Dienstag, November 26

Der künftige Finanzminister könnte die Wirtschaftspolitik von Präsident Trump prägen. In mehreren Interviews hat Bessent Einblick in sein Denken gegeben. Es lohnt sich für Investoren, sich eingehend mit diesen zu befassen.

Am Freitagabend ging ein Aufatmen durch Wallstreet. Donald Trump hat Scott Bessent für das Amt des Finanzministers (Secretary of the Treasury) seiner Regierung nominiert. Der 62-jährige Hedge-Fund-Manager und langjährige Mitarbeiter von George Soros ist mit den Finanzmärkten bestens vertraut und versteht die Zusammenhänge des globalen Finanzsystems.

Bessents Nomination wirft im Gegensatz zu anderen Ernennungen Trumps kaum Kontroversen auf. Seine Bestätigung im Senat dürfte reibungslos verlaufen. Die Tatsache, dass sich Bessent im engen Kreis des künftigen Präsidenten offenbar gegen das Lobbying von Elon Musk – dieser hatte sich für Howard Lutnick stark gemacht – durchgesetzt hat, ist ein Indiz dafür, dass er das Vertrauen und das Ohr von Trump hat.

Zumindest aus Sicht der Finanzmärkte macht das Bessent zum wichtigsten Mann in der Trump-Regierung, die am 20. Januar ihre Arbeit aufnehmen wird.

Als Vorsteher des Schatzamtes (Treasury) ist Bessent verantwortlich für die Fiskalpolitik der USA. Zudem setzt das Treasury Sanktionen um. Die Handelspolitik – Stichwort Importzölle – liegt nicht im Kompetenzbereich des Treasury; dafür ist das Office of the U.S. Trade Representative (USTR) verantwortlich, dessen künftigen Vorsitzenden Trump noch nicht nominiert hat. Trotzdem dürfte Bessent auch in Handelsfragen einen entscheidenden Einfluss auf Trump ausüben. Besonders im Licht der Tatsache, dass Trump bereits Zölle von 25% auf alle Importe aus Mexiko und Kanada plus zusätzliche 10% auf alle Einfuhren aus China angekündigt hat, wird Bessents Rolle für Investoren relevant sein.

Welche Positionen aber vertritt Scott Bessent in wirtschaftspolitischen Fragen, und was für eine Linie ist von ihm in den kommenden Jahren zu erwarten?

Die «drei Pfeile»

In mehreren Auftritten und Interviews in den Monaten vor den Präsidentschaftswahlen hat der künftige Finanzminister Einblick in sein Denken gegeben. Einen wichtigen Eckwert seiner Pläne hat Bessent im Sommer in einer Rede vor dem Manhattan Institute, einem Think Tank, mit dem Begriff «3-3-3» umschrieben:

  • Die US-Regierung soll das Haushaltsdefizit bis 2028 durch Ausgabenkürzungen und den Abbau von ineffizienten Subventionen von heute über 6% auf 3% der Wirtschaftsleistung reduzieren. Zu diesem Zweck schlägt Bessent vor, Teile des von der Biden-Regierung beschlossenen Inflation Reduction Act rückgängig zu machen.
  • Das Wirtschaftswachstum soll dank Deregulierungen und Steuersenkungen auf 3% pro Jahr erhöht werden.
  • Zur Eindämmung der Inflation soll die inländische Rohöl- und Erdgasförderung um 3 Mio. Fass Öl-Äquivalente pro Tag erhöht werden – mit dem Ziel, die Energiepreise zu senken.

Die Inspiration zu diesem dreiteiligen Ansatz zieht Bessent nach eigenen Angaben aus der Politik der «drei Pfeile», die der frühere Premierminister Japans, Shinzo Abe, ab Ende 2012 umgesetzt hat.

Mit dem Fokus auf Deregulierung und eine vernünftige Haushaltspolitik reiht sich Bessent zudem in die Tradition der angebotsorientierten Ökonomen wie Milton Friedman ein, die Ronald Reagan in den Achtzigerjahren beraten hatten.

Erste Reaktionen an den Finanzmärkten sind bereits zu sehen. Im Nachgang der Nomination Bessents ist die Rendite zehnjähriger Treasury Notes um 15 Basispunkte auf 4,27% gesunken. Das ist ein erstes Indiz, dass der Bondmarkt Gefallen an der Perspektive einer zurückhaltenden Fiskalpolitik und sinkenden Energiekosten findet. Der Ölpreis ist zu Wochenbeginn mehr als 2% gesunken.

«Eskalieren, um zu de-eskalieren»

Aufschlussreich sind die bisherigen Äusserungen Bessents zum Thema Importzölle. Gegenüber «Bloomberg» sagte Bessent im August, Trump verhalte sich mit seinen Drohungen wie ein typischer New Yorker Immobilieninvestor: Er steige immer mit maximalen Forderungen in eine Verhandlung ein. Eigentlich sei es Trump aber lieber, wenn er die Importzölle senken statt erhöhen könne.

In einem Interview mit der «Financial Times» im Oktober sagte Bessent, Trump sei im Grunde ein Anhänger des Freihandels – solange dieser fair sei. Auch in diesem Interview sagte der künftige Finanzminister, für Trump dienten Importzölle primär der Verhandlungstaktik, um die Gegenpartei zu Konzessionen zu zwingen. «Es geht ihm darum, die Lage zu eskalieren, um sie danach zu de-eskalieren.»

