Mittwoch, März 12

Geklagt wird oft in der Gastronomie: Gäste und Wirte beschweren sich über hohe Kosten und steigende Preise, schwer zu bekommendes Personal und geänderte Öffnungszeiten. Doch fünf Jahre nach Beginn des ersten Lockdowns liegt Auswärtsessen immer noch im Trend.

Vor fünf Jahren ging es auch ums Mutmachen. Am 16. März 2020 genossen die Schweizer die letzten Abendessen in der Gastronomie, am nächsten Tag waren die Beizen zu. Der Autor dieser Zeilen erinnert sich an eine düstere Stimmung an jenem Abend, den er im Zürcher «Schlüssel» verbrachte: ein bisschen Weltuntergang, ein Schuss Fatalismus. Immerhin: Das Essen schmeckte, der Wein war gut, und das schöne Wetter sollte die kommenden Wochen ohne Gastro-Ausgehmöglichkeit erträglich machen.

Eine erste Bilanz konnte man schon bald ziehen. Die gebeutelte Gastronomie schlug sich auch dank staatlicher Unterstützung gut, entwickelte in einem Masse Kreativität, wie das nie für möglich gehalten worden war. Take-aways schossen aus dem Boden, Restaurants wurden für die Zeit nach dem Lockdown neu eingerichtet, über die Gestaltung von Speisekarten dachte man intensiv nach.

Die Kreativität ist geblieben oder gar gestiegen

Nicht alle Mitnehmangebote von früher haben überlebt, aber es gibt noch genügend Spannendes. Im «Dolder» können Naschkatzen Torten bestellen, das Angebot an Delikatessen zum Mitnehmen ist grösser denn je, und Gourmetboxen kann man sich immer noch bequem vor die Haustür liefern lassen. In Deutschland machte der Peking-Enten-Versand eines Hamburger Restaurants Furore. Nicht ganz durchgesetzt haben sich die Speisekarten, die via QR-Code gleich aufs Handy geladen werden; die Menschen wollen nach wie vor etwas in der Hand haben, aus dem sie auswählen können.

Ohne Kreativität, das ist wohl die wichtigste Erkenntnis aus der Corona-Zeit, geht es nicht. An einem Tisch sitzen und Speisen bestellen, gut und schön, aber es darf ruhig ein bisschen mehr sein: von einzigartigem Ambiente bis zu besonderen Events, wie sie nicht nur der «Bürgenstock» anbietet. Gastköche und Four-Hands-Dinners boomen, weil sie Glamour und Abwechslung bringen – so konnte ich neulich ein Gastspiel des vegetarischen Wiener Restaurants Tian im Luzerner Mandarin-Hotel erleben. Das kam, gemessen an der Anzahl der Besucher, super an.

Herausforderung Mitarbeiter und Öffnungszeiten

Doch nicht alles ist auf den ersten Blick positiv. So manches Restaurant der Schweiz musste in den letzten fünf Jahren endgültig schliessen. Nicht genügend Auslastung war bisweilen das Problem, doch häufiger noch wurden die Wirte von Personalsorgen geplagt. Doch es geht aufwärts: Die Wertschätzung für Service und Küche scheint wieder zu steigen, in Deutschland etwa gibt es erfolgreiche Kooperationen mit Institutionen in Asien – und folglich motivierte Lernende aus Vietnam. In der Schweiz wiederum beeindruckt beispielsweise der «Sonnenberg» mit Gourmet-Ambitionen im Ausbildungsrestaurant.

Klar ist aber, dass es das kleine, vom Inhaber geführte Landrestaurant schwer haben wird. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend geöffnet zu haben und möglichst ohne Ruhetag – das klappt nur noch selten. Neue Modelle sind gefragt. Nur noch an zwei Tagen in der Woche Mittagessen, Double oder gar Triple Seating, Verkaufsautomaten, vielleicht auch Service-Roboter, die einen Teil der Dienstleistung übernehmen.

Pop-ups und andere Neueröffnungen

Die Gastronomie von heute sieht also anders aus als jene von Anfang 2020, vor der Corona-Pandemie. Aber sie sieht nicht schlechter aus. Das neue Winterthurer «Olo» zeigt, wie es gehen könnte (gute Lage, knappes, aber hochwertiges Angebot, Kooperation mit einem zweiten, noch zu eröffnenden Lokal), so manches Hotel bietet eine früher für unmöglich gehaltene Fülle an Gastro-Angeboten, und auch in den grossen Städten werden neue Ideen ausprobiert.

Warum nicht italienische und philippinische Küche zusammenführen wie im neuen Zürcher «Latino»? Warum nicht einen für seinen gemüselastigen, hocharomatischen Küchenstil bekannten Promi-Koch wie Yotam Ottolenghi einbinden? Klar ist, dass sich die Wirte noch mehr Gedanken um die Wünsche des Gastes machen müssen, beginnend bei der Preisgestaltung und dem Ambiente, endend bei Musik, Duft, den Sesseln und dem Blick in die Küche. Zu sehen, wie gekocht wird, und dazu von einem Gastgeber begrüsst zu werden, am besten mit Namen, war nie wichtiger als jetzt. Der Bedarf nach persönlicher Zuwendung ist wohl auch eine Folge der Corona-Pandemie.

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