Donnerstag, Oktober 3

Die Inflation in den USA bleibt hartnäckig, die Hoffnungen auf Zinssenkungen verflüchtigen sich. Zudem haben die Spannungen im Nahen Osten zugenommen. Was bedeutet das für die ETF-Sektorstrategie von The Market?

Nach einem fulminanten Start ins neue Jahr ist die Börsenrally zum Quartalswechsel ins Stocken geraten. Zwar notiert das Gros der Aktienindizes nach wie vor im Plus, ein guter Teil der diesjährigen Avancen wurde allerdings zunichtegemacht.

Seit Anfang Jahr mussten die Erwartungen an Leitzinssenkungen durch die US-Notenbank (Fed) kontinuierlich angepasst werden, präsentiert sich die US-Wirtschaft doch überraschend widerstandsfähig, während der Rückgang der Inflation harzt. Spekulierten die Marktteilnehmer zum Jahresanfang noch auf sechs bis sieben Lockerungsschritte, sind sie mittlerweile schon froh, wenn das Fed den Leitzins in diesem Jahr überhaupt senken wird.

Der Zinsvorteil – andere Notenbanken wie die EZB oder die BoE dürften die Geldpolitik früher lockern, die SNB hat schon vorgespurt – verleiht dem Dollar Auftrieb, was den Märkten Liquidität entzieht. Gleichzeitig haben sich die geopolitischen Spannungen im Nahen Osten verschärft, was die Anlegerstimmung belastet.

Defensive Ausrichtung hat (noch) nicht funktioniert

Wie hat sich die ETF-Sektorstrategie von The Market in diesem Umfeld geschlagen? Seit dem letzten Update im November hat das Portfolio Basiskonsum-, Gesundheits-, Grundstoff- sowie Versorgeraktien im Vergleich zum MSCI World übergewichtet. Untergewichtet waren die Sektoren Finanz, Industrie, Kommunikationsdienste und Technologie.

Angesichts der im ersten Quartal ausgezeichneten Stimmung an den Märkten überrascht es nicht, dass die Strategie in dieser Phase an Terrain einbüsste. Mit der Zunahme der Nervosität ab April vermochte sie den Rückstand jedoch zu verringern. Während der SPDR MSCI World ETF (in $) seit Ende November um 10,2% zugelegt hat, weist die ETF-Sektorstrategie per Schlusskurs vom 24. April ein insgesamt leicht geringeres Plus von 10% auf. Seit der Lancierung im Januar 2022 steht einem Zuwachs von 13,9% des MSCI World (inkl. Dividenden) ein Anstieg von 12,8% der Sektorstrategie gegenüber.

Nun stellt sich die Frage, ob sich Anpassungen bei der Allokation aufdrängen. Neben dem konjunkturellen Umfeld spielen die Bewertung und das Sentiment eine entscheidende Rolle.

Steht ein neuer Aufschwung bevor?

Zwar hat sich die Stimmung an den Märkten zuletzt abgekühlt, gewisse Wirtschaftsindikatoren lassen allerdings eine Erholung im globalen Konjunkturzyklus erkennen. So senden beispielsweise die jüngsten Einkaufsmanagerindizes (Purchasing Manager Index, PMI) – sie gehören zu den verlässlichsten Frühindikatoren – ermutigende Signale. Der globale PMI ist jüngst über die Marke von 50 Zählern geklettert, womit er die Wachstumsschwelle überschritten hat.

Die Surprise Indices von Citigroup, die die jeweils publizierten Zahlen mit den Erwartungen vergleichen, bestätigen das Bild. Der Indikator für das Wachstum bewegt sich sowohl für die Industrie- als auch die Schwellenländer schon seit mehreren Monaten im positiven Bereich, die Wirtschaft wächst also stärker als von den Ökonomen erwartet.

Mit der besseren Wachstumsdynamik nimmt allerdings auch das Risiko einer hartnäckigeren Inflation zu. So verharrt der Inflation Surprise Index in den USA seit Jahresbeginn über der Nulllinie, sprich die Teuerung übertrifft die Erwartungen. In der Tat stockt der Rückgang der Teuerung auf der «letzten Meile», was den Hoffnungen auf mehrere Leitzinssenkungen durch die US-Notenbank einen deutlichen Dämpfer verpasst hat.

