Sonntag, Oktober 6

Frauen mit Kinderwunsch, aber ohne funktionsfähige Gebärmutter haben seit zehn Jahren die Option einer Uterustransplantation. Inzwischen kamen so rund 70 Kinder auf die Welt. In der Schweiz liegen entsprechende Pläne aber auf Eis – wegen ethischer Bedenken.

Es war chirurgisches Neuland, auf das sich Mats Brännström erst nach Jahren des Übens an verschiedenen Tierarten vorgewagt hatte: 2014 meldete das Team um den schwedischen Chirurgen vom Universitätsspital Gothenburg die erste Geburt eines Babys, das nach der Transplantation einer menschlichen Gebärmutter (Uterus) in dem Spenderorgan ausgetragen worden war.

Seit der Premiere in Schweden vor zehn Jahren haben Ärztinnen und Ärzte in aller Welt das kleine medizinische Wunder viele Male wiederholt. Schätzungen gehen von mindestens 100 Operationen und 70 erfolgreichen Geburten weltweit aus. Aus einem hochgradig experimentellen Eingriff wird allmählich fast so etwas wie klinischer Alltag.

Besonders viele dieser aufwendigen Operationen kann das Klinikum der Baylor University in Dallas vorweisen. Im Fachblatt «Jama»präsentieren die Texaner nun ihre Erfahrungen mit den ersten zwanzig Gebärmuttertransplantationen, die dort zwischen 2016 und 2019 stattfanden.

70 Prozent der Transplantationen führten zur Geburt eines Kindes

Die sind recht positiv: 14 dieser 20 Operationen verliefen erfolgreich und führten zur Geburt von einem oder auch zwei gesunden Kindern. In den übrigen sechs Fällen zeigten sich schon bald nach der Operation Komplikationen, die eine Entfernung des neuen Organs notwendig machten. Meist versagte dabei die Verbindung zwischen dem Spender-Uterus und der Blutversorgung der Empfängerin (siehe Grafik).

Wie läuft eine solche Gebärmuttertransplantation praktisch ab? Die Spenderinnen sind häufig direkte Verwandte wie Schwester oder Mutter, die bereits Kinder haben. Aber auch Freunde oder gänzlich fremde Menschen mit ausgeprägtem Altruismus kommen für eine Lebendspende infrage. Auch die Organe von Verstorbenen wurden bereits erfolgreich verpflanzt.

«Die Entnahme für eine Transplantation dauert acht bis zehn Stunden. Denn dabei müssen wir die Blutgefässe, die die Gebärmutter versorgen, sehr genau freipräparieren, um sie später an die grossen Beckenarterien und Beckenvenen anschliessen zu können», erklärt die Gynäkologin Sara Brucker. Sie leitet am Universitätsklinikum Tübingen das einzige Gebärmuttertransplantations-Programm Deutschlands, in dem seit 2019 fünf Kinder zur Welt kamen.

Geboren ohne Gebärmutter und Scheide

Für Brucker war das 2016 gestartete Programm eine naheliegende Fortsetzung ihrer bisherigen Arbeit: Seit zwanzig Jahren versorgt sie Mädchen und Frauen mit einer seltenen vorgeburtlichen Entwicklungsstörung mit langem Namen, dem Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom (MRKHS). Es kommt bei rund einem von 4500 Mädchen vor. Die Betroffenen bilden weder eine Gebärmutter noch Eileiter aus. Auch eine Scheide ist nicht oder nur als kleine Mulde vorhanden. Die Eierstöcke dagegen sind intakt, äusserlich entwickeln sich die Mädchen völlig normal.

«Oft fällt das überhaupt erst in der Pubertät auf, wenn die Mädchen keine Regelblutung bekommen. Dann ist der Schock gross», sagt Brucker. Doch sie kann den verunsicherten Mädchen durchaus helfen: Eine durch Dehnung des vorhandenen Gewebes erzeugte «Neovagina» erleichtert Sex und Partnerschaft. Diese künstliche Scheide ist auch Voraussetzung für eine spätere Transplantation einer Gebärmutter. Gelingt diese, so kommt es nach einiger Zeit zu Regelblutungen, die einen natürlich Abfluss benötigen.

