The Market zeigt monatlich die Schweizer Unternehmen, die im Fokus der Leerverkäufer stehen. Diese setzen darauf, dass die Aktienkurse sinken werden. Im August steht ein neues Unternehmen auf der Liste.
Anfang August gab es ein heftiges, aber kurzes Beben an den Börsen. Doch zum Monatsende steht der Swiss Performance Index (SPI) wieder genau dort, wo er in den Monat angefangen hat.
Das gilt für den breiten Markt, nicht jedoch für die Aktien, die im Fokus der Leerverkäufer stehen. Das Spitzentrio des Monats August hat in Summe deutliche Werteinbussen hinnehmen müssen: DocMorris verlor im Monatsvergleich 17%, Meyer Burger brach 67% ein. Einzig die neu auf das Podest vorgerückten Titel von Swatch Group konnten sich fast halten.
Short-Seller leihen sich Aktien aus, verkaufen sie am Markt und hoffen, sich später günstiger mit den Titeln eindecken zu können, um sie dem Eigentümer zurückzugeben. Die Differenz aus dem Verkaufs- und dem Rückkaufkurs ist ihr Gewinn.
In der Schweiz werden die Short-Positionen nicht offiziell erfasst. The Market präsentiert deshalb im Monatsrhythmus die Erhebung von S&P Global Market Intelligence. Der Datenanbieter trägt das Volumen der ausgeliehenen Aktien zusammen.
DocMorris
Beim Spitzenreiter DocMorris erhöhen die Short-Seller ihre Wetten seit Anfang Jahr kontinuierlich. Mittlerweile hat der Anteil ausgeliehener Titel an der Gesamtzahl der ausstehenden Aktien 40% erreicht, womit sich die Quote seit März nahezu verdoppelt hat.
Die Versandapotheke leidet immer noch unter den Nachwirkungen ihrer offensiven und teuren M&A-Strategie. Das Unternehmen stand mit dem Rücken zur Wand, als sich in Deutschland die verpflichtende Einführung des elektronischen Rezepts verzögerte – DocMorris hatte ihre Strategie fast vollständig auf dieses Geschäft ausgerichtet.
Mittlerweile ist das E-Rezept in Deutschland da und DocMorris steht finanziell solide da. Seit dem Frühjahr verfügen sowohl die Schweizer als auch die deutsche Redcare Pharmacy über praktikable Lösungen, damit Kunden das E-Rezept einfach einlösen können. Doch weil DocMorris die Marketingausgaben massiv kürzen mussten, verlor sie schrittweise Marktanteile an die Konkurrentin.
The Market hielt Ende April fest, dass sich nun zeigen werde, wie gut die Wette mit dem E-Rezept aufgehe. Die Anfang August vorgelegten Halbjahreszahlen fielen jedoch enttäuschend aus, insbesondere beim Ausblick: Das Wachstumstempo soll sich auf 5 bis 10% verlangsamen und statt eines möglichen bereinigten Gewinns für 2024 wird nun auf Stufe Ebitda ein Verlust von rund 50 Mio. Fr. resultieren.
Die Short-Seller jedenfalls haben ihre Wetten gegen die Onlinapotheke im Nachgang der Zahlen gut 4% ausgebaut.
DocMorris hat allerdings auch Wandelanleihen ausstehend. Damit gibt es ausser der Spekulation auf einen sinkenden Kurs noch einen technischen Grund, Leerverkaufspositionen in den Aktien einzugehen: Wandelanleihen enthalten neben dem Zinscoupon eine Aktienkomponente. Investoren, die diese angesichts der starken Kursausschläge neutralisieren wollen, verkaufen die Aktien leer – ohne dabei aus Überzeugung auf einen sinkenden Kurs zu setzen. Dieser Mechanismus gilt ebenfalls für Meyer Burger und Idorsia, deren Valoren auf den Plätzen zwei und vier der Rangliste stehen.
Meyer Burger
Auch bei Meyer Burger haben die Short-Seller ausgebaut. Das Plus von 6% im Monatsverlauf bringt die Ausleihquote auf über 20%.
Die Börsenperformance des Herstellers von Solarmodulen gibt den Leerverkäufern schon lange recht. Allein seit Anfang Jahr haben die Aktien mehr als 95% eingebüsst. Auch der Reverse Split Anfang Juli, bei dem jeweils 750 Aktien zu einer zusammengefasst wurden, half nicht.
