Sonntag, Oktober 6

«Peinlich», «altbacken», hiess es, als die «Landfrauenküche» zum ersten Mal ausgestrahlt wurde. Jetzt läuft die 18. Staffel. Tatsächlich kommt vieles hölzern daher. Das macht den Charme der Sendung aus.

Als Hauptgang gibt’s Voressen, Spätzli und Gemüse. Ein Nachtessen, wie es in vielen Schweizer Familien auf den Tisch kommen könnte. Natürlich nicht ganz so wie bei Nauers in Schindellegi. Hier wird Fleisch von den eigenen Rindern serviert, die Eier für die Spätzli sind von den Hühnern, die man gackern hört, die Rüebli kommen aus dem Garten vor dem Haus. Und wenn Monika Nauer in der Küche ihres Bauernhofs die Sauce abschmeckt, schauen ihr rund eine halbe Million Menschen dabei zu.

Monika Nauer ist die erste Landfrau in der 18. Staffel von «SRF bi de Lüt – Landfrauenküche», die jetzt am Laufen ist. Seit 2007 gehört das Format ins Programm des Schweizer Fernsehens. Unangefochten, und das Rezept ist noch immer das gleiche wie am Anfang: Sieben Bäuerinnen aus verschiedenen Landesteilen kochen um die Wette. Am Freitagabend zur besten Sendezeit. In der Samstagabendshow, die die Staffel abschliesst, wird bekannt, wer am besten gekocht hat.

Felder, Berge, Seen

Das Kochen ist allerdings nur das eine. Und der Wettbewerb ist, gut schweizerisch, nur halb so wichtig. Der Hauptteil der Sendezeit gilt den Menschen. Den Frauen und ihren Familien. Dem Alltag mit seinen kleinen und grösseren Sorgen. Und dem Leben auf dem Land. SRF selbst bezeichnet «Landfrauenküche» als Wohlfühlsendung. Das ist sie: Bilder von weidenden Kühen und von Schweinen, die sich im Dreck suhlen. Felder, Berge, Seen. Die Bauernfamilie beim Misten, Ernten. Manchmal kommt ein Kalb auf die Welt.

«Für Freunde der Postkartenschweiz», urteilte der «Sonntags-Blick» nach der ersten Sendung im November 2007 und stufte den Unterhaltungswert als «gering» ein. Der Werber Frank Baumann packte den Zweihänder aus: Die Sendung erinnere «an ein unbeholfenes Homevideo der Zahnarzt-Exgattinnen-Selbsthilfegruppe vom Zürichberg», schrieb er in einer Kolumne. Die Bäuerinnen redeten in «beknackten Trudi-Gerster-Sätzen». Das Konzept sei «altbacken», dekretierte der «Sonntags-Blick» abschliessend, für Senioren halt.

Auch siebzehn Staffeln später kommt vieles hölzern daher. Das macht den Charme der Sendung aus. Hier sind nicht Promis vor der Kamera, die in jeder Situation ein unverbindliches Statement bereit haben. Keine Stars, die permanentes Selbstmarketing betreiben. Sondern ganz normale Menschen, die ganz normal reden. Wenn sie von der Regie nicht gezwungen werden, Dinge zu sagen, über die sie kein Wort verlieren würden, wenn kein Fernsehteam dabei wäre. Es klingt reichlich bemüht, wenn die Frauen auf der Fahrt zum Bauernhof hin und her rätseln, was die Kollegin wohl kochen wird. Und warum sich Monika und Dominik Nauer gegenseitig «Knuddel» nennen? Man müsste es nicht unbedingt wissen.

Die Sehnsucht der Städter

Natürlich, die «Landfrauenküche» kommt behäbig daher. Das Format war für Senioren gedacht. Mit der Reihe «SRF bi de Lüt» zielte die damalige Unterhaltungschefin Gabriela Amgarten auf ein Publikumssegment ab, um das sich Programmverantwortliche kaum kümmerten. Alle wollten die Jungen gewinnen. Schliesslich ging es darum, das Fernsehen in eine Zukunft zu retten, die nicht vom Fernsehgerät im Wohnzimmer, sondern von Smartphones und Social Media bestimmt ist.