In Tübingen haben bisher nur Frauen mit MRKHS eine fremde Gebärmutter empfangen, auch international stellen sie den weitaus grössten Teil. Als Empfängerin kommen aber auch Frauen infrage, denen beispielsweise im Rahmen einer Krebsbehandlung die Gebärmutter entfernt wurde.

Nach der Transplantation kommt das Standardprogramm der Reproduktionsmedizin

Die Transplantation ist nur der erste Schritt auf dem langen Weg zum eigenen Kind. Nach der Operation muss die Empfängerin Medikamente aus der Klasse der Immunsuppressiva einnehmen, um die Abstossungsreaktionen des Immunsystems zu unterdrücken. Nachdem sich das neue Organ stabilisiert hat, können die Ärzte eine im Labor befruchtete Eizelle in die Gebärmutter einsetzen. Diese In-vitro-Fertilisation (IVF) geschieht lange vorher, die so befruchteten Eizellen werden in der Zwischenzeit tiefgefroren. «Wenn es Probleme mit der Qualität der Eizellen oder Funktion der Eierstöcke der Patientin gibt, möchte man das nicht erst im letzten Augenblick vor der OP feststellen müssen», erklärt Brucker.

Geht alles nach Plan, so wächst das Kind in der fremden Gebärmutter ganz normal heran und wird rund vier Wochen vor dem errechneten Geburtstermin per Kaiserschnitt auf die Welt geholt. Auch eine zweite Schwangerschaft ist möglich. «Unsere Erfahrungen und auch ein internationales Register mit rund 20 000 Frauen, die während der Schwangerschaft Immunsuppressiva einnahmen, zeigen, dass dies nicht mit Risiken für das Kind verbunden ist», sagt Brucker.

Schliesslich entfernen die Ärzte das nun nicht mehr benötigte Spenderorgan wieder, damit die Mutter nicht ein Leben lang Immunsuppressiva einnehmen muss.

Das alles klingt einfacher, als es ist. Tatsächlich gilt es gerade in Sachen Operationstechnik noch viele Details zu optimieren. Wie steil die Lernkurve hier noch ist, zeigt die aktuelle «Jama»-Publikation: Von den ersten zehn Versuchen in Dallas misslangen noch fünf, bei den Versuchen elf bis zwanzig gab es dann nur noch einen Fehlschlag.

Ethische Rechtfertigung für das Risiko ist umstritten

Die Autoren des «Jama»-Artikels sind begeistert über ihre hohe Erfolgsquote und sehen die Gebärmuttertransplantation damit als etabliert an. Doch obwohl sich der Eingriff dank wachsender Datenbasis immer mehr als erfolgversprechend und relativ risikoarm herauskristallisiert, bleiben viele Beobachter skeptisch.

«Die Erfolge sind da, keine Frage. Aber ich bleibe bei meiner kritischen Haltung gegenüber der Uterustransplantation», sagt beispielsweise die Kieler Medizinethikerin Claudia Bozzaro. «Hier werden bei einer Lebendspende drei Personen – Spenderin, Empfängerin und Kind – mit gesundheitlichen Risiken konfrontiert, die rein medizinisch nicht gerechtfertigt sind.» Frauen ohne Gebärmutter könnten durchaus ein normales und gutes Leben führen. Und ein unerfüllter Kinderwunsch lasse sich auch anders erfüllen, etwa durch eine Adoption.

In der Schweiz sorgten Bedenken wie diese dafür, dass ein 2016 angekündigtes Transplantationsprogramm am Universitätsspital Zürich (USZ) nie zustande kam. «Die Auflagen der Ethikkommissionen waren praktisch unerfüllbar», sagt der seinerzeit am USZ mitverantwortliche Reprdoduktionsmediziner Bruno Imthurn.

Sara Brucker kennt die Argumente gegen die Transplantation. Natürlich würden Risiken und mögliche Alternativen mit allen Beteiligten ausführlich diskutiert. «Doch für mich ist die Indikation für diesen Eingriff das Leid der Patientin», so Brucker. Als Ärztin stehe es ihr nicht zu, die Schwere dieses Leids zu bewerten und über die Behandlungsbedürftigkeit zu entscheiden. «Das bestimmt unser ärztliches Handeln: Wenn meine Patientin leidet, helfe ich ihr.»

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