Donnerstag, Januar 30

Angeblich wünscht sich über die Hälfte der Befragten einen «strong Leader», der sich nicht mit dem Parlament und Wahlen herumschlagen muss.

Die Schlagzeile sorgte in Grossbritannien für Konsternation: «Die Hälfte der Generation Z will, dass Grossbritannien von einem Diktator regiert wird», stand am Montag auf der Titelseite der britischen Tageszeitung «The Times».

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Der Generation Z wird so einiges nachgesagt: Sie sei faul, habe psychische Probleme, Zukunftsängste und so weiter. Und jetzt wollen sie in Grossbritannien auch noch eine Diktatur. Sind die Jungen wirklich so abgedriftet?

Die Studie besagt, dass 52 Prozent der 13- bis 27-Jährigen in Grossbritannien der Meinung seien, «das Vereinigte Königreich wäre ein besserer Ort, wenn eine starke Führungsperson an der Macht wäre, die sich nicht um das Parlament und Wahlen kümmern müsste». Ein Drittel findet, das Land stünde besser da, «wenn die Armee das Sagen hätte», knapp die Hälfte ist der Meinung, dass «die gesamte Organisation unserer Gesellschaft durch eine Revolution radikal verändert werden müsste». Bei den 45- bis 65-Jährigen sehen es 33 Prozent auch so.

Studien behaupten das Gegenteil

Die Studie wurde vom britischen Meinungsforschungsinstitut Craft erstellt, im Auftrag des Senders Channel 4 und der Tageszeitung «The Times». Craft hat 3000 Erwachsene befragt, zwei Drittel von ihnen gehören der Gen Z an, die restlichen 1000 sind zwischen 28 und 65 Jahre alt, eine Vergleichsgruppe.

Es gibt allerdings grosse Zweifel an der Wissenschaftlichkeit der Studie. Geäussert etwa von Christopher Prosser, Professor für Politikwissenschaft an der Londoner Universität Royal Holloway und Direktor der «British Election Study», eines renommierten Projekts zur Analyse der britischen Wahlen.

Prosser schreibt, die Studie widerspreche anderen Ergebnissen, wonach die Gen Z die Demokratie viel stärker unterstützt. Tatsächlich hat die «British Election Study» seit 2016 die sogenannte «Strong Leader»-Frage achtmal gestellt und ist zu dem Schluss gekommen, dass 13 Prozent der Jungen eine Diktatur befürworten, nicht 52. Zudem sei die Gen Z die Generation, die sich sogar am wenigsten nach einer «starken Führerfigur» sehne.

Die Ergebnisse könnten kaum widersprüchlicher sein. Prosser zweifelt deshalb die Legitimität des verantwortlichen Instituts Craft an: «Ich habe nie davon gehört, es ist auch nicht Mitglied der relevanten Branchenverbände», schreibt er auf Bluesky. Das Institut selber schmückt sich auf seiner Website mit der Zusammenarbeit mit der BBC, dem «Guardian», Fox und anderen grossen Medienhäusern. Auffällig dabei: Meistens entstehen provokante Schlagzeilen zur Lage der Gen Z.

Starke Führung in Krisenzeiten

Allen Zweifeln zum Trotz scheint am Befund der kontroversen Studie etwas dran zu sein. Der «Guardian» berichtete kürzlich über die Ergebnisse einer anderen Untersuchung, wonach jede fünfte Person im Alter zwischen 18 und 45 Jahren im Vereinigten Königreich lieber einen nicht gewählten Leader an der Macht sehen will als eine demokratisch gewählte Regierung. Das ist deutlich weniger, als die Studie von Craft behauptet – und dennoch besorgniserregend.

Es gibt viele Beispiele, die zeigen, dass junge Menschen – vor allem junge Männer – bevorzugt Parteien mit autoritären Tendenzen wählen. Etwa in Österreich, wo das Wahlrechtsalter bei 16 Jahren liegt und die 16- bis 34-Jährigen am häufigsten die rechtspopulistische FPÖ wählen. Auch die AfD ist bei jungen Deutschen sehr beliebt.

Klimawandel, Kriminalität, Krieg in Europa, die schwächelnde Wirtschaft: Dass man sich in Krisenzeiten nach einfachen Lösungen und starker Führung sehnt, ist nicht neu. Die Gen Z wünscht sich kaum einen Diktator, doch sie sorgt sich offenkundig um die Zukunft.

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