Ob das gelingt, ist heute so ungewiss wie 2007. Und Amgartens Initiative, gegen den Trend die ältere Generation zu berücksichtigen, hat sich offensichtlich bewährt. Senioren sind ein treues Publikum. Sie sind mit dem Fernsehen aufgewachsen und nehmen sich Zeit, regelmässig ihre Lieblingssendungen zu schauen. Das zeigt die Statistik: Über Fünfundsechzigjährige sind die einzige Gruppe, deren Fernsehkonsum nicht rückläufig ist.

Mit dem Entscheid, ein Format zu schaffen, das sich vorwiegend an ältere Zuschauer richtet und die ländliche Schweiz spiegelt, hat sich SRF auch politisch Luft verschafft. Jahre bevor von «No Billag» und SRG-Halbierungsinitiative die Rede war. Den Vorwurf, zu links, zu aktivistisch und einseitig an den Interessen der urbanen Schweiz orientiert zu sein, kann man der «Landfrauenküche» nicht machen. Dieser Trumpf wird auch sorgsam bewirtschaftet: 2018 wurde ein zweites Landfrauen-Format geschaffen. In «Wenn Landfrauen reisen» besuchen zwei Bäuerinnen eine Bauernfamilie irgendwo im Ausland und begleiten sie durch ihren Alltag. Swissness und Multikulti in einem.

Zurück zum Ursprünglichen

Doch die Senioren sind bei weitem nicht die Einzigen, die den kochenden Landfrauen zuschauen. Auch Jüngere können dem Mix von unprätentiöser Kochsendung, Homestory und Schulfernsehen à la «Was gibt es auf dem Bauernhof?» einiges abgewinnen. Die «Landfrauenküche» profitiert von der Sehnsucht der Städter nach einem naturnahen Leben. Mit selbstgebackenem Brot, eigener Konfitüre und Kräutern aus dem Topf vor dem Fenster.

Die Landfrauen zeigen der Schweiz, wie bauern geht. Kurz vor der Lancierung der «Landfrauenküche» war das deutsche Magazin «Landlust» auf den Markt gekommen, das den Charme des Landlebens zelebriert. Wenige Jahre später kam das Schweizer Pendant «Landliebe» dazu. Mit grossem Erfolg. Beide haben Leserzahlen, um die sie Tageszeitungen nur beneiden können. Die Zuschauerzahlen der «Landfrauenküche» sind so gut wie bei wenigen Unterhaltungssendungen von SRF. 2023 waren im Durchschnitt 575 000 Zuschauerinnen und Zuschauer dabei.

«Zurück zur Natur, zum Ursprünglichen» wollten die Macher der Sendung vor siebzehn Jahren. Das scheint gelungen. Die «Landfrauenküche» zeigt den Alltag der Bauern mit Sinn für das Idyllische, aber ohne ihn zu verklären. Klar gibt’s Trachten, Jodelchor und Alpabzug. Aber die Realität wird nicht ausgeblendet. Zum Beispiel, dass fast alle Landwirte und Bäuerinnen einen Nebenjob brauchen, um das Einkommen aufzubessern.

«Peinlich», urteilte Frank Baumann nach der Premiere. Es sei ein Fehler gewesen, das anzuschauen. Die Unkenrufe, mit denen sie am Anfang bedacht wurde, haben der «Landfrauenküche» nicht geschadet. Es ist eines der erfolgreichsten Formate von SRF. Mehrere deutsche, eine kroatische und eine lettische Fernsehstation haben das im Leutschenbach entwickelte Konzept eingekauft. Dort läuft es gleich ab wie auf SRF. Woche für Woche. Jahr für Jahr. In der achtzehnten Saison ist bei der «Landfrauenküche» noch fast alles so wie in der ersten Sendung. Diese Woche kocht Fabienne Isenegger aus Aettenschwil. Genau, das liegt im Aargau.

«SRF bi de Lüt – Landfrauenküche», bis 11. 10. jeweils am Freitag, 20.05 auf SRF 1.

Exit mobile version