Gegenüber dem «Wall Street Journal» sagte Bessent nach seiner Nomination, er sei dafür, die Androhung von Importzöllen zu benutzen, um die nationalen und sicherheitspolitischen Interessen der USA gegenüber anderen Ländern durchzusetzen. Auch dazu bietet Trump bereits ein Beispiel: Er droht Zölle gegenüber Mexiko und Kanada an, sofern die beiden Nachbarstaaten nicht helfen, die illegale Immigration in die USA zu unterbinden. Die zusätzlichen Zölle gegen China rechtfertigt Trump mit der Tatsache, dass es Peking versäumt habe, die Lieferungen von Fentanyl in die USA zu stoppen.

Zumindest bislang lässt sich aus den Äusserungen von Bessent die These ableiten, dass Trump Importzölle nicht primär benutzen möchte, um die USA vom Rest der Welt abzuschotten. Für den Präsidenten haben Zölle demnach einen transaktionalen Charakter: Er setzt sie ein, um Deals aus seinen Verhandlungspartnern herauszupressen.

«Grundlegende Erneuerung» des Weltwirtschaftssystems

In mehreren Auftritten und Interviews, zuletzt im «Wall Street Journal», hat Bessent seine Ansicht geäussert, dass das Weltwirtschafts- und -Finanzsystem eine grundlegende Erneuerung benötigt. Die Phase der Globalisierung, die die vergangenen rund vier Jahrzehnte geprägt und den Aufstieg Chinas ermöglicht hatte, habe vor allem für die unteren und mittleren Einkommensschichten in den USA nicht die versprochenen Wohlstandsgewinne gebracht.

In einem Gastkommentar für den «Economist» schrieb Bessent Ende Oktober, dass die Weltwirtschaft in Schieflage geraten sei. Staaten wie China, Japan, Vietnam oder auch Deutschland, die chronisch hohe Leistungsbilanzüberschüsse erwirtschafteten, hätten ihre eigene Binnennachfrage vernachlässigt. Die Zeit sei vorbei, als die USA die Endnachfrage für den Rest der Welt bieten könne.

«Trotz seiner vielen Schwächen wäre es ein grosser wirtschaftlicher und strategischer Fehler, das internationale Handelssystem aufzugeben. Stattdessen müssen die Vereinigten Staaten eine Politik verfolgen, die darauf abzielt, die Ursachen der Ungleichgewichte in der internationalen Wirtschaft zu korrigieren», schreibt Bessent.

Damit unterstützt er die These von Ökonomen wie dem in China lehrenden Amerikaner Michael Pettis, die seit Jahren fordern, dass die Länder mit chronischem Leistungsbilanzüberschuss ihr inländisches Nachfragedefizit angehen sollen.

Auf dem Weg zum «Mar-a-Lago Accord»?

Bessent ist sich mit Sicherheit bewusst, dass ein hart geführter Handelskrieg, in dem alle Akteure ihre Zollschranken hochfahren, nur Verlierer kennt. Dazu kennt er die Historie der Weltwirtschaftskrise der Dreissigerjahre zu gut. Zudem weiss er als auf Währungen spezialisierter Hedge-Fund-Manager, dass unilateral erhobene Zölle der USA den Dollar tendenziell erstarken – und den Effekt der Zölle umgehend wieder verpuffen – lassen würden.

Vor diesem Hintergrund hat Bessent von der Notwendigkeit einer «grundlegenden Erneuerung» des Weltwirtschaftssystems gesprochen und den Begriff des «Mar-a-Lago Accord» lanciert, benannt nach dem Hauptquartier von Trump in Florida.

Die Bezeichnung ist eine Reminiszenz an den «Plaza Accord» von 1985, als sich die Notenbankchefs und Finanzminister der USA, Japans, Deutschlands, Grossbritanniens und Frankreichs im Plaza Hotel in New York trafen. Resultat der Gespräche war eine konzertierte Abwertung des Dollars, wobei der grösste Teil des Aufwertungsdrucks auf der Gegenseite vom Yen und der D-Mark übernommen wurde. Zudem brachte Präsident Reagan die japanischen Autohersteller mit der Androhung von Zöllen dazu, Produktionswerke in den USA zu errichten.

Ein Mar-a-Lago Accord wäre im Vergleich dazu komplexer, denn die Gesprächspartner im Jahr 1985 waren Alliierte der USA. Heute müsste ein Abkommen primär China, den strategischen Erzrivalen der USA im 21. Jahrhundert, umfassen. China sowie andere Akteure müssten ihre eigenen Währungen zum Dollar aufwerten lassen sowie Produktionskapazitäten nach Amerika verlagern. Im Gegensatz dazu erhielten sie Zugang zum US-Markt.

Die grosse Frage ist freilich, ob China zu einem derartigen Abkommen Hand böte. «China würde eine Lösung aus den Achtzigerjahren lieben. Die chinesischen Unternehmen bauen eine Reihe von Fabriken in den USA, aber das erlaubt ihnen, ihre eigenen Lieferketten zu retten», sagt Marko Papic, Chefstratege vom kanadischen Analysehaus BCA Research.

Architekt des Plaza Accord war James Baker III, Finanzminister der zweiten Regierung von Ronald Reagan. Baker, später Stabschef von George H. W. Bush und langjähriger Consigliere der Republikanischen Partei, ging als einer der effektivsten politischen Drahtzieher der jüngeren Zeit in die Geschichte der USA ein.

Wenn Bessent seine Karten gut spielt – und sofern er nicht nach wenigen Monaten von Trump gefeuert wird –, könnte er in Bakers Fussstapfen treten.

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