Mittwoch, Oktober 2

Alle acht bis zehn Jahre soll man die Matratze ersetzen. Das mache das Produkt zwar langlebig, aber längst noch nicht nachhaltig, findet der junge Schweizer Designer Joel Hügli. Mit seinem Startup Ecomade will er das ändern.

Das Werk von Designern gilt in vielen Fällen als prestigeträchtig. Zum Beispiel die Gestaltung eines Stuhls: Hier können Kreativschaffende sich ausleben, das Objekt als Projektionsfläche für kreative Visionen nutzen, die – je origineller sie sind – für grosses Aufsehen und Ansehen sorgen können. Dasselbe trifft auf viele Objekte aus dem Wohnbereich zu: Teppiche, Tische, Sofas. Gewiss aber nicht auf die Matratze. Sie wird versteckt vor öffentlichen Blicken, umhüllt in Bettwäsche.

«Das Produkt an sich ist einfach ein weisser Klotz», sagt der Schweizer Designer Joel Hügli, der sich im Rahmen seiner Masterarbeit der Neugestaltung der Matratze angenommen hat. Sein Vorhaben überraschte ihn zunächst selbst, denn auch er sagt: «Matratzen sind gewiss nicht das erste Wunschobjekt, das man sich als Designer aussucht.» Doch wichtiger als Prestige sei ihm gewesen, dass sein Produkt einen positiven ökologischen Impact habe: «Ich möchte mit meinem Schaffen nicht den reinen Konsum unterstützen», sagt er, «sondern Design dazu nutzen, Verbesserung anzutreiben.»

In der Branche scheint das auf Anklang zu stossen: Joel Hügli wurde für sein Projekt sowohl mit dem Designpreis Schweiz (2023) als auch mit dem Swiss Design Award (2024) ausgezeichnet. Ein weiterer Hinweis darauf, dass es im Design um weit mehr geht als um die reine Ästhetik eines Produktes. Im Fokus steht die Gestaltung der Zukunft.

Vom linearen zum zirkulären Produkt

Nach Abschluss des Studiums in Design an der Hochschule Luzern beschliesst der 31-jährige Designer, seine Masterarbeit zum Unternehmen zu erweitern: Ende September kommt seine Idee erstmals als Produkt auf den Schweizer Markt. Der Name seines Startups, Ecomade, steht für «ecological mattress design».

Ist die Matratze nicht grundsätzlich schon ein nachhaltiges Produkt? Immerhin schläft ein Mensch durchschnittlich etwa acht bis zehn Jahre auf derselben Matratze. Geht man von durchschnittlich sieben Stunden Schlaf pro Nacht aus, ergibt das eine Nutzungsdauer von um die 25 000 Stunden. «Matratzen sind zwar langlebig, aber es handelt sich dabei noch immer um ein lineares Produkt. Das ist das Problem», entgegnet Joel Hügli.

Bis zu einer Million Matratzen werden gemäss der Organisation Matratzen-Allianz in der Schweiz jährlich gekauft und entsorgt – diese Zahl setzt sich sowohl aus dem Privatgebrauch als auch aus Hotelleriebetten zusammen. Schätzungsweise entstehen daraus rund 30 000 Tonnen Abfall, wovon nach Angaben von Joel Hügli heute 0 Prozent rezykliert werden. Dies will er nun ändern.

Der Berner beginnt erst einmal damit, mehrere Matratzen zu zerschneiden. Was steckt überhaupt alles drin in diesen Produkten? «Die meisten Menschen wissen gar nicht, worauf sie schlafen, obwohl wir einen Drittel des Lebens auf der Matratze verbringen», sagt Hügli. Wie eine Matratze aussieht, ist von Land zu Land unterschiedlich, in der Schweiz ist sie fast immer dieser «weisse Klotz», gefertigt aus unterschiedlichsten Materialien. Der Mix erschwert das Recycling: «Die Materialien sind oft fest verklebt, was man aus der alten Matratze nehmen kann, ist kaum mehr nutzbar», erklärt Hügli. Statt von Recycling spricht man dann von Downcycling. Vieles landet im Abfall, und der vielfach verwendete Schaumstoff kann bestenfalls geschreddert und zu dünnen Matten gepresst werden, um als Unterlagsboden für die Trittschalldämmung zu dienen.

Mehr als 2400 Sprungfedern

Hügli erkennt zwei mögliche Verbesserungsansätze: Entweder die Matratze wird aus einem Monomaterial hergestellt, oder die verschiedenen Materialien müssen einfach zerlegbar sein. Er entscheidet sich für Letzteres.

Die Matratze von Ecomade besteht aus einer Hülle aus Biobaumwolle und Schweizer Schafschurwolle mit abnehmbarem Deckblatt sowie Taschenfederkern-Elementen mit unterschiedlichen Drahtstärkungen, um den Härtegrad lokal an Schultern oder Hüften anzupassen. Selbst eine 90-cm-Matratze verfügt bereits über mehr als 2400 Sprungfedern. Hat die Matratze einmal ausgedient, kann das Metall der Federn rezykliert und die Mikrofasertaschen geschreddert werden.

Was die Matratze als Stütze zusammenhält, ist am Ende dann doch auch Schaumstoff. Prototypen, die ohne auskamen, hielten den Qualitätsansprüchen nicht stand, weshalb Hügli als Kompromiss rezyklierten Schaumstoff wählte, sogenannten Verbundschaum, der aus geschredderten Industrieabfällen gepresst wird. All diese Informationen findet, wer den QR-Code an der Matratze scannt.

Joel Hügli versteht sein Produkt als Service, der sich ganz der Kreislaufwirtschaft verschreibt. Deshalb endet der Prozess auch nicht mit dem Verkauf der Matratze: «Es bringt nichts, nur das Produkt auf den Markt zu bringen – was es braucht, ist auch ein Service drum herum», sagt der Designer.

Hat die Matratze einmal ausgedient, wird sie von Ecomade abgeholt, rezykliert und nach Wunsch ersetzt: «Die Dienstleistung des Recyclings haben wir bewusst schon im Preis integriert, damit sie auch wirklich genutzt wird.» Andernfalls wäre die Hemmschwelle womöglich zu hoch, und das Produkt endete doch wieder als Ganzes in der Kehrichtverbrennung.

Erhältlich ist die Matratze von Ecomade ab 1190 Franken. Produziert wird am Zürich- und am Zugersee auf Bestellung. Die Lieferfrist beträgt 3 bis 6 Wochen.

Pop-up in Zürich

September bis März

Als Ergänzung zum Online-Shop eröffnet Ecomade von September 2024 bis März 2025 an der Zürcher Kernstrasse einen Pop-up-Store. Ausgestellt sind beide Matratzenmodelle in sämtlichen Härtegraden. Am 20. September 2024 – während der Zurich Design Weeks – feiert Ecomade zusammen mit der Schweizer Bettwäschemarke Lavie den Market-Launch.

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