Samstag, September 28

Der Rüstungskonzern baut vier der bestellten Kampfjets selbst zusammen, um sich unabhängig vom Ausland zu machen. Reicht das?

Der Automechaniker hofft, einmal einen Lamborghini warten zu dürfen. Der Aviatiker schwärmt derweil vom F-35. Nun, die Träume der Flugzeugspezialisten der Ruag dürften wahr werden: Das Rüstungsunternehmen soll am Standort Emmen vier der bestellten Kampfjets fertig zusammenbauen und testen. Das Bundesamt für Rüstung Armasuisse hat grünes Licht für diesen Schritt im Projekt «Rigi» erteilt, wie es am Dienstag bekanntgab. Wenn die vier Kampfjets fertig zusammengebaut sind, werden sie zur Endabnahme in die F-35-Produktionsstätte des Konzerns Leonardo im italienischen Cameri geflogen.

Das Ziel ist die Schulung der Mitarbeitenden der Ruag, wie der Kommunikationschef Silvan Gruber der NZZ erklärt. Im September 2022 hat die Schweiz 36 Kampfjets der fünften Generation beim amerikanischen Hersteller Lockheed Martin bestellt, 2027 sollen die ersten im Land eintreffen, wenn alles gut läuft. Sie ersetzen die heutige Flotte von F/A-18 Hornets und F-5 Tigers. Die Kosten betragen rund 6 Milliarden Franken.

Der Ruag-Standort Emmen ist zwar ein Kompetenzzentrum für Kampfjets vom Typ F/A-18 und übernimmt dort auch den Service für finnische Jets. Doch im Vergleich zum F-35 sind das alte Flugzeuge. Spezialisten von Lockheed Martin sollen den Mitarbeitenden der Ruag daher die technologischen Finessen des neuen Jets zeigen: «Das ermöglicht uns, die F-35 später selber zu warten», so Gruber. Es geht um die Autonomie der Schweizer Luftwaffe.

Ob bei der Teilendmontage auch gleich neue Turbinen eingebaut würden, sei derzeit noch ungewiss, sagt Gruber. Der F-35 gilt zwar als das beste Kampfflugzeug der Welt. Seine Sensoren sind präziser als die anderer Jets, aufgrund seiner Tarnkappenfähigkeit ist der Jet auf dem Radar nicht zu sehen. Doch die Triebwerke des F-35 gelten als pannenanfällig und müssen ausgetauscht werden.

Attraktiver Arbeitgeber

Gruber sieht das Projekt «Rigi» als Chance für die Standortattraktivität. «Weil der F-35 das spannendste Flugzeug ist, macht uns das für junge Talente attraktiv.» Das Hauptziel sei aber, die Kompetenzen zu erlangen, um den Auftrag für die Schweizer Armee erfüllen zu können. Die Investitionskosten werden zwischen Ruag und Lockheed Martin geteilt.

Erste Reaktionen aus der Politik fallen positiv aus. Der Sicherheitspolitiker Josef Dittli ist froh, dass es vorwärtsgeht: «Endlich macht der Bund Nägel mit Köpfen.» Der FDP-Ständerat begrüsst insbesondere die Ziele bei den Offsetgeschäften. Lockheed Martin hat sich verpflichtet, 60 Prozent des Vertragswerts durch Offsetgeschäfte mit Unternehmen in der Schweiz zu kompensieren, das entspricht rund 3 Milliarden US-Dollar. 20 Prozent davon müssen in Zusammenhang mit dem F-35 stehen. Das Projekt «Rigi» deckt nun 500 Millionen Franken ab.

