Montag, Oktober 7

200 Raketen, Drohnen und Marschflugkörper haben die Russen am Montagmorgen auf das Nachbarland abgefeuert. Das bereits stark belastete Energiesystem der Ukrainer gerät noch mehr unter Druck.

Mitten im Morgenverkehr hat Russland am Montag ukrainische Städte mit Drohnen, Marschflugkörpern und Raketen angegriffen. Laut vorläufigen Angaben aus Kiew richteten die Attacken Schäden in 15 der 24 Regionen des Landes an. 5 Menschen seien dabei ums Leben gekommen, 21 verletzt worden. Präsident Selenski sprach von gesamthaft ungefähr 200 Flugobjekten. Ein ukrainischer Experte nannte den Angriff einen der drei grössten seit Kriegsbeginn.

Besonders hart trafen die Russen die Hauptstadt. Bewohner meldeten Ausfälle bei Wasser und Strom. Auf Videos ist zu sehen, dass der Dnipro-Damm direkt oberhalb von Kiew in Flammen stand. Er wurde mutmasslich von einem Marschflugkörper oder einer Drohne getroffen. Damit hätte Moskau zum dritten Mal nach Kachowka und Saporischja die Staustufen am wichtigsten ukrainischen Fluss angegriffen. Ein Dammbruch hätte katastrophale Konsequenzen für Millionen von Einwohnern. Laut einem Manager des staatlichen Betreibers gibt es aber keine kritischen Schäden.

Notabschaltungen und Probleme im Herbst

Laut den Meldungen aus verschiedenen Teilen der Ukraine galten die Angriffe grösstenteils der Energieproduktion. Der nationale Stromversorger Ukrenerho musste Notabschaltungen durchführen, um das Netz zu stabilisieren. Auch die Eisenbahn war von Ausfällen betroffen, nachdem Russland in der nördlichen Oblast Sumi eine grosse Attacke durchgeführt hatte.

Während diese möglicherweise als Versuch zu sehen ist, den ukrainischen Vormarsch in der benachbarten russischen Region Kursk zu verlangsamen, richtet sich der Beschuss der zivilen Energieinfrastruktur direkt gegen die gesamte Bevölkerung. Durch verschiedene Kampagnen versucht Moskau seit dem Winter 2022, die Ukrainer zu zermürben. Zunächst nahmen sie die Übertragungsnetze ins Visier, im Frühling und Sommer dieses Jahres waren es die Kraftwerke.

Bereits vor der Angriffswelle am Montag war es deshalb wiederholt zu Stromausfällen gekommen. Diese überbrückte die Ukraine durch teure Importe aus der EU, und sie konnte nicht verhindern, dass das Netz zu Spitzenzeiten überlastet war. So gab es während einer Hitzewelle im Juli immer wieder Netzabschaltungen. Im Hinblick auf die Heizsaison im Herbst und Winter dürften sich diese wiederholen. Ukrenerho kündigte am Montag bereits an, die Lage könnte sich verschärfen.

Präsident Wolodimir Selenski forderte nach dem Angriff erneut mehr Hilfe aus dem Westen. «Putin ist eine kranke Kreatur, aber er kann nur das erreichen, was die Welt zulässt», sagte er. «Schwäche und Unentschlossenheit spornen ihn zu Terrorismus an.» Aussenminister Dmitro Kuleba präzisierte, die Partnerstaaten sollten der Ukraine erlauben, westliche Waffensysteme gegen Flugplätze im Inneren Russlands einzusetzen und Raketen bereits im grenznahen Luftraum abzuschiessen. Bisher ist dies nur sehr beschränkt möglich, da die USA und die Europäer eine Eskalation fürchten.

Teilweise machtlose ukrainische Luftverteidigung

Offiziell gab es Montag erst lückenhafte Angaben über die eingesetzten Waffen. Unter anderem der deutsche Analyst Nico Lange teilte aber eine Karte, auf der verschiedene Typen sichtbar waren: Darunter befanden sich Lenkwaffen des Typs Ch-59, gegen welche die ukrainische Luftverteidigung oft machtlos ist.

Wie der Oberkommandierende, General Olexander Sirski, jüngst erklärte, konnten in den letzten zweieinhalb Jahren nur 22 Prozent solcher Marschflugkörper abgeschossen werden. Bei anderen Marschflugkörper-Typen wie Kalibr oder Ch-101 lag die Rate bei zwei Dritteln. Laut Angaben aus Kiew wurden über der Hauptstadt 15 Raketen und 15 Drohnen abgefangen. Da auch die Russen viel Wissen über die Stärken und Schwächen der ukrainischen Luftverteidigung gesammelt haben, richten sie ihre eingesetzten Systeme danach aus.

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