Montag, Februar 3

Hanneke Faber und Wendy Becker sind das einzige weibliche Duo an der Spitze eines Schweizer Top-Konzerns. Ein Gespräch darüber, warum Unternehmen Diversity fördern müssen und das Home-Office eine Zukunft hat.

Mäuse, Tastaturen, Webcams, Controller: Ohne Zubehör können wir keinen Computer nutzen. Logitech ist der weltgrösste Hersteller dieser Geräte – und der einzige Schweizer Top-Konzern mit einem weiblichen Führungsduo: Hanneke Faber als CEO und Wendy Becker als Präsidentin des Verwaltungsrats.

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Es ist schwierig, beide Frauen gleichzeitig am selben Ort zu erwischen. Der NZZ gelingt es in London, aber nur per Video-Call.

Frau Faber, Frau Becker, können Sie uns hören?

Wendy Becker: Ja – und auch sehen. Alles funktioniert.

Pardon, wir dachten, wir seien auf stumm. Der Corona-Ausbruch ist bald fünf Jahre her, aber so richtig rund läuft es mit den Video-Calls nicht. Vergessen Sie auch oft, das Mikrofon einzuschalten?

Hanneke Faber: Zu oft. Für unsere Videokonferenz-Systeme haben wir alle Arten von KI-Features. Zum Beispiel Kameras, welche die Perspektive ändern, wenn sich jemand im Raum bewegt. Smartes Schalten auf stumm oder laut sollte wahrscheinlich auch dazugehören.

Sie beide führen den weltgrössten Hersteller von Computerzubehör, darunter Webcams und Konferenzsysteme. Wann werden diese Dinge gelöst sein?

Faber: Wahrscheinlich nie komplett. Menschen machen immer Fehler. Aber das ist eine Geschäftschance für uns. Manche Nutzer unserer Videosysteme sagen mir, sie seien immer noch etwas zu kompliziert. Also schauen wir ständig, wie wir unserer Produkte einfacher machen können. Damit alles mit einem Klick funktioniert.

Wie sehr hängt die Zukunft von Logitech davon ab, dass weiterhin viele Leute Ausrüstung für Video-Calls kaufen?

Faber: Das wird uns noch viele Jahre Rückenwind geben. Ein Grossteil der Firmen auf der Welt ermöglicht hybrides Arbeiten. Zwei Tage Arbeit pro Woche im Home-Office sind der Durchschnitt. Das Hybride bleibt. Und das ist gut für unser Geschäft, weil die Arbeitsplätze in den Firmen und daheim ausgerüstet werden müssen. Und unterwegs, denn wir arbeiten auch in Cafés, Restaurants, der Bücherei und an anderen Orten.

Becker: Ausserdem reduziert es den Bedarf für Geschäftsreisen. Video-Kooperation ist eine unglaubliche Möglichkeit, Geld zu sparen.

Manche Firmen beordern inzwischen die Mitarbeiter zurück ins Büro. Wie ist es bei Logitech?

Faber: Wir glauben sehr an hybrides Arbeiten. Wir schreiben niemandem etwas vor. Wir empfehlen nur, dass unsere Teams rund zwei Tage in der Woche im Büro sind. Wenn man eine starke Kultur entwickeln und Innovationen vorantreiben will, ist das wichtig. Aber es kommt darauf an: Unsere Entwickler sind häufiger im Büro, die Programmierer seltener.

Das hybride Arbeiten begann mit der Pandemie. Logitechs Umsatz schoss während Covid-19 in die Höhe und erreichte 5,5 Milliarden Dollar im Jahr 2022. Danach ging es wieder abwärts. Wird das Unternehmen je wieder solche Zahlen schreiben?

Becker: Natürlich war das eine sehr ungewöhnliche Zeit, als jeder sofort mehrere Webcams und Computermäuse benötigte. Aber jetzt sind wir sehr stolz, dass die Firma zurück auf Wachstumskurs ist.

Faber: Gemessen am Umsatz ist Logitech mehr als eineinhalb Mal so gross wie vor fünf Jahren, vor der Pandemie. Wenn es nach mir geht, werden wir sicher wieder in diese Höhen vorstossen. Unser Umsatz mit Gaming-Zubehör lag im letzten Quartal 2024 bereits nahe am Covid-Rekord.

Frau Faber, Sie sind seit etwas mehr als einem Jahr CEO von Logitech. Zuvor leiteten Sie das Lebensmittelgeschäft beim Konsumgüterriesen Unilever. Warum ist es offenbar kein Unterschied, ob man Tütensuppe oder Computerhardware verkauft?

Faber: Es ist ein Unterschied. Aber es gibt auch Gemeinsamkeiten. Man fängt immer beim Nutzer an, beim Konsumenten. Er ist der Chef. Da spielt es keine Rolle, ob er eine Suppe zubereitet oder ein Videokonferenz-System bedient.

