Mittwoch, Februar 5

Die viertgrösste Volkswirtschaft der EU gibt von allen Nato-Partnern am wenigsten für Verteidigung aus. Damit bietet das Land eine perfekte Angriffsfläche für Donald Trump – zu Recht?

Spanien? Eine Brics-Nation? Mit diesen Worten versetzte Donald Trump Madrid in Aufruhr. Als der amerikanische Präsident bei seiner Amtseinführung auf Länder angesprochen wurde, die das 2-Prozent-Ziel der Nato nicht erreichten, erklärte er: «Spanien ist sehr tief. Es ist eine Brics-Nation. Wissen Sie, was eine Brics-Nation ist?» Damit stellte er das Land in eine Reihe mit Schwellenländern wie Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. In Madrid reagierte man pikiert: Spanien sei keine aufstrebende Wirtschaftsnation, sondern eine etablierte Industrienation. Zudem, so die verärgerte Klarstellung, stehe das S in Brics für Südafrika – nicht für Spanien.

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Auf den eigentlichen Vorwurf – dass Spanien bei den Verteidigungsausgaben das Schlusslicht unter den 32 Nato-Partnern bildet – reagierte die Regierung zunächst nicht. Erst mit Verzögerung äusserte sich Ministerpräsident Pedro Sánchez am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos: Spanien werde das 2-Prozent-Ziel der Nato demnächst erfüllen.

Doch «demnächst» bedeutet 2029. Erst in vier Jahren plant seine Regierung, die geforderte Marke zu erreichen. Spanische Medien spekulieren bereits, dass selbst dieses Ziel kaum zu erreichen sein wird. Derzeit gibt Spanien 19,7 Milliarden Euro für Verteidigung aus. Das entspricht 1,28 Prozent des BIP. Um die geforderten 2 Prozent zu erreichen, wären schon jetzt rund 10 Milliarden Euro zusätzlich nötig.

Spanien tut sich nicht nur bei den Verteidigungsausgaben schwer, sondern hinkt auch bei den Ukraine-Hilfen hinterher. Trotz seiner Wirtschafts- und Rüstungskraft gehört es in Europa zur Schlussgruppe, zusammen mit Staaten wie der Schweiz, Malta, Zypern, Portugal und Irland.

Schöne Bilder der Kronprinzessin reichen nicht

Das steht in starkem Kontrast zu den öffentlichen Unterstützungserklärungen des Regierungschefs Pedro Sánchez für die Ukraine und die Nato. Tatsächlich fehlt Sánchez aber der politische Anreiz, schönen Worten entschlossene Taten folgen zu lassen. Aussenpolitisch kann sich das Land an Europas Westrand oft hinter stärkeren Nato-Partnern wie Grossbritannien, Deutschland, Frankreich oder Polen verstecken. Es wird ermahnt, dann aber schnell vergessen.

Innenpolitisch bleibt insbesondere das linke Lager, das der Sozialist Sánchez anführt, auch fünfzig Jahre nach dem Ende der faschistischen Franco-Diktatur tief misstrauisch gegenüber einem massiven Ausbau des Militärs. Zwar gab jüngst eine Mehrheit der Spanier in Befragungen an, ein positives Bild ihrer Streitkräfte zu haben. Aufnahmen der Kronprinzessin Leonor, die in Uniform durch den Staub robbt oder Schiffsmasten erklimmt, werden wochenlang gefeiert. Auch Hilfslieferungen an die Ukraine sind unumstritten.

Dennoch findet sich unter den Spanierinnen und Spaniern derzeit keine klare Mehrheit für eine schnellere Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Selbst die konservative Opposition spricht sich nicht ausdrücklich dafür aus. Denn bei den Spaniern ist es weitaus beliebter, öffentliche Mittel in Wohnungsbau, die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und in das Gesundheits- und Bildungssystem zu investieren – statt in Panzer und Kampfjets.

Daran hat sich nichts geändert, selbst jetzt, da das einst krisengeplagte Land mit einem prognostizierten Wirtschaftswachstum von 2,6 Prozent zu den wirtschaftlichen Treibern Europas zählt. Im Gegenteil, das Wachstum verstärkt bestehende Probleme. Zum einen bleibt der Streit darüber, wie zusätzliches Geld im Staatshaushalt verteilt werden soll, so gross wie eh und je. Die politischen Gräben sind so tief, dass das Land seit 2023 ohne genehmigtes Budget dasteht. Zum anderen bedeutet ein steigendes BIP, dass jeder Prozentpunkt Wachstum eine immer grössere Geldsumme ausmacht, die Spanien für das Erreichen des Nato-Ziels ausgeben müsste.

Basen für die USA und 3800 Soldaten in Friedensmissionen

Die Regierung will die Diskussion um das 2-Prozent-Ziel deshalb so schnell wie möglich begraben. Sánchez verweist unermüdlich darauf, dass er seit seinem Amtsantritt 2019 die Militärausgaben um fast 70 Prozent erhöht hat und über 30 Prozent des Geldes in die tatsächliche Ausrüstung und technologische Weiterentwicklung der Truppen fliesst – mehr als in Deutschland, Frankreich, Litauen oder Kanada.

Wie viel ein Land für die Sicherheit Europas tue, lasse sich ausserdem nicht allein in Prozenten des BIP, sondern viel mehr daran messen, wo es engagiert sei, betonte kürzlich die Verteidigungsministerin Margarita Robles. Dabei sieht die Bilanz für ihr Land besser aus: Spaniens Streitkräfte sind mit über 3800 Soldaten in 16 Auslandsmissionen aktiv. Darunter sind Nato-Einsätze in Lettland, der Slowakei und Rumänien. Mit rund 400 Soldaten unterstützt Spanien zudem die Anti-IS-Koalition im Irak, und fast 700 Soldaten sind im Rahmen des Uno-Einsatzes in Libanon stationiert.

Insbesondere die USA soll ausserdem besänftigen, dass von den vier Stützpunkten, die die Nato heute in Spanien unterhält, zwei von den Amerikanern mitbenützt werden. Die Militärbasen in Rota und Morón de la Frontera im Süden Spaniens sind Heimat für über 3200 amerikanische Soldaten und dienen als strategische Drehscheiben für Marine- und Luftwaffeneinsätze, unter anderem vor der Küste Israels und im Roten Meer.

Ob dies jedoch Donald Trump davon abhält, den Druck auf Spanien weiter massiv zu erhöhen, bleibt fraglich. Nato-Generalsekretär Mark Rutte machte bei einem Besuch in Madrid letzte Woche deutlich, dass Spanien dringend mehr in die Verteidigung investieren müsse. Im Juni berät die Allianz über eine Erhöhung des 2-Prozent-Ziels auf 3 bis 4 Prozent. Donald Trump geht noch weiter: Er verlangt 5 Prozent – und drohte Spanien bereits offen mit Strafzöllen von 100 Prozent. Für Madrid wäre das ein ernstes Problem. Es bliebe dann fast zu hoffen, dass der amerikanische Präsident Spanien erneut mit der Brics-Nation Südafrika verwechselt.

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