Die geplante Verlagerung der Modulproduktion in die USA ist teilweise gescheitert. Statt zwei Fabriken soll nur eine und diese in abgespeckter Form realisiert werden. Damit ist auch der angestrebte Deal mit einem US-Grosskunden geplatzt. Meyer Burger kann den Fabrikbau in der ursprünglichen Version nicht stemmen, da ein erhoffter Kredit nicht zustande kam.
Seit mehr als zehn Jahren schreibt das Unternehmen nun Verluste und erneut ist der Weg zur Profitabilität in weite Ferne gerückt – sehr zur Freude der Short-Seller.
Swatch Group
Seit März steht Swatch Group auf der Liste der zehn grössten Shorts. Nachdem die Leerverkäufer im Vormonat ihre Position deutlich ausgebaut hatten, ging der Anteil der ausgeliehenen Aktien im August leicht zurück. Dennoch rückten die Titel auf den dritten Platz vor.
Der Uhrenkonzern leidet seit mehreren Quartalen unter der schwachen Nachfrage nach Luxusgütern, vor allem in China, wo Swatch einen erheblichen Teil ihres Umsatzes erwirtschaftet.
Die Mitte Juli publizierten Zahlen zum ersten Halbjahr fielen miserabel aus. Gleichwohl hat der Konzern die Fertigung von Uhren nicht gedrosselt, im Gegenteil. Das Unternehmen produziert munter auf Halde. Die Börse reagierte harsch, der Aktienkurs viel auf das tiefste Niveau seit vier Jahren.
Swatch Group leidet zudem unter der schwachen Führung. CEO Nick Hayek schaltet und waltet in Biel, wie er will. Einen effektiven, unabhängigen Verwaltungsrat gibt es nicht. Das belastet die ohnehin gedrückte Bewertung der Swatch-Group-Papiere weiter.
Idorsia
Auf den vierten Platz abgerutscht ist Idorsia; beim Biotechnologieunternehmen sind noch knapp 18% der ausstehenden Aktien ausgeliehen.
Die Basler befinden sich seit rund einem Jahr in finanzieller Schieflage. Hauptgrund ist der unerwartet schleppende Verkauf des Schlafmittels Quviviq, das sich bisher nicht als erhoffter Umsatzbringer erwiesen hat. Im ersten Halbjahr 2024 hat das Mittel einen Ertrag von mageren 24 Mio. Fr. generiert.
Stand Ende Juni verfügte Idorsia über liquide Mittel in Höhe von 237 Mio. Fr., Ende März waren es noch 335 Mio. Fr. Gemäss Prognosen kann das Unternehmen mit dem Geld den operativen Betrieb nur noch bis ins erste Quartal 2025 aufrechterhalten. (Finanzierungs-)Lösungen müssen her.
Idorsia hat mit dem Blutdrucksenker Aprocitentan, der im Frühjahr die US-Zulassung erhalten hat, einen weiteren Pfeil im Köcher. Jedoch muss das Management um den neuen CEO André Muller erst zeigen, wie mit dem Medikament Geld verdient werden kann. Der ehemalige Finanzchef übernahm im Juni das Ruder von Gründer Jean-Paul Clozel. Für eine eigenständige Lancierung könnten die Mittel zu knapp sein, Kooperationen dürften nötig sein.
SIG Group
Unverändert den fünften Platz belegt SIG Group. Die Titel sind seit Mai 2023 im Abwärtstrend.
Grund für Wetten gegen den Hersteller von Getränkeabfüllanlagen war eine hohe Bewertung in Kombination mit einer Konsumflaute, die bei der Konkurrenz zu einer rückläufigen Nachfrage nach abgepackten Getränken führte, während die Gewinnmarge von SIG durch Übernahmen belastet wurde.
Nachdem SIG auch im ersten Quartal 2024 noch enttäuscht hatte, überraschte das Unternehmen mit den Zahlen für das zweite Quartal positiv. Zwar wurde die Jahresprognose leicht nach unten angepasst, jedoch hatte zuvor eine Gewinnwarnung in der Luft gelegen. Zudem fiel der Gewinn auf Stufe Ebitda besser aus als erwartet. Locker lassen die Short-Seller dennoch nicht, sie wetten mit 10% der ausstehenden Aktien auf einen sinkenden Kurs.
Komax
Stabil blieb die Short-Quote im August bei Komax mit knapp 8%.