So rechnet die Ruag mit einem Bedarf von hundert Mitarbeitenden. Sie hat sich verpflichtet, 40 Prozent des Personals aus der Romandie zu beziehen und bis 2034 Investitionen in der Höhe von 100 Millionen Franken zu tätigen. Gerade in der Romandie hat es sich bislang als Herausforderung herausgestellt, die versprochenen Offsetgeschäfte umzusetzen. Und nach dem Kauf der F/A-18 vor rund dreissig Jahren waren die tatsächlichen Kompensationen im Vergleich zu den angekündigten Zahlen klein. Ständerat Dittli ist nun aber zuversichtlich, dass die Kompensation bei den F-35 gelingt.

Auch Werner Salzmann sieht im Projekt «Rigi» einen «hohen sicherheitspolitischen Nutzen» für die Schweiz. «Es stärkt die Flugwaffe und die Ruag», sagt der SVP-Ständerat. Das Rüstungsunternehmen hat mit der neutralitätspolitischen Kontroverse rund um Waffenexporte und dem Abgang von CEO Brigitte Beck schwierige Zeiten hinter sich. In den letzten Monaten kehrte etwas Ruhe ein, der CEO-Posten ist wieder besetzt, es fehlt nun noch das Verwaltungsratspräsidium.

Die Frage der Atombomben

Doch die künftige Ausrichtung der Ruag ist noch nicht geklärt, vor allem die Frage, wie sehr das Unternehmen internationale Kooperationen eingehen soll. Diese Diskussion stellt sich auch beim Kampfjet. Mit der Ausbildung des Personals ergibt sich für die Rüstungsfirma allenfalls die Chance, ihre Rolle als internationales Kompetenzzentrum auch beim F-35 wieder wahrzunehmen. Der Standort Emmen könnte in Folge vielleicht auch die Wartung der Kampfjets anderer Länder übernehmen, beispielsweise für Deutschland. Unternehmerisch wäre das interessant. Aber auch für die Verteidigungsfähigkeit hat es Vorteile, wenn die Kompetenzen im Land genutzt und verfeinert werden.

Allerdings stellen sich auch neutralitätspolitische Fragen. So hat der F-35 die Zulassung, nukleare Sprengsätze zu transportieren. Für Deutschland ist das wichtig, die Bundeswehr hat den Jet vor allem für die sogenannte nukleare Teilhabe angeschafft. Im Ernstfall hebt ihre Luftwaffe mit in Deutschland gelagerten Atombomben der USA ab. Bisher diente der Tornado als Träger von Atombomben, doch er ist veraltet.

Die Schweiz muss sich daher mit der Frage auseinandersetzen, ob es legitim ist, wenn die Ruag Flugzeuge von Ländern wartet, die Teil des atomaren Schutzschirms der Nato sind. Aber auch für das Verteidigungsbündnis ist der Fall nicht eindeutig. So darf man bezweifeln, dass Nato-Länder es riskieren, ihre Jets in einem Land warten zu lassen, das im Konfliktfall aus Neutralitätsgründen allenfalls nicht mehr den vollen Service bieten kann.

Diese Fragen bedürfen wohl einer Antwort vom Bundesrat. Viola Amherd hat mehrmals gesagt, dass die Schweiz für die Verteidigungsfähigkeit auf internationale Zusammenarbeit angewiesen ist. Das gilt auch für die Rüstungspolitik, wie der Rüstungschef Urs Loher in der «NZZ am Sonntag» klargemacht hat. Die Schweiz müsse sich verstärkt mit europäischen Staaten absprechen und sollte bei deren Bestellungen mitmachen, sagte Loher. Und sie müsse sicherstellen, dass sie bei wichtigen Gütern zumindest eine Kernkomponente selber produziere, so dass die anderen Länder von ihr abhängig seien und sie in den Verhandlungen ein Pfand in der Hand habe.

Dieses Pfand gibt es beim F-35 noch nicht. Auch steht die Befürchtung im Raum, dass die USA als Herstellerland im letzten Moment die Lieferung verzögern könnten. Und auch im Parlament gibt es Unwägbarkeiten: Aktuell tendiert die Mehrheit im Parlament eher auf Abschottung als auf militärische Zusammenarbeit.

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