Logitech ist das einzige Unternehmen im Schweizer Aktienindex SMI, das von zwei Frauen geführt wird. Warum?

Becker: Vielleicht sind wir beide die Letzten, die man das fragen sollte. Aber ich glaube, keine von uns definiert sich als weibliche Führungskraft, sondern nur als Führungskraft. Die Welt würde eindeutig von mehr Vielfalt in allen Führungspositionen profitieren.

Faber: Als ich zu Logitech kam, war ich etwas überrascht. Ich wusste nicht, dass ich derzeit die einzige Chefin im SMI bin. Das ist eine Ehre, aber es ist wichtiger, dass ich nicht die letzte bin.

Diversity-Themen haben es derzeit schwer. Besonders in den USA, besonders mit dem neuen Präsidenten Donald Trump. Beunruhigt Sie das?

Becker: Es ist wichtig, über Diversity zu reden. Wir sollten uns immer daran messen lassen, ob wir es schaffen, durch Vielfalt einen Mehrwert für uns und die Kunden zu schaffen. Aber die Vorteile sind offenkundig. Deshalb würde es mich beunruhigen, wenn wir nicht mehr darüber diskutieren. Das wäre ein grosser Schritt zurück.

Was sind die Vorteile von Vielfalt in einem Unternehmen?

Faber: Es gibt drei Bereiche. Wenn man die besten Leute einstellen will, muss man aus dem grössten Pool schöpfen. Jeder muss in dem Pool sein. Zweitens, wenn man die besten Leute halten möchte, muss jeder die gleichen Chancen haben, gut und fair bezahlt und nicht diskriminiert werden. Sonst werden die Leute gehen.

Und drittens?

Faber: Wenn man innovativ sein will, hilft es sehr, Männer und Frauen zusammenzubringen, Menschen verschiedener Nationalitäten, Ethnien und Hintergründe. Wir haben ein paar Produkte, die recht speziell sind, aber dennoch wichtig. Zum Beispiel Mäuse für Linkshänder oder für kleine Hände. Die hätten wir nicht, wenn bei Logitech nur grosse rechtshändige Männer arbeiten würden.

Sind Sie beide in Ihren Karrieren einmal diskriminiert worden, weil Sie Frauen sind?

Becker: Als ich 21 Jahre alt war und in den USA studierte, war ich die erste Präsidentin meiner Studentenschaft in über 200 Jahren. Da musste ich bei einigen Klubs als Rednerin bei Lunch-Anlässen auftreten. Zwei waren reine Männer-Klubs. Die musste ich durch die Küche betreten – und das hat mein Publikum überrascht. Eine gute Gelegenheit, es aufzuklären. Ein drittes Mal bin ich nicht durch die Küche.

Faber: Ich hatte Glück. Als ich meine Karriere bei Procter & Gamble begann, gab es dort nur wenige Frauen. Man fiel auf, besonders wenn man etwas gut machte. Ich habe das mehr als Vorteil denn als Nachteil gesehen. Natürlich dürfte es auch Nachteile gegeben haben. Mit denen müssen wir aber alle umgehen können.

Becker: Vieles hängt von der Sichtweise ab. Der Letzte, der zu mir sagte: «Das Leben ist nicht fair», war ein weisser Mann. Stimmt, das Leben ist nicht fair. Aber für mich stellt sich immer folgende Frage: Nutzt man das als Motivation, um etwas zu lernen und besser zu machen? Oder um sich runterziehen zu lassen?

Welchen Karriererat geben Sie jungen Frauen?

Becker: Hab keine Angst vor deinen Ambitionen. Es erstaunt mich immer wieder: Wenn Männer zu mir kommen, wollen sie oft über Gehaltserhöhungen und Beförderungen sprechen. Frauen kommen, um über Möglichkeiten zu reden, wie sie sich entwickeln können. Ich sage ihnen: Seid mutig, führt diese Gespräche, und kennt euren Wert.

Faber: Wir haben beide Töchter im Alter von 19 Jahren. Ich hoffe, dass sie sich nicht künstlich Grenzen setzen. Ich stamme aus den Niederlanden, wo es nie eine Regierungschefin gab. Bizarr. Als ich aufwuchs, war ein Premierminister für mich automatisch männlich.

Apropos Männer: US-Präsident Trump wird wahrscheinlich Zölle auf chinesische Einfuhren nach Amerika verhängen. Das würde Logitech treffen, weil das Unternehmen viel in China produziert. Wie gehen Sie mit dem Risiko Trump um?

Faber: Logitech hat schon vor der Pandemie die Lieferketten diversifiziert. Die Tage, als fast alle unsere Produkte aus China kamen, sind lange vorbei. Heute sind es etwas weniger als die Hälfte. Die USA sind unser grösster Markt, aber dort ist der China-Anteil nochmals geringer. Wir können ihn weiter senken, wenn es nötig ist.

