Samstag, März 15

Antonio Pigafetta hat die erste Weltumsegelung beschrieben. Er erzählt von exotischen Pflanzen, Tieren und Menschen. Und von Europäern, die der Welt zeigen, welches die richtigen Götter sind.

Am 8. September 1522 lief die «Victoria» im Hafen von Sevilla ein. An Bord achtzehn Besatzungsmitglieder, halb verhungert, krank. Mehr als tausend Tage waren sie unterwegs gewesen. Zusammen mit vier weiteren Schiffen war die «Victoria» drei Jahre vorher in See gestochen, mit über zweihundert Mann. Unter Befehl von Generalkapitän Ferdinand Magellan segelten sie im Auftrag des spanischen Königs. Ziel: eine westliche Seeroute zu den Molukken zu finden, den sagenhaften Gewürzinseln in Ostasien.

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Die Molukken hatte die Expedition erreicht. Den Auftrag hatte sie nicht erfüllt. Wenigstens nicht ganz. König Carlos I. hatte verlangt, dass sich die Schiffe ausschliesslich in spanischen Gewässern bewegen. 1494 hatten Spanien und Portugal die Welt vertraglich unter sich aufgeteilt. In zwei gleiche Hälften. Im Atlantik verlief die Grenze auf dem 46. Längengrad, die Grenze im Pazifik war unklar. Mit Magellans Fahrt wollte der spanische König beweisen, dass die Gewürzinseln zumindest zum Teil in der spanischen Hälfte der Welt lagen.

Die Welt erkunden

Um Gefahren zu vermeiden, war die «Victoria» auf der Rückreise durch portugiesisches Gewässer gefahren – und hatte die Welt umrundet. Die anderen Schiffe hatten Schiffbruch erlitten, die Mannschaft war tot oder hatte sich abgesetzt. Magellan selbst war bei einem Handgemenge auf den Philippinen ums Leben gekommen. Den Triumph, die erste bezeugte Weltumsegelung geschafft zu haben, erlebte er nicht mehr. Allerdings war es auch nicht seine Absicht gewesen, um die Welt zu segeln. Er wollte Handelswege erschliessen, war mehr Unternehmer als Abenteurer.

Ein Abenteurer dagegen war Antonio Pigafetta. Im Spätsommer 1519 schiffte er sich auf Magellans Flotte ein. Aus Lust, die Welt zu erkunden. Von Seefahrt hatte der Patriziersohn aus Vicenza keine Ahnung. Nach Spanien gekommen war er als Sekretär einer diplomatischen Mission. Dort hörte er von der geplanten Expedition, beschaffte sich Empfehlungsschreiben, heuerte an. Und wurde engagiert. In der Mannschaftsliste figurierte er unter den «sobresalientes», den «Überzähligen», und stand dem Generalkapitän für besondere Aufgaben zur Verfügung.

Pigafetta hielt die Reise in seinem Tagebuch fest. Von Tag zu Tag machte er sich Notizen, schilderte den Alltag an Bord und die Abenteuer zu Land. Er beobachtete den Sternenhimmel, erzählte von Begegnungen mit fremden Menschen. Den Tupi in Brasilien zum Beispiel, den Tehuelche in Patagonien oder den Chamorros auf Guam. Er interessierte sich für alles, was es zu sehen gab, versuchte mit den Inselbewohnern zu reden, legte Wörterlisten über die patagonische und die malaiische Sprache an und hielt fest, wie sich die fremden Menschen kleiden, was sie essen und welche Bräuche sie pflegen.

Gott und die ewige Verdammnis

Von den Bewohnern von Verzin, dem heutigen Brasilien, weiss Pigafetta zu erzählen, dass sie bis zu hundertvierzig Jahre alt werden, Menschenfleisch essen und sich Körper und Gesicht mit Feuer bemalen – was ihm zu gefallen scheint. Er berichtet, wie Magellan die Bewohner der Insel Zubu, des heutigen Cebu auf den Philippinen, im Christentum unterweist: «Der Kapitän legte ihnen dar, wie Gott den Himmel, die Erde, das Meer und alle anderen Dinge erschaffen habe.» Von der ewigen Verdammnis spricht er selbstverständlich auch. Um am Ende zu betonen, man solle nicht aus Furcht Christ werden, sondern freiwillig.

Acht Tage später sind alle Einwohner der Insel getauft. Insgesamt mehrere hundert. Magellan empfand die Reise auch als Auftrag zur Mission, und wer im Dienst des Königs unterwegs war, durfte keine Zeit verlieren. Der König von Zubu und Magellan verbrüdern sich, die Spanier helfen den Eingeborenen, ein Dorf niederzubrennen, das sich dem König nicht fügt, und man sorgt zusammen mit den frisch bekehrten Christen für Ordnung. Dort, wo das Dorf stand, stellt man ein Kreuz auf: «Weil diese Leute Heiden waren.»

Nach der Ankunft in Sevilla übergab Pigafetta dem spanischen König, mittlerweile Kaiser Karl V., eine Abschrift seines Tagebuchs. Dieses ist verloren. Den Reisebericht, der jetzt in einer neuen Übersetzung vorliegt, verfasste Pigafetta ein, zwei Jahre später in Vicenza. Er erzählt farbig von einer Welt, die grösser war, als man je geahnt hatte. Von exotischen Pflanzen, Tieren und Bräuchen. Und von Europäern, die der Welt zeigen, welches die richtigen Götter sind.

Antonio Pigafetta: An Bord mit Magellan. Bericht über die erste Reise rund um die Welt 1519–1522. Vollständig übersetzt von Christian Jostmann. C.-H.-Beck-Verlag, München 2025. 221 S., Fr. 34.90.

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