Der Hersteller von Maschinen zur Kabelverarbeitung leidet vor allem unter dem kriselnden Automobilsektor, mit dem Komax rund 70% des Umsatzes erwirtschaftet. Zudem erschüttert die wachsende Dominanz chinesischer Elektroautohersteller die Marktverhältnisse, was auch die Aussichten von Schweizer Unternehmen trübt.
Im Juni schreckte Komax mit einer erneuten Gewinnwarnung auf. Die im August vorgelegten Halbjahreszahlen waren schwach: Der Auftragseingang sank 22%, der Umsatz 18%. Nach einem Gewinn von 40,7 Mio. Fr. im Vorjahr verblieb noch ein Überschuss von 2,5 Mio. Fr. Zudem verspricht der Ausblick auf das zweite Halbjahr kaum Besserung.
Barry Callebaut
Auch bei Barry Callebaut hat sich der Anteil leerverkaufter Aktien in den vergangenen vier Wochen kaum verändert.
Der weltgrösste Schokoladenproduzent muss mehrere Herausforderungen bewältigen: Unberechenbare Kakaopreise und die schwächelnde Konsumlaune belasten das Geschäft. Zudem steckt das Unternehmen in einer kostspieligen Restrukturierung, deren Erfolg sich erst im Laufe der nächsten Quartale abschätzen lässt.
The Market sieht Barry derzeit im perfekten Sturm – deutet das mit Blick auf die lange Frist aber als Chance. Auch die Börse hat wieder Mut gefasst: Seit dem Tief im April sind die Aktien zwischenzeitlich um 30% avanciert. Mitte Juli zeigte sich jedoch, dass das etwas vorschnell war. Barry hat noch einen langen Weg vor sich, auch wenn die Chancen gut stehen, dass der Konzern gestärkt aus dieser Krise hervorgeht.
Sensirion
Wie bereits im vergangenen Sommer, als Sensirion mit einer Gewinnwarnung aufgeschreckt hatte sowie nach der Publikation der Jahreszahlen im März setzen die Short-Seller nach einer Kurserholung im Juli und den tiefroten Halbjahreszahlen vom August verstärkt auf einen Kursrückgang beim Sensorenhersteller.
Mit einer Ausleihquote von 6% rücken die Aktien vom zehnten Platz im Vormonat auf den achten Rang vor.
Sensirion kämpft mit einer schwachen Nachfrage wegen unterschätzter und anhaltend hoher Lagerbestände bei den Kunden. Nach dem Verlust 2023 rechnet das Management für das laufende Jahr mit einer Marge von 5 bis 10% und damit nur mit der Hälfte dessen, was normalerweise drinliegt – dennoch sind die Aktien hoch bewertet.
Leonteq
Nach einer kurzen Absenz im Juli ist Leonteq zurück unter den grössten Schweizer Shorts.
Im vergangenen Jahr hatte Das Derivathaus den Markt bereits zweimal mit einer Gewinnwarnung aufgeschreckt. Letztlich fiel der Gewinn mit 20 Mio. Fr. noch tiefer aus als erhofft, und die Dividende wurde auf 1 Fr. klar unter das in Aussicht gestellte Niveau von 2 Fr. gekappt.
Zum Halbjahr gelang die Rückkehr zu einem kleinen Gewinn. Dafür überraschte das Unternehmen mit der Rücktrittsankündigung des langjährigen CEO und Mitgründers Lukas Ruflin.
Seither ist eine zaghafte Kurserholung im Gange. Diese wurde jedoch vor allem von Leerverkäufern genutzt, um ihre Leerverkaufspositionen um weitere 10% aufzustocken und damit auf einen weiteren Kursrückgang zu setzen.
Temenos
Neu auf Platz zehn taucht Temenos auf. Im Februar war der Entwickler von Bankensoftware vom Short-Seller Hindenburg angegriffen worden. Seither hat sich der Aktienkurs halbiert, obwohl das Unternehmen die Anschuldigungen auf der ganzen Linie entkräftet hat.
Geschadet haben die Vorwürfe nicht nur der Kursentwicklung, sondern auch dem operativen Geschäft: Kunden haben die Zusammenarbeit sistiert und der Halbjahresumsatz stagnierte. Zudem stiess die Ernennung des 65-jährigen Franzosen Jean-Pierre Brulard als Ersatz für den langjährigen CEO Andreas Andreades auf wenig Begeisterung. Die Short-Seller setzen seit August offenbar verstärkt darauf, dass sich an dieser Misere so bald nichts ändern wird.
Ausgeschieden aus den zehn am stärksten leerverkauften Schweizer Aktien sind im August Peach Property und Basilea.