Risiko Ölpreisschock

Solange die Inflation eine Konsequenz des besseren Wachstums ist, sollten die Aktienmärkte einigermassen gut damit umgehen können. Ist sie jedoch Ausdruck eines knappen Angebots oder steigender Rohölnotierungen, wird die Ausgangslage anspruchsvoller.

«Konnte man zu Beginn des Jahres den Anstieg der Energiepreise noch auf eine Verbesserung der Wirtschaftstätigkeit zurückführen, sind die jüngsten Bewegungen hauptsächlich durch ein fallendes Angebot und eine erhöhte geopolitische Risikoprämie bedingt», meint Aktienstratege Mislav Matejka von JPMorgan. Das aber ist eine potenziell gefährliche Entwicklung, die zu einem grösseren Rückschlag an den Börsen führen könnte.

Glücklicherweise scheint sich die Lage im Nahen Osten zuletzt nicht weiter zugespitzt zu haben. Zwar griff Israel am Freitag eine iranische Luftwaffenbasis an, doch fiel die Antwort auf den Angriff des Irans vom 14. April insgesamt zurückhaltend aus, so dass wohl keine unmittelbare Reaktion von Seiten des Irans zu erwarten ist. Dennoch bleibt die Lage in der Region fragil.

In diesem Umfeld sind Rohstoffaktien attraktiv, da sie einerseits von einer Beschleunigung des Wirtschaftswachstums profitieren dürften und andererseits einen gewissen Schutz gegenüber einem Preisschub beim Rohöl oder bei Rohstoffen im Allgemeinen bieten. Zinssensitive Valoren dürften eher gefährdet sein.

Starker Dollar sorgt für Gegenwind

Eine weitere Gefahr geht vom Dollar aus, der zuletzt wegen der vorteilhaften Zinsdifferenz und des robusten US-Wachstums zur Stärke neigte. Ein steigender Dollar entzieht dem Weltfinanzsystem Liquidität und setzt alle Akteure, die sich in Dollar verschuldet haben, ihren Cashflow aber in einer anderen Währung erwirtschaften, unter Druck.

In der Regel entwickeln sich globale Aktien und der Dollar deshalb in die entgegengesetzte Richtung: Steigt der Dollar, fällt der MSCI World – und umgekehrt. Zuletzt hat sich jedoch eine Schere geöffnet, Aktien sind trotz härterem Greenback weiter nach oben geklettert. Wie lange Aktien der Dollar-Rally standhalten können, wird sich weisen.

Schere zwischen Dollar und Aktien hat sich geöffnet
Jahresveränderung des MSCI World (in %, l. Skala) und des Dollarindex (in %, invers)

Ungeliebte defensive Aktiensektoren

Auch wenn sich die Bewertungen in der Regel nicht eignen, um kurzfristige Anlageentscheide zu fällen, sollte man sie dennoch im Auge behalten. Erfahren gewisse Segmente allzu starken Auftrieb, so dass die Bewertungen kaum noch Spielraum für Enttäuschungen lassen, sollte dies in der Selektion berücksichtigt werden. Ebenso sollten Übertreibungen nach unten beachtet werden.

«Steigen die Anleiherenditen weiter, wäre dies negativ für Aktien, vor allem angesichts der bereits überzogenen Ausgangsbewertungen», warnt Mislav Matejka. Nachdem die Bondrenditen in den vergangenen Monaten wieder spürbar angezogen haben, haben Aktien insbesondere relativ zu Anleihen an Attraktivität eingebüsst. Die Differenz zwischen der Gewinnrendite (sie entspricht dem Kehrwert des Kurs-Gewinn-Verhältnisses) des MSCI World und der Rendite auf globale Staatsanleihen ist auf den niedrigsten Stand seit mehr als zwanzig Jahren gesunken.

