Donnerstag, Oktober 3

Albane Valenzuela darf in den USA am Solheim-Cup antreten. Im Studium wurde sie von der früheren amerikanischen Aussenministerin Condoleezza Rice beraten. Ihr Bruder, der zeitweise ihr Caddie ist, hat den Autismus überwunden.

Alles begann in Evian, dem französischen Ort am Genfersee. Als Albane Valenzuela acht Jahre alt war, bekam sie von der Siegerin des dortigen Masters-Turniers einen pinkfarbenen Golfball geschenkt. Valenzuela bewunderte sie dafür, wie weit sie den Ball schlagen konnte – und träumte fortan selber von einer Karriere als Profigolferin.

Valenzuelas Eltern hatten sich auf demselben Golfplatz am Lac Léman kennengelernt; der Vater Mexikaner und einer der besten Amateurspieler der Welt, die Mutter Französin und eine begabte Hobbygolferin.

Albane Valenzuela wurde in New York geboren und lebte in Mexiko, ehe sie mit ihrer Familie nach Vésenaz bei Genf zog und bis zum Studium dort blieb. Sie beantragte mit 14 Jahren den Schweizer Pass. Für sie war immer klar, dass sie für das Land spielen will, in dem sie den grössten Teil ihres Lebens verbracht hat. Die Familie hat ihren Lebensmittelpunkt heute auf den Bahamas.

Nun ist Albane Valenzuela 26 Jahre alt und die beste Schweizer Golferin. Den Kindheitstraum vom Profitum lebt sie seit vier Jahren, ein anderer erfüllt sich am kommenden Wochenende: Valenzuela darf am Solheim-Cup antreten. Dieser steht als Pendant zum Ryder-Cup der Männer für die prestigeträchtigste Team-Trophäe im Frauengolf. Die besten zwölf Profis der USA messen sich alle zwei Jahre mit den besten zwölf aus Europa. Noch nie hat es eine Schweizerin oder ein Schweizer in eine solche Auswahl geschafft. Bis Albane Valenzuela kam.

«Nach der Nominierung habe ich drei Nächte nicht geschlafen», sagt Valenzuela in einem Video-Call ein paar Tage vor dem Solheim-Cup, der von Freitag bis Sonntag in Gainesville im amerikanischen Gliedstaat Virginia stattfindet. «Frühere Spielerinnen sagten mir, man sei nie bereit für den Druck dort. Einige waren kurz davor, sich zu übergeben.»

Der Lärm und der Trubel sind an diesem Wettkampf unvergleichlich. Zur letzten Austragung in den USA kamen 130 000 Zuschauer. Doch wie kam es dazu, dass das Mädchen von damals mit dem pinkfarbenen Golfball unterdessen zu den besten Golferinnen Europas zählt?

Anfangs fühlte sie sich etwas überwältigt von der Atmosphäre in diesen Kreisen

Albane Valenzuelas Familie und ihre Karriere sind bis heute eng miteinander verwoben. Der Vater Alberto war für sie ebenso Coach wie Mentaltrainer. Lässt es seine Arbeit als Investmentbanker zu, agiert er auch als ihr Caddie, so wie an Valenzuelas ersten Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro.

Bei den Olympiateilnahmen in Tokio 2021 und Paris 2024 dann trug ihr jüngerer Bruder Alexis den Bag und besprach mit ihr die bevorstehenden Schwünge. Dass er das kann, grenzt an ein Wunder: Mit drei Jahren diagnostizierten die Ärzte bei ihm Autismus. Sie sagten den Eltern, ihr Sohn werde wohl nie sprechen können. Doch die Valenzuelas ermöglichten Alexis Sprachtherapien und stellten ihm in der Schule Verhaltenstherapeutinnen zur Seite, die ihm halfen, die Lehrer zu verstehen.

Mit den Händen konnte Alexis viel anfangen, und so versuchte die Familie, über Bälle mit ihm zu kommunizieren, wie Mutter und Sohn vor ein paar Jahren dem «Tages-Anzeiger» erzählten. Mit fünf Jahren begann Alexis mit Golf, mit acht spielte er sein erstes Turnier. Er und seine Schwester wurden schnell ein eingeschworenes Team. Albane Valenzuela sagte vor den Spielen in Tokio: «Alexis kennt mich besser als jeder andere. Er weiss, wie er mich beruhigen kann.» Alexis Valenzuela ist heute 23 Jahre alt und Masterstudent.

