Mittwoch, März 19

The Market zeigt monatlich die Schweizer Unternehmen, die im Fokus der Leerverkäufer stehen. Diese setzen darauf, dass die Aktienkurse sinken werden.

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Im Februar bleibt das Trio der am meisten leerverkauften Schweizer Aktien dasselbe: Meyer Burger, Idorsia und DocMorris.

Was diese aber unterscheidet: Im Spitzenreiter Meyer Burger haben die Short-Seller ihre Positionen weiter auf mittlerweile mehr als 26% aller vom Unternehmen ausstehenden Aktien erhöht; bei den anderen beiden Valoren wurden die Positionen reduziert.

Neu auf die Liste der grössten Schweizer Shorts geschafft haben es Komax, Bachem und Interroll.

Short-Seller leihen sich Aktien aus, verkaufen sie am Markt und hoffen, sich später günstiger wieder mit den Titeln einzudecken, um sie dem Eigentümer zurückzugeben. Die Differenz aus dem Verkaufs- und dem Rückkaufskurs ist ihr Gewinn.

Im Gegensatz zu anderen Kapitalmärkten werden in der Schweiz die Short-Positionen nicht offiziell erfasst. The Market präsentiert deshalb im Monatsrhythmus Erhebungen von S&P Global Market Intelligence. Der Datenanbieter trägt das Volumen der ausgeliehenen Schweizer Aktien systematisch zusammen.

Das Solarunternehmen Meyer Burger ist zwar in einem scheinbar höchst attraktiven Themenfeld aktiv. Um den Klimawandel zu bekämpfen, braucht es Investitionen in erneuerbare Energien. Dabei lassen die Produktionsstätten in Europa und den USA den Hersteller von Solarpaneelen auch aus geopolitischen Überlegungen gut positioniert erscheinen.

Doch so einfach ist es nicht, in diesem Geschäft zum Erfolg zu gelangen: Seit mehr als zehn Jahren schreibt das Unternehmen Verluste. Ausserdem hat es im Januar gewarnt, dass es im vergangenen Jahr noch schlechter gelaufen sei als befürchtet. Genau so, wie bereits regelmässig zuvor: Anfang März, Ende Sommer und bei der letzten Ergebnisvorlage. Für das Geschäftsjahr 2023 steht derzeit ein Umsatz von rund 135 Mio. Fr. und ein fast ebenso hoher Betriebsverlust auf Stufe Ebitda von mindestens 126 Mio. Fr. in Aussicht.

Chinesische Billigkonkurrenz und ein Überangebot drücken im Solarmarkt auf die Preise und verhindern bisher, dass Meyer Burger auf einen grünen Zweig kommt. Deshalb hält das Unternehmen emsig Ausschau nach staatlichen Subventionen.

Zu diesem Zweck plant der Solarmodulhersteller seine Zelte in Deutschland abzubrechen und die Produktion in die USA zu verlegen – und zur Freude der Short-Seller braucht Meyer Burger dazu ein weiteres Mal frisches Geld.

Vergangene Woche hat das Unternehmen angekündigt, sich insgesamt rund 450 Mio. Fr. zur Schliessung der Finanzierungslücke zu sichern, bis ein positiver Cashflow erwartbar sei. Davon sollen 200 Mio. bis 250 Mio. Fr. über eine Kapitalerhöhung beschafft werden.

Meyer Burger hat allerdings auch Wandelanleihen ausstehend. Damit gibt es ausser der Spekulation auf einen weiter sinkenden Kurs auch noch einen technischen Grund, um Leerverkaufspositionen in den Aktien einzugehen:

Wandelanleihen enthalten neben dem Zinscoupon eine Aktienkomponente. Investoren, die diese angesichts der starken Kursausschläge neutralisieren wollen, verkaufen die Aktien leer – ohne dabei aus Überzeugung auf einen sinkenden Kurs zu setzen. Dieser Mechanismus gilt ebenfalls für Idorsia, DocMorris, Santhera und Basilea, deren Aktien die Plätze zwei, drei, vier und sechs der grössten Short-Positionen in der Schweiz einnehmen.

Unter massivem Druck steht derzeit auch Idorsia. Der Kurs des unprofitablen Pharmaunternehmens sinkt seit Monaten und hat im Jahresvergleich bis zu 90% eingebüsst, allein ein Drittel davon seit Anfang Jahr.

Doch am Montag gab es ein kurzes Kursfeuerwerk, in dessen Verlauf die Titel um 45% in die Höhe schossen, ehe sie wieder nachgaben.

Den Grund orten Marktteilnehmer in der Schliessung von Short-Positionen – gemäss den Daten von S&P Global Market Intelligence sank der Anteil ausgeliehener Aktien im Wochenvergleich um 6% auf 23%.

