Sonntag, Dezember 1

Die Köchin aus Ghana steht für eine New African Cuisine, die sie in diesem Jahr zum Beispiel in Zusammenarbeit mit dem Kreativkollektiv Steinbeisser in Basel vorführte sowie im «Nobelhart & Schmutzig» in Berlin

Sie betreiben in Accra Ihr Unternehmen Midunu und bieten neben Private Dinners auch nomadische Genusserlebnisse an. Was ist das Ziel?

Mit Midunu möchte ich das kulinarische Erbe Afrikas, kaum verwendete Zutaten sowie vergessene Rezepte zurück auf den Tisch bringen. Und vor allem ein breiteres Publikum für diese Küche begeistern.

Was verstehen Sie unter dem kulinarischen Erbe Afrikas?

Etwa, dass man auf dem gesamten Kontinent nie allein isst. Bei uns wird Essen immer geteilt. Kommt hinzu, dass wir hauptsächlich mit auf Pflanzen basierten Proteinen, also Bohnen, Nüssen und Samen, kochen. Ausserdem sind bei uns Gewürze die hauptsächlichen Geschmacksträger, wohingegen in der französischen Küche oft Fett, wie etwa Butter und Rahm, als Geschmacksverstärker eingesetzt wird.

Was erwartet Ihre Gäste dann konkret auf dem Teller?

Ich serviere zum Beispiel das Gericht «Kofi Brokeman» (zu Deutsch «Kofi armer Mann»). Es besteht aus gerösteten Kochbananen und Erdnüssen und heisst so, weil es sich jeder leisten kann. Sobald jemand aber in die Mittelklasse aufsteigt, hört er auf, es zu essen. Wenn ich das Gericht meinen Gästen serviere, wecke ich damit Erinnerungen aus ihrer Kindheit.

Was hat Sie dazu inspiriert, Midunu zu gründen?

In den Jahren vor Midunu leistete ich humanitäre Arbeit bei der Uno. Die meiste Zeit war ich in Afrika stationiert und bereiste über vierzig verschiedene Länder des Kontinents. Ich ass überall unglaublich gut. Die kulinarische Vielfalt faszinierte mich. Das wollte ich mit anderen Menschen teilen.

Was fasziniert Sie daran am meisten?

Dass die gleichen Zutaten in unterschiedlichen Ländern Afrikas vielfältig verwendet werden. In Westafrika gibt es beispielsweise ein Gericht aus Bohnen. Zuerst werden sie eingeweicht, dann geschält, gemixt und schliesslich frittiert. In Nigeria heisst das Gericht «Akara», in Senegal «Accara». Es gibt sogar ein ähnliches Gericht in Brasilien, wo es «Acaraje» genannt wird. Das zeigt, dass Lebensmittel zusammen mit den Menschen reisen.

Das Essen schafft also Verbindungen . . .

Ja, Essen und Kultur entwickeln sich gemeinsam. In Ghana besteht jedoch gerade die Gefahr, dass wir manche unserer traditionellen Gerichte aufgrund des hohen Imports von ausländischen Zutaten und der Veränderungen des Lebensstils aus Bequemlichkeiten verlieren. Ich möchte unsere einheimischen Produkte wieder begehrenswert machen.

Wie?

Zum Beispiel mit meinen Pralinés. Wir arbeiten mit Schokolade, die wir aus Kakaobohnen aus Ghana herstellen. Jedes Praliné ist mit Gewürzen eines afrikanischen Landes verfeinert. Zum Beispiel mit Ingwer, Hibiskus oder Kaffee. Verziert sind sie mit typischen afrikanischen Mustern, die man sonst auf unseren Textilien findet.

Im Gegensatz zu anderen Küchen scheinen die afrikanischen weniger verbreitet – wie ist Ihre Erfahrung damit?

Vor vielen Jahren besuchte ich beispielsweise die Kochakademie in den USA, das Culinary Institute of America. Es gab einen Kurs zur asiatischen, mediterranen, amerikanischen und zur französischen Küche. Über die afrikanische gab es keinen. Niemand hatte es sich bis dahin vorgenommen, sie in ein internationales Curriculum zu integrieren. Schliesslich musste ich es mir selbst beibringen.

Wie gelang Ihnen das?

Durch viele wunderbare Gespräche mit Tanten und Grossmüttern auf dem gesamten Kontinent. Ich nenne sie unsere kulinarischen Hüterinnen. Auch meinem Team sage ich, es soll Zeit mit Verwandten verbringen, um spezifische Techniken wie zum Beispiel das Fermentieren zu erlernen.

Wie verbreiten Sie dieses Wissen?

Ich hatte in den letzten Monaten die Möglichkeit, in unterschiedlichen Ländern zu kochen, so auch hier in Basel an einem Event mit dem Kreativkollektiv Steinbeisser, das mich zusammen mit der Zürcher Köchin Elif Oskan zum Kochen einlud.

Und wie könnte man die afrikanische Küchen in den eigenen Haushalt integrieren?

Sie könnten sich ein Kochbuch kaufen. Zum Beispiel eines des senegalesischen Kochs Pierre Chiam oder der britisch-nigerianischen Köchin Lopè Ariyo.

Wie reagieren Menschen aus Ghana auf Ihre Gerichte?

Als wir angefangen haben, reagierten die meisten etwas zögerlich. Sie wussten nicht genau, was sie erwartet. Manche haben das Gefühl, jemand verunstalte ihr Essen. Wenn sie es aber probieren, sind die Reaktionen eigentlich durchgehend positiv.

Was hat sich bisher verändert, seit Sie in die Gastronomie eingestiegen sind?

Als ich 2014 mit dem Kochen anfing, gab es praktisch keine einheimischen Köchinnen und Köche. In Restaurants kochten Expats. Heute gibt es mehr. Ganz allgemein glaube ich, dass die Neugier gegenüber der afrikanischen Küche gewachsen ist. Das zeigt sich auch an den vielen ausverkauften Anlässen, die ich in den letzten Monaten veranstalten durfte.

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