Es ist ein Konflikt für die Ewigkeit: Warum es immer wieder Probleme zwischen Schwiegertöchtern und Schwiegermüttern gibt, und was Männer beitragen können, um das Verhältnis zu verbessern.
Von Liebe bis Missgunst, von Harmonie bis Streit – in der Lotterie des Familienglücks gibt es nicht nur Hauptgewinne. Das weiss auch Johanna Schäfer. Das Verhältnis zu ihrer Schwiegermutter ist schwierig, war es von Anfang an.
Dabei scheint vieles eine Rolle zu spielen: das Gefühl der Schwiegermutter, die neue Frau dränge sich zwischen sie und ihren Sohn. Der Umstand, dass Johanna Schäfer bereits die zweite Ehefrau ihres Mannes ist. Und auch die Patchwork-Familie, in der Johanna mit ihrer Tochter, ihrem Mann und seiner Tochter aus erster Ehe lebt: für die Schwiegermutter nach all den Jahren noch immer nicht annehmbar.
So schildert es jedenfalls Johanna Schäfer, die ihren richtigen Namen in der Zeitung nicht lesen möchte, um die Situation nicht weiter zu eskalieren. Im Laufe der Zeit habe es Streite, Vorwürfe und Intrigen seitens ihrer Schwiegermutter gegeben.
Schwiegermütter haben einen schlechten Ruf in unserer Gesellschaft. Sie verkörpern häufig das Unheil – egal ob in Witzen, Bauernweisheiten oder bei der Namensfindung für Kakteen. So ist zum Beispiel der stachelige Goldkugelkaktus besser bekannt als Schwiegermuttersitz. Aber ist diese Beziehung tatsächlich so konfliktreich? Und was können Betroffene tun, um sie zu verbessern?
Paare befinden sich in einem sozialen Kontext, das heisst auch: Die Schwiegereltern beeinflussen die Partnerschaft. Teilweise sogar so stark, dass die Beziehung von Schwiegertochter und -mutter beeinflusst, ob die Ehe glücklich bleibt. Das zeigen Studien.
Sind Schwiegerbeziehungen wirklich so schlimm?
«Dabei sind die meisten Beziehungen zwischen Schwiegermüttern und -töchtern gar nicht so schlecht», sagt der Sozialpädagoge und Familientherapeut Michael Woolley. Er ist Professor an der Universität von Maryland in den USA und Autor eines Buchs über Schwiegerbeziehungen. Der Forscher befragte mittels Fragebögen mehr als 1500 Menschen. «Unsere Ergebnisse zeigen: Manche dieser Beziehungen sind tatsächlich fürchterlich, andere phantastisch, die allermeisten sind von der Qualität her irgendwo zwischen den beiden Extremen», sagt Woolley.
Christine Kunkle sieht das ähnlich. Sie ist Professorin für Kommunikationswissenschaften an der West-Virginia-Universität in den USA und hat ebenfalls Studien zu Schwiegerbeziehungen durchgeführt. «Bei der bösen Schwiegermutter handelt es sich eher um ein Vorurteil als um eine Tatsache», sagt Kunkle. Allerdings: Stereotype in unserer Gesellschaft prägen uns, ob wir wollen oder nicht. «Allein die Erwartung, die Schwiegermutter könnte eine Bedrohung sein, kann die Wahrnehmung verzerren und so die Beziehung negativ beeinflussen», sagt sie.
Johanna Schäfer erinnert sich jedenfalls, dass die Beziehung zu ihrer Schwiegermutter, sie soll in diesem Text Erika Hess heissen, schon vor der ersten Begegnung belastet war. Erika Hess habe nichts von Johanna Schäfer wissen wollen. «Mein Mann war erst ein paar Monate von seiner Ex-Frau getrennt, und die Hoffnung von Erika war, dass die beiden doch wieder zusammenkommen», sagt sie. Ihr war zwar klar, dass das mit ihrer Person nichts zu tun haben konnte, «aber trotzdem hat mich das verletzt».
Die Ironie: Auch ihre Schwiegermutter war geschieden – und wollte erneut heiraten. Doch Erika Hess wollte die neue Partnerin ihres Sohns bei diesem Fest nicht dabeihaben. Erst als ihr Sohn sich demonstrativ auf Johannas Seite stellte, ist Erika eingeknickt.
Familienkulturen prallen aufeinander
Es gibt eine ganze Reihe von Faktoren, die Konflikte zwischen Frauen wie Johanna Schäfer und Erika Hess verursachen können. Einer ist die Unfreiwilligkeit: Beide haben einander nicht ausgesucht. «Oftmals haben Eltern eine Idealvorstellung davon, wie die zukünftige Partnerin ihres Kindes auszusehen hat», sagt Woolley. Aber nicht immer entspricht die tatsächliche Partnerin diesem Bild.
Sobald sich die beiden Frauen treffen, kann es zu einem Zusammenprall zweier Kulturen kommen. «In die eigene Familienkultur wird man hineingeboren, man feiert dieselben Traditionen, isst gewohnte Speisen und kommuniziert auf eine ähnliche Weise wie die anderen Mitglieder», sagt Woolley. Diese Kultur ist in jeder Familie anders. Mit Unterschieden, beispielsweise beim Kochen, können die beiden auf verschiedene Art umgehen: Entweder Schwiegermutter und -tochter freuen sich über ein bisschen Abwechslung. «Oder es kommt zu Konflikten», sagt Woolley.