Aufgeschreckt haben die Short-Seller Gerüchte, dass Idorsia kurz vor einem Deal stehen könnte – entweder durch den Verkauf von Produktekandidaten, für eine Mittelbeschaffung oder dass der Unternehmensgründer Jean-Paul Clozel das Unternehmen von der Börse nehmen könnte.

Der Grund, weshalb die Short-Seller bislang so stark auf einen weiter sinkenden Kurs von Idorsia gesetzt haben ist einfach: Das Unternehmen verbrennt monatlich viel Geld – und dieses droht ihm im April auszugehen.

Im Juli hat Idorsia aus diesem Grund ihr Asien-Pazifik-Geschäft für 400 Mio. Fr. verkauft. Nur einen Tag später kündigte das Unternehmen an, es wolle die Kosten am Hauptsitz in Allschwil halbieren und die Investitionen in Forschung und Entwicklung erheblich reduzieren. Eine Woche später kappte das Unternehmen den Rentabilitätsplan, der vorsah, bis 2025 profitabel zu werden.

Seither rechnen die Short-Seller damit, dass eine Kapitalerhöhung unumgänglich wird. Sie würde weiteren Druck auf den Aktienkurs ausüben und gleichzeitig genügend neue Aktien schaffen, mit denen sie ihre Leerverkaufspositionen schliessen könnten.

Ob ihr Kalkül aber aufgehen wird, ist jüngst unsicherer geworden.

Deutlich nachgelassen hat im Februar der Abgabedruck auf DocMorris. Die Leerverkaufsquote ging um 20% auf gut 18% zurück. Im Juni befanden sich noch volle 40% der Aktien der Schweizer Versandapotheke in den Händen von Short-Sellern.

Doch Mitte Juni hatte der deutsche Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angekündigt, das elektronische Rezept sei «endlich alltagstauglich». Ab 1. Januar 2024 sollte es deutschlandweit obligatorisch werden für die Verordnung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.

An diesem Tag machten die Aktien von DocMorris, für deren E-Rezept-Hoffnungen Deutschland der wichtigste Markt ist, einen Kurssprung um 24% und haben sich danach weiter rasant verteuert bis in der Spitze auf nahezu 100 Fr.

Tatsächlich hat seit Jahresbeginn der Gebrauch von E-Rezepten in Deutschland massiv zugenommen, was der Online-Apotheke in die Hände spielt.

Auch einige Short-Seller scheinen inzwischen nicht mehr auszuschliessen, dass DocMorris nach langen Verzögerungen bei der Einführung des E-Rezepts doch noch erfolgreich ist. Sie haben ihre Wetten auf einen neuerlichen Rückschlag kontinuierlich abgebaut.

Weiterhin auf Platz vier rangiert Santhera. Das Biotechunternehmen hat am 20. Juni angekündigt, in einem Lizenzabkommen zum Nordamerikageschäft mit dem Wirkstoff Vamorolone von Catalyst Pharmaceuticals bis zu 250 Mio. $ zu lösen. Die Transaktion macht Santhera schuldenfrei und sichert die Finanzierung bis ins erste Quartal 2025.

Bereits zuvor hatten Short-Seller ähnlich gute Nachrichten von Santhera mit entsprechenden Kursavancen allerdings vor allem dazu genutzt, ihre Wetten auf einen späteren Rückschlag auszubauen.

Mit der Zulassung von Vamorolone in den USA im Oktober sind die Aktien vorübergehend jedoch um 50% vorgeprescht. Im November bröckelte der Kurs zwar bereits wieder, hat sich seither aber im Bereich von 10 Fr. stabilisiert.

Die Short-Seller haben ihre Wetten auf einen erneut sinkenden Kurs im Monatsverlauf denn auch weiter um 13% reduziert. Mit einer Leerverkaufsquote von knapp 11% setzen sie aber weiterhin darauf, dass Santhera nochmals Kapital aufnehmen muss, bevor die Gewinnschwelle erreicht ist.

Deutlich aufgestockt haben die Short-Seller ihre Positionen in Tecan. Der Laborausrüster stieg von Platz neun im Vormonat neu auf den fünften Rang.

Die Aktien von Tecan hatten in der Pandemie zum Höhenflug angesetzt. Mit dem Wegfall des damals erzielten Zusatzumsatzes wurde die Avance danach wieder preisgegeben. Nach dem Kursrücksetzer zählen die Valoren unter Schweizer Fondsmanagern nun zu den Favoriten für das laufende Jahr, und auch The Market sieht in Tecan Potenzial.

