Die Präsidentin der Mitte-Frauen, Christina Bachmann-Roth, wünschte sich eine Frau als Nachfolgerin von Bundesrätin Viola Amherd und freut sich auf Philipp Matthias Bregy, der neuer Parteipräsident wird. Zu den Forderungen der Frauen sagt sie heute: «Ich habe wohl auch von der Dynamik bei den Bundesratswahlen gelernt.»
Der neue Präsident der Mitte ist ein Mann und heisst Philipp Matthias Bregy. Seine Wahl ist Formsache. Sind Sie zufrieden mit ihm?
Ja, absolut. Ich halte ihn für eine ausgezeichnete Wahl. Philipp Matthias Bregy verfügt über ein enormes politisches Gespür, er wird die ganze Partei mitnehmen, und er bringt alles mit, was man von einem Parteipräsidenten erwarten kann.
Dass er ein Mann ist, stört Sie nicht?
Nein, für mich ist Matthias Bregy definitiv die beste Kandidatur, die wir in der gegenwärtigen Situation haben könnten. Wenn die beste Wahl ein Mann ist, dann sehe ich das überhaupt nicht als problematisch an.
Vor der Bundesratswahl tönte das noch anders.
Ich habe mich vor der Bundesratswahl sehr klar für eine weibliche Kandidatur eingesetzt. Dies vor allem, weil nach dem Rücktritt von Viola Amherd nun nur noch zwei Frauen im Bundesrat vertreten sind. Beim Parteipräsidium hingegen habe ich mich bewusst zurückgehalten. Philipp Matthias Bregy steht als erfahrener Fraktionschef in der Pole-Position. Er ist die richtige Person für dieses Amt und dagegen anzurennen, ergibt wenig Sinn. Ich habe wohl auch von der Dynamik bei den Bundesratswahlen gelernt.
Als Favorit für den Bundesrat galt lange der heutige Parteichef Gerhard Pfister. Auffällig viele Mitte-Frauen äusserten sich kritisch. Das hat der Partei geschadet. War diese Kritik strategisch platziert, oder erhielten die Frauen einfach viel mediale Aufmerksamkeit?
Ich bin überzeugt, dass die Partei am Schluss gestärkt aus diesen Bundesratswahlen herausgekommen ist. Darin, wie die Diskussion lief, sehe ich jedoch ein generelles gesellschaftliches Phänomen.
Nämlich?
Es ist leider immer noch so, dass Frauen in exponierten Positionen mehr leisten müssen als Männer, um respektiert zu werden. Sowohl vor der Wahl in den Bundesrat als auch vor der Wahl ins Parteipräsidium wurden vor allem die Namen von Männern genannt – innerhalb der Partei wie ausserhalb. Deshalb wollten viele Frauen öffentlich daran erinnern, dass die Mitte viele fähige Frauen hat. Selbstverständlich reicht es nicht, über Frauenkandidaturen zu sprechen, die Frauen müssen dann auch wollen.
Ist die Mitte eine Männerpartei?
So würde ich das nicht formulieren. Es ist eine Tatsache, dass Frauen sich in bürgerlichen Parteien stärker beweisen müssen als in linken. Diese Herausforderung ist uns bewusst. Natürlich gibt es innerhalb unserer Partei auch viele Männer, die sich explizit für Frauenförderung einsetzen.
Das nächste freie Amt, das es für eine Mitte-Frau zu erobern gäbe, wäre das Präsidium der Bundeshausfraktion.
Eine Frau an der Spitze der Fraktion wäre wichtig für die Balance innerhalb der Partei. Wenn die Mitte eine Frau im Fraktionspräsidium und einen Mann als Parteipräsidenten hat, zeigen wir eine ausgewogenere Vielfalt und erreichen gleichzeitig eine Verjüngung der Führungsebene.
Als Favoritin gilt die Zürcher Nationalrätin Yvonne Bürgin. Sind Sie zuversichtlich, dass eine Frau gewählt wird?