Ähnlich verhält es sich mit weniger offensichtlichen Aspekten der Familienkultur. Reden in der Familie des Manns alle sehr offen und direkt miteinander, ist in der Herkunftsfamilie der Frau hingegen das Gegenteil der Fall, dann kommt es eher zu Konflikten. «Eine sehr offene und direkte Schwiegermutter kann in diesem Fall auf die Schwiegertochter schnell übergriffig wirken, weil sie so ein Verhalten aus ihrer Familie nicht gewohnt ist», sagt Christine Kunkle.
Sechs Stunden pro Monat mit der Schwiegermutter genügen
In der Forschung der Kommunikationswissenschafterin Kunkle zeigte sich: Die Probleme zwischen Schwiegermüttern und -töchtern sind meist sehr individuell. So empfinden es zum Beispiel manche als Last, viel Zeit zusammen zu verbringen, andere hingegen betrachten das als Freude. «Es gibt nur wenig Verhalten, das durchgängig als problematisch bezeichnet wurde», sagt die Wissenschafterin.
Was die gemeinsame Zeit angeht, hat Michael Woolley aber eine klare Empfehlung. Er befragte die Frauen in seinen Studien nach der Anzahl der gemeinsam verbrachten Stunden und erfasste gleichzeitig die Qualität der Schwiegerbeziehung. «Je mehr Zeit sie miteinander verbrachten, desto besser, allerdings nur bis zu zirka sechs Stunden im Monat. Ab dann nahm die Qualität der Beziehung wieder ab», sagt Woolley.
Und abgesehen davon spiele auch die eigene Mutter der Schwiegertochter eine wichtige Rolle. «Wir haben es mit einer Art Dreieck zu tun, bestehend aus Schwiegermutter, Schwiegertochter und deren Mutter», sagt Woolley. Konflikte entstünden häufig, weil die Schwiegermutter und die Mutter unterschiedlichen Druck auf die junge Frau ausübten und diese sich hin- und hergerissen fühle. Oder – auch das ist laut Woolley nicht selten der Fall: Die Schwiegermutter ist eifersüchtig auf die Mutter der Schwiegertochter.
Sind Enkelkinder da, können neue Probleme entstehen: Häufig habe die Grossmutter mütterlicherseits ein engeres Verhältnis zu ihren Enkelkindern und übe oft mehr Einfluss auf das Paar aus.
Als Johanna Schäfer und ihr Mann ihr gemeinsames Kind bekamen, wuchs die Eifersucht der Schwiegermutter auf Johannas Eltern – so erzählt es Johanna Schäfer.
Die Eifersucht der Schwiegermutter
Als die Wehen einsetzten, brachten sie die Tochter aus der ersten Ehe ihres Manns nicht zur leiblichen Grossmutter Erika Hess, sondern zu Johannas Eltern. Der Grund: «Sie wohnen nur ein paar Strassen entfernt, das war einfach praktischer, ausserdem haben sie ein gutes Verhältnis zu dem Kind», sagt Johanna Schäfer. Die Schwiegermutter war darüber, gelinde gesagt, nicht erfreut. «Sie machte uns eine riesige Szene, sagte, ihre Enkelin müsse zu ihr kommen, nur bei ihr fühle sich das Kind wirklich sicher und geborgen», erzählt Johanna Schäfer.
Trotz der Eifersucht habe sich das Verhältnis zwischen ihr und ihrer Schwiegermutter mittlerweile verbessert, erzählt Johanna Schäfer. Auch die Forschung sagt: Geduld zahlt sich aus. Der Therapeut Woolley bestätigt, dass die meisten Beziehungen zwischen Schwiegertöchtern und -müttern mit der Zeit besser werden.
Die Forscherin Kunkle betont, wie wichtig dafür die Rolle des Mannes zwischen den beiden Frauen ist. «Die Ehemänner können eine sehr hilfreiche Position einnehmen», sagt sie. Der Mann solle sich keinesfalls komplett aus der Beziehung heraushalten.
Christine Kunkle untersuchte, welche Auswirkungen es auf die Beziehung des Paares hat, wenn die Schwiegermutter ihre Schwiegertochter verärgert. Das Resultat: Es ist egal, ob Mann und Frau sich einig darüber sind, aus welchem Grund die Schwiegermutter ihre Schwiegertochter verärgert, ob sie das vermeintlich aus gutem oder bösem Willen tut. «Wichtiger ist, wie zufrieden die Schwiegertochter mit dem Gespräch ist, das sie mit ihrem Mann darüber führt», sagt Kunkle.
Was der Mann tun kann
Damit dieses Gespräch erfolgreich verläuft, hilft gemäss Kunkle das Gefühl, dass der Mann aufmerksam zuhört und Verständnis äussert. Das erlebt auch Johanna Schäfer: «Das Verhältnis von meinem Mann zu seiner Mutter ist in Ordnung, die beiden haben häufig Kontakt. Dennoch anerkennt er, wie schwierig seine Mutter ist, und hält im Ernstfall zu mir», sagt sie. Die Gewissheit, dass der Partner seiner Frau zuhört und zu ihr steht, kann sich dann, laut Christine Kunkle, auch positiv auf die weiteren Interaktionen zwischen den Frauen auswirken.
Denn Schwiegertochter und Schwiegermutter sind nicht allein in ihrer unfreiwilligen Beziehung. Sie sind Teil eines Familiensystems. Alle Beziehungen wirken sich aufeinander aus, ein jeder kann etwas zum Familienglück beitragen. Und so lässt sich die Familienlotterie doch ein bisschen beeinflussen.