The Market zeigt monatlich die Schweizer Unternehmen, die im Fokus der Leerverkäufer stehen. Diese setzen darauf, dass die Aktienkurse sinken werden.

Die Short-Seller an der Schweizer Börse haben im März im Vergleich zum Vormonat kräftig umgeschichtet: Meyer Burger, die monatelang die Spitzenposition unter den am stärksten leerverkauften Aktien eingenommen hatte, ist aus der Liste verschwunden.

Im Gegenzug tauchen vier neue Namen auf: Swatch Group, U-Blox, Sensirion und Swiss Prime Site.

Die Kapitalerhöhung von Meyer Burger haben die Short-Seller offensichtlich genutzt, um sich mit neuen Titeln des Solarunternehmens einzudecken, und haben damit ihre offenen Leerverkaufspositionen geschlossen.

Seit Meyer Burger im November die Spitzenposition der am stärksten leerverkauften Aktien an der Schweizer Börse eingenommen hat – das Unternehmen war schon zuvor viele Monate in der Liste präsent –, haben die Valoren rund 80% an Wert eingebüsst.

Short-Seller leihen sich Aktien aus, verkaufen sie am Markt und hoffen, sich später günstiger wieder mit den Titeln einzudecken, um sie dem Eigentümer zurückzugeben. Die Differenz aus dem Verkaufs- und dem Rückkaufkurs ist ihr Gewinn.

Anders als an anderen Kapitalmärkten werden in der Schweiz die Short-Positionen nicht offiziell erfasst. The Market präsentiert deshalb im Monatsrhythmus Erhebungen von S&P Global Market Intelligence. Der Datenanbieter trägt das Volumen der ausgeliehenen Schweizer Aktien systematisch zusammen.

Neu an der Spitze der am stärksten leerverkauften Schweizer Valoren steht im März eine alte Bekannte: DocMorris.

Den Aufstieg von im Vormonat Platz drei verdankt die Versandapotheke nicht nur dem Ausscheiden von Meyer Burger. Die Short-Seller haben ihre Wette gegen DocMorris im März zudem um ein Drittel auf fast 25% aller von ihr ausstehenden Papiere aufgestockt.

In den Monaten zuvor hatten sie den Druck auf DocMorris jeweils reduziert, seit sich im Höchst volle 40% ihrer Titel in den Händen von Short-Sellern befunden hatten.

Doch Mitte Juni hatte der deutsche Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mitgeteilt, das elektronische Rezept sei «endlich alltagstauglich». Ab 1. Januar 2024 solle es deutschlandweit obligatorisch werden für die Verordnung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. An diesem Tag machten die Aktien von DocMorris, für deren E-Rezept-Hoffnungen Deutschland der wichtigste Markt ist, einen Kurssprung um 24% und haben sich danach weiter rasant verteuert, in der Spitze auf nahezu 100 Fr.

Tatsächlich hat seit Jahresbeginn der Gebrauch von E-Rezepten in Deutschland signifikant zugenommen, was der Online-Apotheke in die Hände spielt. Bis zur Profitabilität ist es aber noch ein weiter Weg.

Das Resultat für 2023 fiel mit einem Verlust auf Stufe Ebitda von 38 Mio. Fr. zwar im Rahmen der Erwartungen aus. Es wurde allerdings gestützt durch den Verkauf des Schweizer Geschäfts. Der bei DocMorris verbliebene Versandhandel schrieb weiterhin einen Fehlbetrag in dreistelliger Millionenhöhe.

Zudem wurde das Ziel, den Verlust im laufenden Jahr einzudämmen, aufgeweicht. Statt einer schwarzen Null könnte es nun auch einen Verlust von bis zu 35 Mio. Fr. geben. Diese Gefahr animierte die Short-Seller, nun wieder verstärkt auf einen Kursrücksetzer zu spekulieren.