Nach der jüngsten Kursrally und dem Vorpreschen um mehr als ein Drittel seit Anfang November halten die Short-Seller nun aber dagegen: Sie haben im Dezember rund 5% der Aktien erworben, in der Erwartung, dass der Kurs zumindest vorerst wieder sinken wird. Daran halten sie weiter fest und haben ihre Position im Februar um fast 13% auf neu gut 6% aller Aktien aufgestockt.

Unverändert auf Platz sechs residiert Basilea. Die Titel des Pharmaunternehmens finden sich immer wieder in der Liste der am meisten leerverkauften Aktien. Der Grund liegt mitunter darin, dass das Unternehmen Wandelanleihen ausstehend hat, deren Kursrisiko mit Short-Positionen abgesichert wird. Die Aktien des Pharmaunternehmens mit einem zugelassenen Pilzmittel sowie Hoffnungsträgern im Bereich Antibiotika befinden sich seit Herbst 2023 in einem erneuten Abwärtstrend. Mit der Vorlage von besser als erwarteten Jahreszahlen und einem optimistischen Ausblick hat der Kurs jüngst aber wieder angezogen.

Neu in der Liste der grössten Schweizer Shorts taucht im Februar Komax auf. Die Aktien des Verkabelungsspezialisten hatten im Januar nach einer Gewinnwarnung einen Dämpfer erhalten – und sie ins Blickfeld der Short-Seller gebracht. Die Stimmung gegenüber dem Unternehmen befindet sich derzeit am Boden.

Doch im Gegensatz zu den Leerverkäufern sieht The Market genau darin sowie in Lichtblicken, die der Automobilsektor aussendet, neue Chance in den Titeln.

Ein Wiedersehen bietet Bachem. Der hoch bewertete Auftragsfertiger für die Pharmaindustrie war im Oktober wegen Enttäuschungen bei der Marge sowie einer Zielanpassung wegen einer Bestellungskürzung in den Fokus der Short-Seller geraten.

Im Dezember waren die Aktien jedoch bereits wieder aus der Liste der am stärksten leerverkauften Schweizer Titel verschwunden. Nach der starken Kursentwicklung mit einem Plus von 20% allein im Februar sind sie aber zurückgekehrt und befinden sich auf Platz acht der Shortliste.

Am stärksten ausgebaut haben die Leerverkäufer im Februar ihre Wette auf einen sinkenden Kurs bei Interroll.

Das Unternehmen hat Ende Januar eine Gewinnwarnung abgesetzt. Die Leerverkaufsquote ist seither um fast 25% in die Höhe geschnellt, womit der Lagerlogistiker neu auf Platz neun erscheint.

Bislang ist das Kalkül der Short-Seller jedoch nicht aufgegangen. Entgegen ihrer Wette auf Kursverluste haben die Titel im Monatsverlauf mehr als 10% gewonnen.

Um fast 25% abgebaut haben die Leerverkäufer derweil ihre Positionen bei der SIG Group. Mit einem Leerverkaufsanteil von knapp unter 5% belegt der Abfüll- und Verpackungsspezialist nach dem fünften Platz im Vormonat nun den zehnten Rang.

Begonnen haben die Wetten gegen die SIG Group, als ihre Aktien im Frühjahr mehr als 25% zugelegt hatten – zu viel in den Augen der Short-Seller. Sie setzten seither darauf, dass der Kurs sinkt.

Anlass für ihre Skepsis war die hohe Bewertung in Kombination mit Gewinnmargen, die von Übernahmen belastet werden. Hinzu kommt, dass SIG die Zahlen stark bereinigt präsentiert.

So hob das Management zuletzt bei der Neunmonatspräsentation den bereinigten Gewinn hervor, der sich auf 223 Mio. € summierte. Gemäss Rechnungslegungsstandard IFRS waren es allerdings nur 137 Mio. €. Der freie Cashflow hatte sogar ins Minus gedreht. Solche Anomalien ziehen oft Leerverkäufer an, die darauf wetten, dass sich diese Differenz irgendwann auch im Kurs niederschlagen wird.

Mit den jüngst vorgelegten Gesamtjahreszahlen haben sich die Abweichungen nun aber zugunsten der IFRS-Zahlen verbessert: Zudem liegt auch der Kurs nun fast 30% unter dem Höchst vom Mai 2023. Angesichts dieser neuen Ausgangslage scheinen die Short-Seller nun begonnen zu haben, ihre Wetten auf einen weiter sinkenden Kurs zu schliessen.

Ausgeschieden aus den grössten Short sind im Februar übrigens drei Börsenwinzlinge: Wisekey, Newron und Kuros.

Freundlich grüsst im Namen von Mr Market

Ruedi Keller

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