Freitag, November 1

Peking drängt auf ein Abkommen, doch die Regierung Lula bleibt hart. Der Grund: Peking verspricht zu viel und bietet zu wenig.

Für Chinas aussenpolitische Ambitionen in Lateinamerika ist es eine herbe Enttäuschung, was Brasiliens oberster Diplomat gerade verkündet hat: Celso Amorim, aussenpolitischer Berater von Präsident Luiz Inácio Lula, erklärte, Brasilien werde derzeit kein Abkommen im Rahmen der Neuen Seidenstrasse mit China unterzeichnen. «Wir schliessen keinen Vertrag wie eine Versicherungspolice ab», sagte Amorim der Tageszeitung «O Globo». Brasilien sei aber weiterhin an einem Austausch mit China interessiert, der über den Handel hinausgehe. Es sei Teil der brasilianischen Vision, nicht von einem einzigen Lieferanten oder Partner abhängig zu sein.

Für Peking ist das eine schwere Niederlage. China hat in den vergangenen Monaten unermüdlich daran gearbeitet, die bevorstehende Südamerikareise seines Staatschefs durch das Abkommen mit Brasilien zu krönen.

Staatsbesuch in Brasilia

Denn in den nächsten Wochen werden sich Präsident Lula und Chinas Staatschef Xi Jinping voraussichtlich gleich dreimal innerhalb weniger Tage treffen: beim Apec-Forum der asiatischen und amerikanischen Pazifikanrainer in Peru Mitte November, direkt danach beim G-20-Gipfel in Rio de Janeiro und schliesslich bei einem Staatsbesuch des Chinesen in der brasilianischen Hauptstadt anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern.

Als Höhepunkt wurde in Brasilien dabei allgemein die feierliche Unterzeichnung des Abkommens erwartet. In Lateinamerika sind von den grossen Volkswirtschaften bisher neben Brasilien nur Mexiko und Kolumbien der Initiative nicht beigetreten.

Dass sich Brasilien nun dem Umarmungsversuch Chinas widersetzt, hat drei Gründe: Zum einen erwartete Brasilien von einem Abkommen ein deutliches Entgegenkommen Chinas, das über den bereits intensiven Handel und die chinesischen Investitionen hinausgehen würde. Brasilien möchte einen Technologietransfer und verlässliche Investitionszusagen, die China bisher weder angeboten hat noch garantieren will. China kündigt immer wieder gigantische Investitionsprojekte für Brücken, Häfen oder Eisenbahnverbindungen an, die dann regelmässig im Sande verlaufen.

Brasilien stört zunehmend Chinas Marktabschottung

Weiter hält China seinen Markt für brasilianische Technologieprodukte wie Embraer-Flugzeuge geschlossen. Bei der Partnerschaft gehe es nicht nur um den Kauf und Verkauf von Waren, sondern auch um Investitionen in China von in Brasilien hergestellten Produkten, kritisierte Amorim die chinesische Marktabschottung nun erstmals deutlich.

Schliesslich verhandelt Brasilien mit China aus einer Position der Stärke: China ist Brasiliens wichtigster Handelspartner. Doch anders als mit den meisten Staaten der Welt verzeichnet China mit der führenden Volkswirtschaft Lateinamerikas ein grosses Handelsbilanzdefizit. Brasilien liefert Nahrungsmittel, Öl und Erze nach China. Aufgrund der wachsenden Konfrontation mit den USA ist China zunehmend auf Nahrungsmittel- und Ölimporte aus Brasilien angewiesen.

Brasilien will wieder die Position eines Blockfreien in der Welt

Aussenpolitisch scheint sich Brasilien wieder stärker auf seine traditionell neutrale Position in der Weltpolitik zu besinnen. In der Gruppe der führenden Brics-Staaten haben nun Indien und Brasilien das Seidenstrassenabkommen nicht unterzeichnet. Sie bilden damit den demokratischen Block in der Staatengemeinschaft, der sich nicht von China vereinnahmen lassen will.

Inwieweit es Brasilien in Zukunft gelingen wird, weltpolitisch als «neuer» Blockfreier aufzutreten, wird nicht nur in Brasilia entschieden. Dies wird auch von politischen Entwicklungen wie den Wahlen in den USA oder dem Verlauf der Wirtschaftskrise in China abhängen.

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