DocMorris hat allerdings auch Wandelanleihen ausstehend. Damit gibt es ausser der Spekulation auf einen weiter sinkenden Kurs noch einen technischen Grund, Leerverkaufspositionen in den Aktien einzugehen: Wandelanleihen enthalten neben dem Zinscoupon eine Aktienkomponente. Investoren, die diese angesichts der starken Kursausschläge neutralisieren wollen, verkaufen die Aktien leer – ohne dabei aus Überzeugung auf einen sinkenden Kurs zu setzen. Dieser Mechanismus gilt ebenfalls für Idorsia, Santhera und Basilea, deren Valoren die Plätze zwei, drei und fünf der grössten Short-Positionen einnehmen.

Unter massivem Druck steht derzeit Idorsia. Der Kurs des unprofitablen Pharmaunternehmens sinkt seit Monaten und hat im Jahresvergleich bis drei Viertel eingebüsst. Doch Ende Februar gab es ein kurzes Kursfeuerwerk, in dessen Verlauf sich der Aktienkurs verdoppelt hat.

Aufgeschreckt hatten die Short-Seller Gerüchte, wonach Idorsia kurz vor einem Deal stehen könnte. Er kam dann auch: Das Unternehmen kündigte an, gegen eine Bezahlung von 350 Mio. $ zwei fortgeschrittene Produktkandidaten teilweise an die US-Gesellschaft Viatris zu veräussern.

Ende März kam bereits die nächste positive Nachricht: Die US-Gesundheitsbehörde hat dem Blutdrucksenker Aprocitentan die Marktzulassung erteilt, mit der sich Idorsia potenziell ein Milliardengeschäft eröffnet. Allerdings dürfte für die Vermarktung das Geld knapp sein.

Der Grund, weshalb die Short-Seller bislang so stark auf einen weiter sinkenden Kurs von Idorsia gesetzt haben, ist einfach: Das Unternehmen verbrennt monatlich viel Geld – und dieses droht ihm auszugehen. Im Juli hatte Idorsia aus diesem Grund bereits ihr Asien-Pazifik-Geschäft für 400 Mio. Fr. verkauft. Nur einen Tag später gab sie bekannt, sie wolle die Kosten am Hauptsitz in Allschwil halbieren und die Investitionen in Forschung und Entwicklung erheblich reduzieren. Eine Woche später kappte sie den Rentabilitätsplan, der vorsah, bis 2025 profitabel zu werden.

Seither rechnen die Short-Seller damit, dass eine Kapitalerhöhung unumgänglich wird. Sie würde weiteren Druck auf den Aktienkurs ausüben und gleichzeitig genügend neue Aktien schaffen, mit denen sie ihre Leerverkaufspositionen schliessen könnten.

Ob ihr Kalkül aufgehen wird, ist jüngst jedoch unsicherer geworden. Nach den positiven Neuigkeiten dürfte sich die Finanzlage von Idorsia über das laufende Jahr hinaus stabilisiert haben – allerdings läuft im Juli eine Wandelanleihe über 200 Mio. Fr. aus. Die Short-Seller jedenfalls halten weiterhin an ihrer Wette gegen Idorsia fest.

Trotz einem Rückgang der Short-Quote um 13% ist Santhera diesen Monat um eine Position aufs Podest vorgerückt. Dies entgegen dem Fluss guter Nachrichten, den das Biotech-Unternehmen in letzter Zeit geliefert hat.

Am 20. Juni hatte es angekündigt, in einem Lizenzabkommen zum Nordamerikageschäft mit dem Wirkstoff Vamorolone von Catalyst Pharmaceuticals bis zu 250 Mio. $ zu lösen. Die Transaktion macht Santhera schuldenfrei und sichert die Finanzierung bis zum ersten Quartal 2025. Bereits zuvor hatten Short-Seller ähnlich gute Nachrichten von Santhera mit entsprechenden Kursavancen allerdings vor allem dazu genutzt, ihre Wetten auf einen späteren Rückschlag auszubauen.

