Donnerstag, Oktober 3

RTS baut 55 Stellen ab, in den welschen Tamedia-Redaktionen könnte es jeden dritten Journalisten treffen. An einer Kundgebung in Lausanne hält eine liberale Regierungsrätin eine Rede wie eine Gewerkschafterin.

Es war ein Vormittag, der viel aussagte über die Zukunft der welschen Medien. Während Tamedia-Journalisten in Lausanne und Genf am Donnerstag eine Stunde lang die Arbeit niederlegten, um gegen den geplanten Stellenabbau in ihren Redaktionen zu protestieren, kündigte RTS die Streichung von 55 Stellen an. Das Westschweizer Radio und Fernsehen will so nächstes Jahr zehn Millionen Franken einsparen.

Das ist erst der Anfang. Denn die Einnahmen schrumpfen absehbar, bei gleichzeitiger Inflation: Die Serafe-Gebühren werden ab 2027 bis 2029 von 335 auf 300 Franken pro Jahr und Haushalt gesenkt, wie der Bundesrat im Juni beschloss. Zudem verwies RTS auf sinkende «kommerzielle Einnahmen», also etwa durch Werbung.

Deshalb wird RTS 2026 nach eigenen Angaben erneut mindestens zehn Millionen Franken einsparen müssen. In den drei folgenden Jahren bis 2029 wird es noch mehr Geld sein.

Insgesamt müsse die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft nächstes Jahr landesweit 50 Millionen Franken einsparen, teilte RTS weiter mit. Wie die somit verbleibenden 40 Millionen Franken in der restlichen Schweiz eingespart werden sollen, ist noch nicht bekannt. SRF hatte unabhängig davon bereits im Sommer den kurzfristigen Abbau von 70 Stellen bis Ende dieses Jahres bekanntgegeben.

Knapp 30 Mitarbeiter sollen entlassen werden

RTS will die erwähnten 55 Stellen möglichst über «natürliche Fluktuation» ausbauen. Am Ende dürfte es laut der Mitteilung weniger als 30 Entlassungen geben, bei einem Personalbestand von insgesamt 1800 Mitarbeitern. Der Abbau soll vor allem die Nachrichtensendungen, den Sport, Magazine und das sommerliche Radioprogramm betreffen.

Damit würde RTS nicht die Grenze von 30 Entlassungen erreichen, ab der ein Sozialplan gesetzlich vorgeschrieben ist. Trotzdem habe die RTS-Direktion der Gewerkschaft SSM ein freiwilliges Konsultationsverfahren vorgeschlagen. SSM würde nach eigenen Angaben ein solches Verfahren organisieren, aber darüber werde eine Personalversammlung kommenden Dienstag entscheiden, teilte die Westschweizer Sektion der Gewerkschaft mit.

SSM Romandie zeigte sich «sehr besorgt» wegen der absehbar sinkenden Qualität der Programme und um die Gesundheit des Personals. «Mit diesem Sparplan beginnen wir eine fünfjährige Phase des Budgetdrucks und der erneuten Angriffe gegen den Service public. Dieser Tunnel macht grosse Angst.» Das Arbeitsklima habe sich bereits verschlechtert.

Noch düsterer ist die Zukunft bei Tamedia Romandie. Am Donnerstagvormittag legten Journalisten der Zeitungen «24 heures» in Lausanne sowie der «Tribune de Genève» für eine Stunde die Arbeit nieder. Damit protestierten sie gegen die Schliessung der Druckerei in Bussigny bei Lausanne und den geplanten Stellenabbau in den Redaktionen. Dieser soll laut Tamedia schweizweit 90 Stellen betreffen.

Die Westschweiz wird laut Personalvertretern diese Last weit überproportional tragen, nämlich zur Hälfte, mit geschätzt 45 Stellen. Das wäre aufgrund von Teilzeitpensen bis zu ein Drittel der insgesamt rund 170 Journalisten, sagte Erwan Le Bec, der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung von «24 heures».

«Tamedia tötet Ihre Medien»

Während der einstündigen Kundgebung versammelten sich ein paar Dutzend Journalisten vor dem Redaktionsturm unweit des Lausanner Hauptbahnhofs. Sie präsentierten Plakate mit Schlagzeilen wie «Tamedia tötet Ihre Medien» und «Die welsche Berichterstattung wird ausgeblutet».

Ähnlich drastisch drückte sich eine liberale Regierungsrätin aus, so dass ein Personalvertreter meinte, eine Gewerkschafterin reden zu hören. Die Waadtländerin Isabelle Moret sagte vor den protestierenden Journalisten: «Es ist ein Umbruch, wie wir ihn noch nie erlebt haben. Wir erleben potenziell die Zerstörung unserer welschen Medienlandschaft.» Tamedia stelle 80 Prozent der Westschweizer Presse, sagte die frühere Nationalratspräsidentin, die auch auf die Einsparungen bei RTS verwies.

Laut Moret traf eine Delegation der Waadtländer Regierung kürzlich Tamedia-Entscheider, um ihre «grosse Besorgnis» auszudrücken. Moret, die unter anderem für Wirtschaft und Beschäftigung zuständig ist, appellierte dabei nach eigenen Angaben direkt an die Tamedia-CEO Jessica Peppel-Schulz, dass Tamedia bei seinen Entscheidungen die Wirtschaftskraft der Westschweiz und insbesondere der Genferseeregion berücksichtigen solle.

Einmal mehr kritisierten mehrere Redner scharf die zunehmende mediale Abhängigkeit der Westschweiz vom grössten Landesteil. Die Regierungsrätin Moret sagte, es sei «ausgeschlossen», dass die welsche Schweiz eine «reines Informatikzentrum für Computerübersetzungen vom Deutschen ins Französische» werde. Tamedia übersetzt bereits Artikel automatisiert und dürfte das künftig noch mehr tun.

Ein Redner kritisiert die «Allemannisierung»

Arnaud Bouverat, Vorsitzender der Waadtländer Sektion der Gewerkschaft Unia, sprach von einer «Allemannisierung, einer Zürcherisierung unserer Wirtschaft». Was heute bei Tamedia geschehe, nehme die Einsparungen bei der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft vorweg. Politische und wirtschaftliche Informationen für die Romandie würden vermehrt von Zürcher Journalisten analysiert. «Das ist nicht unsere Realität.»

Der Personalvertreter Dominique Botti, Journalist bei «24 heures», kritisierte ein Interview der Tamedia-CEO Peppel-Schulz am Mittwoch in den Abendnachrichten im Fernsehsender RTS 1. Die Deutsche hatte per Dolmetscherin gesagt, dass Tamedia seit fünf Jahren in der Romandie starke Verluste mache, jedes Jahr neun Millionen Franken, Tendenz steigend.

Botti wies das zurück. «Man redet selten positiv über uns, wenn es um Finanzielles geht.» Vielleicht seien Verluste der Preis dafür, dass Tamedia einst mit dem Kauf der welschen Zeitungen vom Konzern Edipresse Zugang zum gesamten Schweizer Werbemarkt erlangt habe. Auch das habe einen finanziellen Wert, der nie erwähnt werde, sagte Botti.

Mehrere Gewerkschaftsvertreter und auch die Regierungsrätin Moret kritisierten Tamedias Verhalten im Konsultationsverfahren zur Schliessung der Druckerei in Bussigny bei Lausanne, die für 2025 geplant ist. Eine Vertreterin von Syndicom behauptete, Tamedia halte sich nicht ans Gesetz, die gesetzten Fristen seien zu kurz.

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