Der frühere CEO Bracken Darrell trat im Juni 2023 überraschend ab, als das Geschäft sich nach der Pandemie schlechter entwickelte. Logitech hatte keinen Nachfolger vorbereitet. Frau Becker, waren Sie verantwortlich?

Becker: Bracken Darrell war zehn Jahre lang ein grossartiger Chef. Wir hatten einen Nachfolgeplan, und der sah immer einen Interims-CEO aus dem Verwaltungsrat vor. Der Plan führte schliesslich zur Berufung von Hanneke Faber. Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden.

Daniel Borel, einer der Mitgründer von Logitech im Jahr 1981, war nicht zufrieden. Er versuchte mehrere Male, Sie von der Verwaltungsratsspitze abzusetzen.

Becker: Herr Borel ist ein leidenschaftlicher Gründer, und er liebt Logitech. Ich bin eine leidenschaftliche Präsidentin und liebe Logitech. Manchmal hatten wir unterschiedliche Sichtweisen. Wir sind immer offen, ihn anzuhören, auch wenn es nicht immer persönlich befriedigend ist.

Sie kündigten im vergangenen Jahr an, im September 2025 zurückzutreten. Hatte Herr Borel also doch recht?

Becker: Nein. Ich fing im Jahr 2019 an und glaube fest an Amtszeitbegrenzungen. Es ist wichtig, dass Frau Faber in den kommenden fünf, sechs Jahren mit einem stabilen Vorsitz im Verwaltungsrat arbeiten kann. Die Amtszeitbegrenzung bei Logitech hätte mir das nicht erlaubt. Es war ein logischer Zeitpunkt für einen Wechsel.

In der Computerbranche spielt die Musik im Silicon Valley. Logitech hat eine sehr grosse Niederlassung in San Jose. Frau Faber, Sie sind jüngst von Lausanne dorthin gezogen. Welche Zukunft hat die Zentrale in Lausanne?

Faber: Wir sind stark in der Schweiz und insbesondere Lausanne verwurzelt. Die Qualität der Entwickler, die wir von der ETH rekrutieren, beeindruckt mich immer wieder. Im Silicon Valley sind viele Arbeitgeber auf Personalsuche. In der Schweiz bekommen wir die Crème de la Crème. Das ist ein echter Wettbewerbsvorteil, und so soll es auch bleiben. Schliesslich bringen wir jährlich mehr als vierzig neue Produkte auf den Markt.

Mäuse und Tastaturen sind immer noch ein grosser Teil des Geschäfts von Logitech. Ihre Grundfunktionen sind dieselben wie vor vierzig Jahren. Wo ist da die Innovation?

Faber: Eine vor vierzig Jahren entwickelte Maus kann man nicht mit einer heutigen vergleichen. Heute ist ihr Design grossartig, und sie steckt voll mit Software. Aber es stimmt: Der Erfolg von Logitech gründete auf der Maus. Was, wenn wir morgen keine Mäuse mehr brauchen? Welches neue Interface wird ihre Rolle übernehmen?

Der drohende iPhone-Moment für Mäuse und Tastaturen bereitet Ihnen schlaflose Nächte?

Faber: Ja – und das sollte er auch. Im Herbst haben wir einen Stift zur Bedienung von Meta-Headsets lanciert. Vielleicht werden Headsets den PC ablösen. Wer weiss? Allerdings habe ich auch schon dreissig Jahre alte Dokumente von Logitech gesehen, die das Ende der Computermaus für die nächste Woche vorhersagten. Wir waren immer paranoid. Aber das sollte unsere Innovation befeuern. Nur die Paranoiden überleben.

Bei Logitech läuft es wieder

bet. · Wer an einem Computer arbeitet, dürfte schon Logitech in der Hand gehabt haben. Der Konzern mit Sitz in Lausanne ist der weltweit führende Hersteller sogenannter Peripheriegeräte, darunter Mäuse, Tastaturen und Webcams.

Nach dem Auf und Ab der Pandemie geht es wieder nach oben: Logitech erwirtschaftete im wichtigen Weihnachtsquartal einen überraschend hohen Umsatz von 1,3 Milliarden Dollar. Für das Geschäftsjahr bis Ende März 2025 wird neu ein Umsatz von bis zu 4,6 Milliarden Dollar erwartet.

Zwei Frauen an der Spitze

Die 55 Jahre alte Hanneke Faber leitet seit Dezember 2023 die Geschäftsführung. Zuvor arbeitete die Niederländerin unter anderem bei den Konsumgüterkonzernen Unilever sowie Procter & Gamble. Ehrgeiz zeigte sie bereits als siebenfache niederländische Landesmeisterin im Turmspringen.

Berufen wurde Faber von Wendy Becker, der seit 2019 amtierenden Präsidentin des Verwaltungsrats. Die 59-jährige Amerikanerin war zuvor in der Telekombranche und bei McKinsey tätig, aber auch als Chefin des britischen Kleidungsherstellers Jack Wills. Sie gehört dem Leitungsgremium der Universität Oxford an.

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