Mit einer weiteren guten Nachricht – der Zulassung von Vamorolone in den USA – sind die Aktien im Oktober vorübergehend jedoch um 50% vorgeprescht. Danach bröckelte der Kurs zwar wieder, hat sich seither aber im Bereich von 10 Fr. stabilisiert.

Die Short-Seller jedoch bleiben hartnäckig und setzen weiterhin darauf, dass Santhera nochmals Kapital aufnehmen muss, bevor sie die Gewinnschwelle erreicht.

Stark ausgebaut haben die Leerverkäufer ihre Positionen im März bei SIG Group. Mit einem Leerverkaufsanteil von rund 6% rückt der Abfüll- und Verpackungsspezialist so vom zehnten Rang im Vormonat auf den vierten Platz vor.

Begonnen haben die Wetten gegen SIG Group, als ihre Titel im vergangenen Frühjahr mehr als 25% zugelegt hatten – zu viel in den Augen der Short-Seller. Sie setzen seither darauf, dass der Kurs sinkt.

Anlass für ihre Skepsis war die hohe Bewertung in Kombination mit einer Konsumflaute, die bei der Konkurrenz zu einer rückläufigen Nachfrage nach abgepackten Getränken geführt hat, während die Gewinnmargen von SIG gleichzeitig von Übernahmen belastet waren. Hinzu kam, dass SIG ihre Zahlen jeweils stark bereinigt präsentiert – und sich damit in ein besseres Licht rückt, als es gemäss Rechnungslegungsstandard möglich wäre.

Solche Anomalien ziehen oft Leerverkäufer an, die darauf wetten, dass sich diese Differenz irgendwann im Kurs niederschlagen wird – zu Recht, wie der Verlauf im letzten Jahr gezeigt hat.

Doch mit den jüngst vorgelegten Gesamtjahreszahlen von SIG Group haben sich die Abweichungen nun zugunsten der IFRS-Zahlen verbessert, und das Bild hat sich insgesamt aufgehellt. Entsprechend hat auch der Kurs im März um 15% angezogen.

Die Short-Seller trauen dem neuen Optimismus jedoch nicht. Sie haben ihre Positionen gegen SIG Group im Monatsverlauf gleich um mehr als ein Drittel aufgestockt, nachdem sie im Vormonat noch um 25% abgebaut hatten.

Praktisch unverändert residiert auf Platz fünf Basilea. Die Titel des Pharmaunternehmens finden sich immer wieder in der Liste der am meisten leerverkauften Aktien. Der Grund liegt mitunter darin, dass die Gesellschaft Wandelanleihen ausstehend hat, deren Kursrisiko mit Short-Positionen abgesichert wird.

Die Aktien des Basler Pharmaunternehmens mit einem zugelassenen Medikament gegen Pilzinfektionen sowie Hoffnungsträgern im Bereich Antibiotika befinden sich seit Herbst 2023 in einem erneuten Abwärtstrend. Mit der Vorlage von besseren Jahreszahlen als erwartet und einem optimistischen Ausblick hat der Kurs jüngst aber wieder angezogen.

Der prominenteste Neuzugang unter den am stärksten leerverkauften Schweizer Titeln ist Swatch Group. Die Short-Seller haben im März ihre Wette gegen den Uhrenkonzern um fast ein Drittel aufgestockt, was für Platz sechs reicht.

Auslöser dürfte die Warnung der französischen Konkurrentin Kering gewesen sein, wonach der Umsatz der Luxusmarke Gucci im ersten Quartal um 20% eingebrochen ist, hauptsächlich wegen einer schwachen Nachfrage aus China.

Swatch Group ist mit ihren Uhrenverkäufen stark von China abhängig, was für ihren Absatz nichts Gutes erwarten lässt. Bereits im Februar sanken die Schweizer Uhrenexporte um fast 4%, und das ebenfalls hauptsächlich wegen schlechter Nachfrage aus China.

