Beim AHV-Fonds ist neu die amerikanische Bank State Street als Depotbank eingesetzt – statt der UBS. Politiker rügen diesen Wechsel. Der Verwalter des Fonds kritisiert derweil, es kursierten Fehlinformationen.
Vielen Schweizerinnen und Schweizern ist es bange um ihre Altersvorsorge. Dies zeigen die Umfragen zum Sorgenbarometer der zur UBS gehörenden Credit Suisse, in denen das Thema «Altersvorsorge/AHV» Jahr für Jahr zu den wichtigsten Problemen der Schweiz gezählt wird. Dazu passt auch das Volks-Ja bei der Abstimmung zur 13. AHV-Rente im März dieses Jahres.
Wie sensibel Bevölkerung, Politiker und Medien reagieren, wenn es um die AHV geht, erfährt momentan auch Compenswiss. Das ist die Organisation, die das Vermögen der drei Sozialwerke AHV, Invalidenversicherung (IV) und Erwerbsersatzordnung (EO) verwaltet und die Ausgleichsfonds AHV/IV/EO umfasst. Die Fonds verwalten ein Vermögen von rund 40 Milliarden Franken.
Sturm der Entrüstung in Bundesbern
Compenswiss hatte nach einer langen Evaluationsphase im Februar dieses Jahres bekanntgegeben, der Schweizer Grossbank UBS das Mandat als Depotbank zu entziehen und dieses an das amerikanische Finanzinstitut State Street zu übergeben. Die UBS hatte dieses Mandat für die Wertschriftenverwahrung seit 1996 inne.
Die Folge war ein Sturm der Entrüstung in verschiedenen Publikationen und in Bundesbern. Dabei sei es auch zu Fehlinformationen gekommen, sagt Eric Breval, Direktor von Compenswiss, im Gespräch. «Der Entscheid, die Depotbank zu wechseln, hat nichts an der Verwaltung der AHV-Gelder geändert, und es ist auch kein Geld in die USA transferiert worden.» Nach wie vor würden rund 50 Prozent des Vermögens der Ausgleichsfonds AHV/IV/EO von Compenswiss in Genf verwaltet, rund 20 Prozent von Schweizer Vermögensverwaltern hierzulande und im Ausland sowie rund 30 Prozent von ausländischen Spezialisten in bestimmten Segmenten.
«An der Verwaltung der AHV-Gelder ändert sich nichts»
Bei State Streets Engagement handle es sich um eine rein administrative Rolle. «Die Verwaltung der Ausgleichsfonds ist keineswegs der Depotbank anvertraut», sagt Breval. State Street berechne als Depotbank die Renditen der Anlagen, berichte über die Performance und gebe einen Überblick über die Vermögenswerte – mehr nicht. Zudem gebe es in fast jedem Land, in dem Vermögenswerte hinterlegt seien, eine Unter-Depotbank – und in der Schweiz sei das die UBS. «Folglich bleiben die Schweizer Wertschriften bei der UBS in der Schweiz», sagt Breval. Der Wechsel der Depotbank habe keinerlei Folgen für den Ort, an dem die Vermögenswerte lägen, und es gebe auch keinen Einfluss auf die Vermögensverwaltung.
Laut Breval hat der Verwaltungsrat von Compenswiss nach einer Empfehlung der Eidgenössischen Finanzkontrolle 2022 das Mandat der Depotbank ausgeschrieben. Dabei habe sich State Street als «klar am besten geeignet» erwiesen und das beste Preis-Leistungs-Verhältnis geboten. Die amerikanische Bank sei weltweit führend im Depotbank-Geschäft und habe hohe technische Kompetenzen.
Trotzdem hat der Entscheid ein politisches Nachspiel in Bundesbern. «Schweizer Volksvermögen in den Händen der USA» lautet etwa eine Mitte September von der FDP-Nationalrätin Daniela Schneeberger eingereichte Frage an den Bundesrat: Ob sich der Bundesrat bewusst sei, dass der Entscheid von Compenswiss grosse Besorgnis bei den Bürgerinnen und Bürgern erregt habe?
Entscheid «politisch fragwürdig»?
Der FDP-Nationalrat Olivier Feller hat ebenfalls zwei Fragen eingereicht. Ihm geht es darum, ob Compenswiss bei der Vergabe des Mandats an State Street die gesamten Vorgaben der Bundesgesetzgebung über das öffentliche Beschaffungswesen eingehalten hat. «Der Entscheid von Compenswiss, State Street als Depotbank einzusetzen, ist politisch fragwürdig», sagt Feller im Gespräch. «Die USA würden wohl keine Schweizer Depotbank für ihre Social Security nehmen.»
Zudem kritisiert Feller, dass die Verbindung von State Street zur Schweiz sehr gering sei. Die amerikanische Bank sei nicht Mitglied in der Schweizerischen Bankiervereinigung und habe auch keine Vertretung in der Westschweiz, sagt der Nationalrat, der aus dem Kanton Waadt kommt. Zudem sei das Depotbank-Mandat rechtlich an State Street in München und nicht in Zürich vergeben worden.
Gegenwind für Compenswiss kommt auch vom SVP-Nationalrat Thomas Matter. Er hat zu dem Wechsel der Depotbank bei den Ausgleichsfonds von AHV, IV und EO eine Interpellation im Nationalrat eingereicht. «Aus Gründen der Sicherheit unseres Volksvermögens wäre es sinnvoller, wenn eine Schweizer Bank als Depotbank von Compenswiss tätig wäre», sagt Matter, der selbst Banker ist und als Verwaltungsratspräsident der Helvetischen Bank amtiert. Die Vermögen der Ausgleichsfonds seien schliesslich systemrelevant.
«Depotbank könnte im Extremfall die Auslieferung von Wertschriften verweigern»
Die Interessen der USA und der Schweiz seien nicht immer deckungsgleich. Bei der Abschaffung des Bankgeheimnisses habe man beispielsweise gesehen, wie hart die Amerikaner im Zweifelsfall ihre Interessen durchdrückten, sagt Matter. Die Depotbank könnte im Extremfall die Auslieferung von Wertschriften verweigern. Komme es zu einem Notfall, habe der Bundesrat bessere Handlungsmöglichkeiten bei einer Schweizer Bank.