Donnerstag, Oktober 10


Serientipp

Die Netflix-Serie «Anthracite» rührt mit der grossen Kelle an, was Ausstattung und Handlung angeht. Überzeugend ist vor allem die Schweizerin Noémie Schmidt in der Hauptrolle. Sie gefällt auch mit ihrem Stil.

Zugegeben, das Tempo der frisch lancierten französischen Netflix-Thriller-Serie «Anthracite» ist anspruchsvoll. Ständig werden Fährten gelegt, die sich dann doch wieder als falsch erweisen. Wer gut schien, ist böse, und es offenbaren sich Verwandtschaften, mit denen man trotz allen «Game of Thrones»-Erfahrungen nicht gerechnet hätte. Zum Finale hin wird es so wirr, dass online schon Artikel kursieren, welche die Verwicklungen aufdröseln.

Insgesamt überdreht

Aber die Geschwindigkeit, in welcher die Geschichte um Ida Heilman und Jaro Gatsi erzählt wird, macht auch deren Reiz aus. Die Schweizer Schauspielerin Noémie Schmidt, bekannt aus «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse», spielt die junge Frau auf der Suche nach ihrem Vater, einem Journalisten, der bei Recherchen zum Fall um einen rätselhaften Massenselbstmord einer Sekte plötzlich verschwindet.

Idas Charakter ist kompliziert, sozial unbeholfen und ab und an von durchaus nerviger Penetranz. Der Straftäter Jaro Gatsi, dargestellt vom französischen Schauspieler und Rapper Hatik, wird zu ihrem Verbündeten. Er möchte eigentlich alles richtig machen, aber nichts mag ihm gelingen. Und da ist ja noch die von Ida gegründete Online-Community «Idata», mit der sie Kriminalfälle löst, also sogenanntes Web-Sleuthing betreibt.

Paradiesvogel trifft Wintersport

Sowohl, was die Handlung betrifft, als auch, was die Ausstattung angeht: Es wird geschwelgt. Die altmodische Kulisse des fiktiven Bergdorfes Lévionna – gedreht wurde in den französischen Alpen – ist ein guter Kontrast zu den schnellen Schnitten und Überblendungen. Auch die Kostüme spielen mit Gegensätzen: Die funktionale Winterbekleidung der Bergler und Polizisten trifft auf Idas Paradiesvogel-Garderobe mit Eighties-Touch. Eine bunte Patchwork-Steppjacke kombiniert sie zu Band-Shirts und fies gemusterten Leggings.

Ein Fest zu Ehren der schwarzen Madonna bringt die Dorfbewohner in Ekstase. Tierfelle und -masken heben sich ab von den schlichten weissen Kitteln der Wissenschafter, die bei der Anthrazitmine im Dorf forschen und von den Dorfbewohnern für gesundheitliche Probleme verantwortlich gemacht werden. Sektenanhängerinnen in schwarzen Kutten, ein charismatischer langhaariger Anführer und Partygänger in Glitzerkleidung – alles ist hier möglich.

Ganz realistisch geht es in dieser Serie nicht immer zu. Das tut der Spannung von «Anthracite» aber keinen Abbruch. Es ist ein wilder Mix aus «Lola rennt», «The Wicker Men», «Le Chalet» sowie «True Detective» und ein Fest für die Augen.

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