Hinzu kommt, dass CEO Nick Hayek sich jüngst despektierlich gegenüber Finanzanalysten sowie Investoren gezeigt hat. Das dürfte die ohnehin gedrückte Bewertung der Swatch-Group-Papiere noch stärker belasten.

Unverändert auf Platz sieben findet sich Komax. Die Valoren des Herstellers von Kabelverarbeitungsmaschinen hatten im Januar nach einer Gewinnwarnung einen Dämpfer erhalten, der sie ins Blickfeld der Short-Seller gebracht hat.

Die Stimmung gegenüber dem Innerschweizer Unternehmen befindet sich derzeit auf einem Tiefpunkt. Doch im Gegensatz zu den Leerverkäufern sieht The Market genau deshalb sowie wegen der Lichtblicke, die im Automobilsektor zu erkennen sind, neue Chancen in den Titeln.

Einen Kursdämpfer erlitt im März auch U-Blox. Dies, nachdem sie von einer überraschend schwachen Nachfrage berichtet hat und sich neu auf das Kerngeschäft mit Positionierungschips konzentrieren will. Auch das drückt wegen Abschreibungen und geplanter Kosteneinsparungen auf den Gewinn und zwingt die Analysten dazu, ihre bisher zu optimistischen Annahmen nach unten zu korrigieren.

Für die Short-Seller hat das die Gelegenheit eröffnet, auf einen sinkenden Kurs zu setzen. Damit erscheint U-Blox mit einer Short-Quote von 5% als Neuzugang auf Platz acht.

Mit schwacher Nachfrage kämpft auch Sensirion. Beim Sensorenhersteller sind es unterschätzte und anhaltend hohe Lagerbestände bei Kunden, die erst Ende Jahr abgebaut sein dürften. 2023 resultierte deswegen gar ein Verlust. Auch für das laufende Jahr erwartet das Management eine Marge von lediglich 5 bis 10% und damit nur die Hälfte dessen, was normalerweise drinliegt.

Wie bereits im vergangenen Sommer, als Sensirion mit einer Gewinnwarnung aufgeschreckt hatte, setzen die Short-Seller mit 5% aller Akten erneut darauf, dass der Kurs weiter sinken wird.

Auf Platz zehn folgt mit Swiss Prime Site (SPS) der letzte Neuzugang. Immobilienvaloren sind bei Short-Sellern seit dem Zinsanstieg beliebt. Er übt gleich einen doppeltem Kursdruck auf die Anlageklasse aus: Erstens sinkt der Wert der Immobilien, und zweitens lässt er am Markt andere Verdienstmöglichkeiten entstehen als nur mit Dividendentiteln. Das schmälert die Beliebtheit, die Immobilienaktien während der Tiefzinsphase genossen.

Dazu gesellt sich die Furcht, dass wegen einer künftig sinkenden Nachfrage nach Büro- und Verkaufsflächen die Leerstandsquote steigen wird.

Auf solche Geschäftsimmobilien ist SPS fokussiert. Spezifisch hat sie noch das Risiko mit Globus. Angesichts der Pleite des österreichischen Immobilieninvestors René Benko ist weiterhin unklar, welche Zukunft die Warenhauskette Globus haben wird, die ebenfalls Teil seines Imperiums war. Globus ist an vier Standorten Mieterin von SPS: mit Verkaufsflächen in Genf, Lausanne und Luzern sowie einem Lagerhaus in Otelfingen.

Die Short-Seller haben ihre Wetten gegen SPS im Monatsverlauf jedenfalls um fast 50% auf gegen 4% aller Aktien aufgestockt, womit sie erstmalig unter den grössten Schweizer Shorts erscheint.

Ausgeschieden aus der Liste sind im März neben Meyer Burger die Papiere von Bachem, Interroll und Tecan.

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