Als sich Albane Valenzuela an der Eliteuniversität Stanford bewarb, schrieb sie im Bewerbungs-Essay, wie Alexis sie inspiriert und geprägt habe. Später sagte sie, dass Alexis sie zu einer reifen Person geformt habe, die sich der Realitäten des Lebens bewusst sei. «Wenn man mit jemandem mit Autismus aufwächst, bekommt man andere Perspektiven und Einsichten ins Leben.»

In Stanford studierte Albane Valenzuela politische Wissenschaften. Die Universität in Kalifornien rühmt sich berühmter Alumni und Professoren: Die Golfikone Tiger Woods lernte dort, Valenzuela studierte mit der neunmaligen Schwimm-Olympiasiegerin Katie Ledecky, und die frühere amerikanische Aussenministerin Condoleezza Rice stand der Schweizerin als Beraterin zur Seite.

Anfangs fühlte sich Valenzuela etwas überwältigt von der Atmosphäre in diesen Kreisen. Sie fand aber bald ihren Platz in der sportlichen und akademischen Welt. Golf gehört im amerikanischen College-Sport zu den wichtigsten Sparten. Die Teams sind beliebt, die Ausbildung ist erstklassig.

Valenzuela begann ihr Studium nach den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro, für die sie sich mit 18 Jahren überraschend qualifiziert hatte. Als Jüngste der Schweizer Delegation, als Jüngste des Golfturniers, als eine von bloss drei Amateurspielerinnen. Sie klassierte sich im Feld der 60 Starterinnen auf Rang 21.

In Stanford entwickelte sich ihr Spiel kontinuierlich, 2017 und 2019 kletterte sie bis auf Platz 2 der Amateur-Weltrangliste. Und qualifizierte sich für die Tour der Ladies Professional Golf Association (LPGA), die weltweit stärkste Turnierserie der Frauen. Valenzuela wurde Profispielerin, absolvierte aber noch die letzten Monate des Studiums.

Eine unendliche und zuweilen frustrierende Herausforderung

Der Übergang zum Profileben war für Valenzuela hart. Zum ersten Mal war sie nicht mehr in ein Team eingebunden. Ab ihrem 14. Lebensjahr hatte der Verband Swiss Golf Turniere, Reisen und Trainings organisiert. Später war sie mit dem College-Team unterwegs. Nun, als Proette, hatte sich Valenzuela ein eigenes Umfeld aufzubauen. Sie mag es, von verschiedensten Spielern und Trainern zu lernen.

In den ersten Profijahren ging es nicht so steil aufwärts, wie Valenzuela gehofft hatte, teilweise wegen Verletzungen. Der Golfsport bleibt auch für eine Profispielerin eine unendliche und zuweilen frustrierende Herausforderung. Auch nach Tausenden Versuchen gelingt ein Schlag nicht immer gut. «An einem Tag glaube ich, ich hätte es verstanden. Und am nächsten Tag fühlt es sich wieder wie ein Schlag ins Gesicht an.»

Valenzuela wartet auf der LPGA-Tour noch auf ihren ersten Sieg. Anfang des Jahres wurde sie in Thailand einmal Zweite. Danach spielte sie einen so starken Sommer, dass sie für den Solheim-Cup eine Wild Card erhielt – als «Captain’s Pick», weil sie die Leaderin des Teams Europa, die Norwegerin Suzann Pettersen, überzeugt hatte. Valenzuelas wichtigste Resultate: Rang 22 am Major in Evian, Rang 13 und die beste Runde unter allen Spielerinnen an den Olympischen Spielen in Paris. Oder der 20. Platz am Women’s Open auf dem ehrwürdigen Old Course in St. Andrews, Schottland.

Albane Valenzuela Final Round Highlights | 2024 Honda LPGA Thailand

Wie in Paris (7 unter Par in der vierten Runde) brillierte sie am British Open (6 unter Par in der dritten Runde), nachdem die ersten Durchgänge nicht gelungen waren. Valenzuela ist stolz auf diesen Umgang mit Druck. Wie sie als Profi am besten funktioniert, musste sie zuerst erforschen, unterdessen hat sie ihren Rhythmus gefunden: drei Wochen spielen, dann eine Pause. Valenzuela sagt: «So habe ich die Balance zwischen Albane, der Sportlerin, und Albane, dem Menschen.»

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