Ja, es gibt in der Partei klare Signale, die darauf hindeuten, dass eine Frauenkandidatur breit unterstützt würde. Auch ich wünsche mir ausdrücklich eine Frau.
Vor der Bundesratswahl haben sich alle Frauen, die als Kandidatinnen gehandelt wurden, zurückgezogen, bei der Wahl ins Parteipräsidium war es dasselbe. Wollen die Mitte-Frauen überhaupt politische Ämter einnehmen?
Natürlich! Bei der Bundesratswahl war es ja nicht grundsätzlich schwierig, Frauen zu finden. Im Laufe des Nominationsverfahrens haben sich dann viele Frauen ganz bewusst zurückgenommen – wie im Übrigen noch mehr Männer. Am Schluss waren noch zwei Männer im Rennen: Markus Ritter und Martin Pfister.
Und bei der Wahl ins Präsidium?
Beim Präsidium stand die Geschlechterfrage weniger im Vordergrund. Philipp Matthias Bregy ist ein starker Kandidat, auch deshalb haben sich andere Interessenten und Interessentinnen am Schluss zurückgezogen.
Ein ewiger Streitpunkt in Ihrer Partei ist das Generalsekretariat. An den Vorwürfen gegen die scheidende Parteisekretärin waren auch Mitte-Frauen beteiligt. Wie soll es da weitergehen?
Ich halte es für sehr wichtig, dass das neue Präsidium dafür sorgt, dass beim Generalsekretariat Ruhe einkehrt. Die vielen Wechsel an der Spitze der Partei und im Sekretariat zweieinhalb Jahre vor den nationalen Wahlen sind eine Herausforderung, aber auch eine Chance für einen Neuanfang.
Der neue Kurs der Mitte ist sozialer und etwas linker als der alte – braucht es da die Frauen überhaupt noch?
Das ist eine berechtigte Frage. Vielleicht braucht es sie eines Tages nicht mehr. Aber heute kommen viele wichtige Impulse für bestimmte Themen wie die Familienzeit, Prostitution oder geschlechtsspezifische Medizin aus der Frauenpartei. Die Mitte hat in den Kantonen und Gemeinden jedenfalls erhebliche Fortschritte bei der Frauenförderung erzielt.
Können Sie Zahlen nennen?
Wir haben seit 2021 sieben Sektionen gegründet und die Zahl der Mitglieder um 27 Prozent gesteigert. Viele Frauen machen ihre ersten politischen Schritte gerne erst in einer Frauenpartei, bevor sie weitere erwägen. Diese Basisarbeit ermöglicht es uns, eine breitere Auswahl an geeigneten Kandidatinnen für höhere Ämter bereitzustellen. Wichtig sind dabei Netzwerke und die gezielte Förderung von Frauen, die wir sehr intensiv betreiben. Der Erfolg zeigte sich bisher vor allem auf kantonaler Ebene.
Wo genau?
Die Mitte besetzt in den Kantonen 16 Regierungssitze mit Frauen und 24 mit Männern. Das ergibt eine Frauenquote von 40 Prozent. Bei der SVP sind es 25, bei der FDP 27,3 Prozent. Nur bei den linken Parteien ist der Frauenanteil höher. Die SP besetzt wie die Mitte 16 Regierungssitze, hat aber weniger Mandate und kommt daher auf 55,2 Prozent.
Welche Wahl hat Sie besonders gefreut?
Am vergangenen Sonntag hat Appenzell-Innerrhoden mit Angela Koller die erste Frau Landammann gewählt. Sie ist auch Direktmitglied bei den Mitte-Frauen Schweiz. Im Wallis hat Franziska Biner im März bei den Regierungswahlen alle Männer hinter sich gelassen und ist jetzt die einzige Frau in der Regierung, in Uri hat Céline Huber eine Männerbastion geknackt, und in Solothurn erzielte Sandra Kolly in der Stichwahl das beste Resultat. Unsere gezielte Aufbauarbeit zahlt sich also klar aus und zeigt, wie wertvoll und effektiv unser Ansatz ist, Frauen konsequent aufzubauen und sichtbar zu machen.