Montag, September 30

Ein psychisch verwirrter Mann goss Benzin an den Eingang des Gebäudes. Die Polizei konnte den mutmasslichen Täter festnehmen.

Am Samstagabend ist es zu einer versuchten Brandstiftung an der Synagoge in Zürich Wiedikon gekommen. Dies teilte der FDP-Gemeinderat Jehuda Spielman, Mitglied der jüdischen Gemeinschaft, über das soziale Netzwerk X mit. Der Sicherheitsdienst der Synagoge habe die Ausführung der Tat verhindert.

Die Zürcher Stadtpolizei bestätigt den Vorfall. Beim mutmasslichen Täter handle es sich um einen psychisch verwirrten 32-jährigen Schweizer. Dieser habe kurz nach 20 Uhr vor dem Eingang der Synagoge Benzin ausgegossen. Als der Sicherheitsdienst interveniert habe, sei er geflüchtet, sei aber später in der Nacht von der Kantonspolizei festgenommen worden.

Erste Abklärungen hätten ergeben, dass der Mann allein gehandelt habe. Ein extremistisches Motiv stehe nicht im Vordergrund. Der mutmassliche Täter war der Polizei bereits bekannt, er ist mehrfach vorbestraft wegen Vermögensdelikten.

Täter hat sein Ziel bewusst ausgewählt

Spielman weist aber darauf hin, dass die Synagoge kaum ein zufälliges Ziel war. Der Mann sei einige Tage zuvor bereits im Umfeld einer anderen jüdischen Institution aufgefallen. Zudem habe er kurz vor der Tat eine jüdische Person im Quartier belästigt.

Zuerst habe er versucht, in die Synagoge zu gelangen. Nachdem er abgewiesen worden sei, sei er zur Tankstelle um die Ecke gegangen, um sich das Benzin zu beschaffen. Dies sei auf Bildern von Überwachungskameras zu erkennen.

Krieg in Nahost verschärft die Lage

Am 2. März kam es in Zürich bereits zu einem Messerangriff auf einen orthodoxen Juden, der dabei lebensbedrohlich verletzt wurde. Täter war ein 15-Jähriger, der sich zum Islamischen Staat bekannte.

Spielman ist besorgt über die Dynamik dahinter. Seit dem Massaker der Hamas vom 7. Oktober herrsche eine überhitzte Stimmung, die labile oder extremistische Personen dazu bringen könne, zur Tat zu schreiten. Dafür verantwortlich seien auch jene Personen, die selbst nie Gewalt anwenden würden, aber in den sozialen Netzwerken immer wieder Grenzen überschritten.

«Man kann über Israel diskutieren, man kann über das Judentum diskutieren, aber die Grenzen des Anstands müssen unbedingt wieder eingehalten werden», appelliert Spielman. Die Polizei habe im aktuellen Fall gut und schnell reagiert, die betroffene jüdische Gemeinde fühle sich ernst genommen und bedanke sich dafür.

Philip Bessermann, Geschäftsleiter der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, warnt davor, den Vorfall zu unterschätzen, bloss weil die Tat nicht islamistisch motiviert war. «Man macht es sich zu einfach, wenn man den Täter einfach als unzurechnungsfähig abtut.» Auch wenn die genauen Hintergründe noch nicht bekannt seien.

Physische Gewalt nimmt zu

Landesweit ist die Zahl der antisemitischen Vorfälle in der realen Welt – also ohne jene im Internet – nach dem 7. Oktober sprunghaft angestiegen. Dies zeigt der Antisemitismus-Bericht, den der Israelitische Gemeindebund und die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus jährlich publizieren.

Besonders besorgniserregend ist die Zunahme physischer Gewalt. Tätlichkeiten waren zuvor selten, aber 2023 wurden allein in der Deutschschweiz zehn Vorfälle gemeldet. Am Bahnhof des Zürcher Flughafens zum Beispiel wurde ein streng religiöses Geschwisterpaar von einem Unbekannten unvermittelt mit Boxschlägen traktiert.

Angriffe auf jüdische Institutionen oder Sachbeschädigungen gab es bis am Samstag nicht. Dies dürfte daran liegen, dass die jüdischen Gemeinden ihre Synagogen und Schulen bewachen lassen.

Solche Sicherheitsmassnahmen gehen auf den palästinensischen Terror der 1970er Jahre zurück, als unter anderem eine Swissair-Maschine wegen einer Bombe bei Würenlingen abstürzte. Auch die Synagoge in Wiedikon verfügt seit langer Zeit über einen eigenen Sicherheitsdienst.

Die Massnahmen wurden verschärft, nachdem es 2001 in ihrem Umfeld zu einem Mordanschlag gekommen war. Der israelische Rabbiner Abraham Grünbaum, auf Besuch in der Schweiz, wurde auf dem Weg zur Synagoge von einem Unbekannten erschossen. Die Tat wurde nie aufgeklärt. Nach dem Messerangriff vom 2. März haben jüdische Institutionen in Zürich die Sicherheit weiter erhöht – der Täter hatte sich zuvor auch bei einer Synagoge umgesehen.

Lange mussten die jüdischen Gemeinden solche Massnahmen selbst finanzieren und gerieten dadurch an ihre Belastungsgrenzen. Ende letzten Jahres hat das Bundesparlament dann die Mittel zu ihrer finanziellen Unterstützung auf fünf Millionen Franken verdoppelt.

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