Fed-Modell sendet ein Warnsignal
Differenz zwischen der Gewinnrendite des MSCI World und der Rendite auf globale Staatsanleihen (in Pp)

Wie sieht es auf der Stufe der globalen Aktiensektoren aus – welche sind derzeit günstig, welche sind teuer? Aufschluss gibt ein von The Market ermittelter Bewertungsindikator. Er umfasst fünf Kennzahlen – das Shiller-Kurs-Gewinn-Verhältnis, das vorwärtsgerichtete KGV, das Kurs-Umsatz-Verhältnis, das Kurs-Buchwert-Verhältnis sowie die Dividendenrendite –, die jeweils mit der Historie jedes Sektors verglichen und in ein Gesamtmass aggregiert werden. Es bewegt sich zwischen 0 und 100; je höher sein Wert, desto unattraktiver ist die Bewertung (in diesem Artikel wird die Konstruktion des Indikators erklärt).

Bloss drei der elf Sektoren handeln unter ihrer langfristigen mittleren Bewertung (was dem 50. Perzentil entspricht): Immobilien, Basiskonsum und Versorger. Sie sind im Vergleich mit ihrer eigenen Historie attraktiv bewertet. In einem angemessenen Rahmen bewegen sich zudem die Bewertungen der Branchen Energie, Gesundheit und Grundstoffe.

Ein nahezu perfektes Szenario preisen die Sektoren Technologie, Industrie und Kommunikationsdienste ein. Nur geringfügige Enttäuschungen haben das Potenzial, heftige Rückschläge auszulösen. Einen Vorgeschmack lieferte der Halbleiterkonzern ASML, der vor einer Woche mit seinem Quartalsresultat die Erwartungen verfehlte. Prompt sackten die Aktien im Tagesverlauf ab. Auch die Valoren von Meta Platforms brachen gestern nachbörslich zwischenzeitlich um rund 15% ein, weil das Unternehmen höhere Kosten für Investitionen in die künstliche Intelligenz ankündigte.

Unternehmen des zyklischen Konsums sind ebenfalls sportlich bewertet und vermögen damit aus einer Risiko-Rendite-Optik nicht zu überzeugen.

Sektorallokation: tendenziell defensiv und rohstofflastig

Was bedeutet das für die Sektorstrategie? Angesichts der anspruchsvollen Ausgangslage setzt The Market weiterhin auf eine Mischung aus attraktiv bewerteten defensiven Segmenten wie Versorger und Gesundheit sowie auf den Grundstoffsektor, der einen gewissen Inflationsschutz bietet und auch bei besserem Wachstum erfreulich abschneiden dürfte.

Technologie- und Kommunikationsaktien lassen eine adäquate Sicherheitsmarge vermissen und verdienen deshalb weiterhin ein Untergewicht. Zumal sich in der Branche ein Wettrüsten um die Vorherrschaft auf dem Feld der künstlichen Intelligenz abzeichnet, das hohe Kosten verursacht und die künftigen Renditen belasten dürfte.

Besser sieht es im Energiesektor aus, wo in den vergangenen Jahren weniger in neue Kapazitäten investiert wurde und die Kapitaldisziplin zugenommen hat. Das kann sich dereinst freilich wieder ändern. Die Bewertungen sind fair, und seit dem Einsetzen der breiten Börsenerholung im Herbst sind Energieaktien deutlich zurückgeblieben. Angesichts der Spannungen im Nahen Osten und dem dadurch steigenden Ölpreis zeigte der Sektor zuletzt allerdings wieder relative Stärke zum Weltaktienindex, was positiv zu werten ist. Da der Sektor auch einen gewissen Schutz bietet, falls die geopolitischen Spannungen zunehmen, wird sein Anteil im ETF-Sektorportfolio aufgestockt.

Zu diesem Zweck wird die ETF-Position auf den Energiesektor um 33 Anteile erhöht, im Gegenzug werden Aktien des zyklischen Konsums um 22 ETF reduziert. Schliesslich wurden die Branchen Basiskonsum (-21 ETF) und Finanz (+10 ETF) näher an die Gewichte des MSCI World geführt. Um das Portfolio auszugleichen, wurde ein Technologie-ETF verkauft.

Nach diesen Anpassungen sind Gesundheit, Versorger, Grundstoffe sowie Energie übergewichtet, Technologie, Kommunikationsdienste und Industrie sind untergewichtet, während die übrigen Branchen in etwa der Benchmarkgewichtung entsprechen. Neu sieht das Portfolio wie folgt aus:

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