SVP fest.

«Auch coole Sachen»

Als sich die SVP Schweiz im Jahr 2021 mit ihrem Papier gegen die Städte positionierte, gründete die Stadtluzerner SVP mit anderen Sektionen einen Verein namens K7, um das eigene Image «in urbanen Gebieten» zu verbessern. Neben Podiumsgesprächen war auch ein Skitag geplant. Um Politik sollte es dabei ausnahmsweise nicht gehen.

«Der Snow Day soll zeigen: Wir machen auch coole Sachen», sagte Dieter Haller, Präsident von K7 und Präsident der SVP Stadt Luzern. Die Begründung von damals klingt wie ein Kommentar zu den Turbulenzen von heute.

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