Dienstag, April 1

Firmen wie Glencore, Vitol oder Trafigura haben in den letzten Jahren den Handel mit russischem Rohöl eingestellt. Nun erklären die ersten CEO aus der Branche, dass sie dieses bei einer Aufhebung der Sanktionen wieder beliefern würden.

Vor wenigen Tagen haben sich Vertreter der amerikanischen und der russischen Regierung erneut am Verhandlungstisch in Riad getroffen. Sie sprachen über eine Waffenruhe in der Ukraine – aber auch schon darüber, wie Russland mit einem Friedensabkommen wieder im Welthandel eingebunden würde.

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Die russischen Verhandler pochen laut Beobachtern darauf, dass der Westen die wirtschaftlichen Sanktionen gegen das Land wieder aufhebt. Sie fordern beispielsweise, dass russische Banken wieder im Finanztransaktionssystem Swift teilnehmen dürfen. Die amerikanische Regierung wäre offenbar bereit, diesen Deal mitzutragen: US-Präsident Donald Trump könnte Putin im Gegenzug die Normalisierung der Handelsbeziehungen anbieten.

Auch für die Schweiz wäre das bedeutsam. Vor allem dann, wenn die USA und die EU die Sanktionen zum Handel mit fossilen Energieträgern aufheben würden: Einige der wichtigsten Firmen, die in den letzten Jahrzehnten einen grossen Teil des russischen Rohöls vertrieben hatten, haben ihren Sitz in Genf oder Zug.

Am Commodities Global Summit der «Financial Times» in Lausanne, für die Rohstoffhändler das wichtigste Branchentreffen des Jahres, äusserten kürzlich gleich mehrere CEO die Absicht, dass ihre Firmen bei einem Wegfall der Sanktionen den Handel mit russischem Rohöl wieder aufnehmen würden.

Die Rohstoff-Bosse zeigen sich offen

Torbjörn Törnqvist, CEO von Gunvor, sagte: «Wenn die Sanktionen wieder gelockert werden und wir wieder nach Russland könnten, wieso sollten wir das nicht tun? Das ist unsere Arbeit.» Marco Dunand von Mercuria argumentierte ähnlich.

Richard Holtum, der neue Chef von Trafigura, sagte zu einer möglichen Rückkehr zum Handel mit russischem Rohöl: «Die Sanktionen müssten schon vollständig wegfallen, damit wir das überhaupt erwägen würden.» Eine Begründung für die Vorsicht lieferte Holtum nach: Er und weitere Mitglieder der Geschäftsleitung seien britische Staatsbürger. Bis Trafigura ohne rechtliche Bedenken wieder mit russischem Erdöl handeln könnte, müssten nicht nur die Amerikaner, sondern auch die Europäer und die Briten ihre Sanktionspolitik gegenüber Russland aufgeben.

Vitol, gemessen am ausgelieferten Volumen der grösste Händler von Rohöl weltweit, werde sich bei einer allfälligen Wiederaufnahme des Russlandgeschäfts an den Sanktionen orientieren, sagte der CEO Russell Hardy. Er glaube nicht, dass Russland von heute auf morgen wieder ein normaler Handelspartner werde. Hardy rechnet damit, dass es mindestens ein oder zwei Jahre dauern würde, bis die Erdöl-Sanktionen vollständig aufgehoben würden. Er sagte aber auch: «Ich könnte falschliegen, und alles könnte schneller verlaufen.»

Der Baarer Rohstoffriese Glencore war bei den Podiumsdiskussionen am Treffen in Lausanne nicht vertreten. Auf Anfrage hält sich das Unternehmen bedeckt. Es teilt mit, im Einklang mit den Richtlinien des Hauses momentan keine neuen Geschäfte in Russland abzuschliessen. Glencore verfolge die Entwicklungen und hoffe auf eine rasche Lösung des Konflikts in der Ukraine. Russland war für Glencore vor 2022 ein wichtiger Geschäftsstandort gewesen. 2017 verlieh Wladimir Putin dem damaligen Glencore-CEO Ivan Glasenberg einen Freundschaftsorden.

Die westlichen Rohstoffhändler haben sich aus Russland zurückgezogen

Noch sind die Sanktionen gegen den Handel mit russischem Erdöl strikt und umfassend. Die G-7-Staaten setzen für russische Erdöllieferungen einen Preisdeckel von 60 Dollar pro Fass durch. Sie wollen so verhindern, dass der Verkauf von russischem Erdöl die Kriegskasse des Kremls füllt – was jedoch leichter gesagt als getan ist.

Zudem ist seit Dezember 2022 die Einfuhr von russischem Rohöl auf dem Seeweg in die EU verboten. Europäischen Unternehmen ist es untersagt, Seelieferungen von russischem Rohöl zu versichern oder zu finanzieren. Die Schweiz hat diese Sanktionen übernommen.

Die grossen Rohstoffhändler zogen sich in der Folge aus Russland zurück, lösten etwa Beteiligungen und Langzeitverträge mit dem russischen Erdölkonzern Rosneft auf. Handelshäuser wie Vitol, Trafigura oder Glencore versichern, dass sie heute nicht mehr mit russischem Rohöl handeln.

Russland hingegen hat ein eigenes Handelssystem und eine Schattenflotte aufgebaut, mit der es die Sanktionen umgeht. Statt nach Europa verkauft Russland sein Rohöl nun an Länder wie China oder Indien, die die Sanktionen nicht mittragen.

Zieht Europa mit?

Janis Kluge ist Ökonom und forscht bei der Stiftung Wissenschaft und Politik zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Russland-Sanktionen. Er sagt: «Wenn die Rohstoffhändler heute schon über eine mögliche Rückkehr nach Russland sprechen, nehmen sie Dinge vorweg, die sich gar nicht abzeichnen.»

Die Amerikaner sind laut Kluge zwar mächtig. Sie kontrollieren mit dem Dollar die globale Leitwährung, über welche im Welthandel die allermeisten Transaktionen abgewickelt werden. Doch die USA und Russland tauschten selbst vor dem Ausbruch des Kriegs nur wenige Waren aus.

Wirtschaftlich betrachtet sei Europa für Russland der viel wichtigere Markt, sagt Kluge. Insbesondere gilt das beim Rohöl: 2021, vor dem Einmarsch und den Sanktionen, landete die Hälfte der russischen Rohölexporte in Europa.

Im Bereich der Erdöl-Sanktionen könnten die Amerikaner also nicht eigenhändig über Russlands Zukunft bestimmen, sagt Kluge. Er hält es zurzeit für ausgeschlossen, dass die EU die wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland vollständig normalisiert: «Zahlreiche Politiker sind überzeugt, dass Putins Russland für Europa eine Sicherheitsbedrohung darstellt.»

Kluge glaubt, dass Russland der Ukraine weitreichende Zugeständnisse machen müsste, damit für die Europäer nur schon infrage käme, den Handel mit russischem Rohöl wieder zuzulassen. Wirtschaftlich würde das Russland zwar nützen, sagt er. «Aber Putin hat schon mehrfach bewiesen, dass wirtschaftliche Argumente für ihn in diesem Krieg nicht im Vordergrund stehen.»

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