Samstag, Dezember 21

Die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerates will 150 neue Stellen schaffen im Nachrichtendienst des Bundes. Dies, nachdem der Direktor in einem Interview mehr Personal gefordert hat.

Zufällig enttarnte chinesische Spione in Meiringen, ein russischer Agent, der sich in Basel Material für Chemiewaffen kaufte, oder Terrorgefahr durch islamistische Jugendliche: Der Nachrichtendienst des Bundes hat alle Hände voll zu tun. Die sicherheitspolitische Lage hat sich massiv verschärft, seit Russland die Ukraine angegriffen und der Nahostkonflikt eine neue Intensität erreicht hat. Deshalb schlug Christian Dussey, Direktor des Nachrichtendiensts des Bundes (NDB), im August Alarm.

In einem Interview mit den Zeitungen von Tamedia sprach er davon, dass sich die Fähigkeit in seinem Dienst verschlechtert habe, «Bedrohungen für die Sicherheit der Schweiz und für ihre Bewohner zu erkennen und zu verhindern». Das Personal sei müde, und deshalb gebe es konkrete Diskussionen innerhalb des Verteidigungsdepartementes (VBS) über einen Stellenausbau.

Mehr Stellen: bereits im August Thema in der SiK-S

Kurz darauf fand eine Sitzung der Sicherheitspolitischen Kommission des Ständerates (SiK-S) statt, und natürlich waren die Aussagen von Dussey dort Thema. Dem Vernehmen nach soll der Direktor bereits an dieser Sitzung von «150 bis zu mehreren hundert» neuen Stellen gesprochen haben, damit die hohen Anforderungen an seinen Dienst erfüllt werden können. Konkret traktandiert wurde das Thema dann für die nächste Sitzung, die letzten Freitag stattfand.

Dort entschied die SiK-S, dass angesichts der geopolitischen Lage der NDB mehr Stellen erhalten müsse. Erfüllen soll sich Dusseys Mindestanforderung von 150 Vollzeitstellen bis spätestens 2028. Die Stellen wurden der Finanzkommission beantragt. Damit soll der NDB «angesichts der sich massiv verändernden Bedrohungen verstärkt werden», schreibt die Kommission in ihrer Medienmitteilung.

Gemäss Andrea Gmür-Schönenberger, Präsidentin der SiK-S, war es der Entscheid einer beträchtlichen Mehrheit: «Für die Kommission ist klar, dass es diese Stellen braucht.» Der Dienst sei sowieso schon klein, verglichen beispielsweise mit jenem des Nachbarlandes Österreich: «Dort gibt es 1200 Mitarbeitende, wir haben rund 400 bei etwa gleich vielen Einwohnern.»

Auch der FDP-Ständerat Josef Dittli befürwortet, dass die Stellen aufgestockt werden. Er findet aber mit Blick auf die schwierige Finanzlage des Bundeshaushaltes, dass sich der NDB-Direktor zuerst im eigenen Departement umschauen sollte: «Vielleicht kann man dort Stellen verschieben. Ausserdem wäre es der politisch richtige Dienstweg.»

Der SVP-Ständerat Werner Salzmann sagt, er gehe davon aus, dass die zusätzlichen Stellen mit dem Departement abgesprochen worden seien. Natürlich sei die finanzielle Lage des Bundes nicht rosig, aber: «Wenn wir sehen, dass die Stellen nicht ausreichen, müssen wir uns als Sicherheitspolitische Kommission äussern.»

Auch nationalrätliche Kommission will darüber beraten

Auch in der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates sind die personellen Ressourcen des NDB für die nächste Sitzung traktandiert. Die Präsidentin, die SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf, sagt zur Begründung, der NDB-Chef habe in den letzten Monaten «medienwirksam» auf das Problem hingewiesen. Da momentan in fast allen Bereichen des Bundeshaushaltes Sparmassnahmen drohen, hält sie es für unrealistisch, dass so viele neue Stellen über das ordentliche Budget aufgestockt werden: «Ich kann mir nur vorstellen, dass diese budgetneutral, also innerhalb vom VBS selber, eingespart werden müssten.»

Was sagt das VBS dazu? Auf Anfrage schreibt die Medienstelle, das VBS äussere sich nicht zu Kommissionssitzungen. Dass der NDB-Direktor sich bereits in seinem eigenen Departement nach den Möglichkeiten erkundigt hat, ist aber sehr wahrscheinlich, denn auch der stellvertretende Generalsekretär und Chef Ressourcen des VBS, Marc Siegenthaler, soll an der SiK-S-Sitzung Ende August anwesend gewesen sein. Dort soll er gesagt haben, dass das VBS wisse, dass die Ressourcen im NDB knapp seien. Auch wird sich Christian Dussey mit seiner Chefin, Verteidigungsministerin Viola Amherd, ausgetauscht haben. Bereits im Frühling sagte er nämlich in einem NZZ-Interview: «Ich habe jederzeit direkten Zugang zur Departementschefin.»

Warum also äussert sich Viola Amherd nicht selbst und erklärt, wie wichtig diese 150 zusätzlichen Stellen sind? Wie bereits bei einer schnelleren Erhöhung des Armeebudgets, bei der Viola Amherd die Meinung der Gesamtregierung vertreten muss, wird es bundesratsinterne Gründe haben. Augenfällig sind drei:

Erstens wurden von 2019 bis 2023 bereits 100 zusätzliche Stellen beim NDB bewilligt. Damals sagte die Bundesrätin, dass der NDB seine Personalressourcen «nach den Anforderungen der Sicherheitslage» priorisieren würde und «in erster Linie Funktionen zur Terrorismus- und Spionagebekämpfung besetzt» würden.

Zweitens möchte der Bundesrat der Armee in den nächsten Jahren deutlich mehr Geld geben, nicht aber dem NDB. Dieser soll bis 2028 rund eine Million Franken einsparen. Das Budget des Dienstes ist aber in den letzten Jahren beträchtlich angestiegen: um fast 15 Millionen Franken seit 2022.

Drittens sorgt die von Amherd in Auftrag gegebene Transformation des Dienstes seit Monaten für negative Schlagzeilen. Bei der Umstrukturierung, die 2022 begonnen hatte, blieb kein Stein mehr auf dem anderen. Dafür sollte der NDB effizienter werden und die Arbeitsabläufe vereinfacht werden. Doch die Reorganisation sorgte für schlechte Stimmung beim Personal, was sich in einer gestiegenen Fluktuationsrate niederschlug. Normalerweise liegt diese bei 5 bis 6 Prozent, zeitweise stieg sie bis 9 Prozent. Ausserdem gab es Kritik aus den Kantonen, der Nachrichtendienst sei mehr mit sich selbst beschäftigt als mit der Sicherheit des Landes.

Lagebericht wird verspätet publiziert

Die VBS-Chefin griff Ende August ein und schickte ihren stellvertretenden Generalsekretär und Chef Ressourcen, Marc Siegenthaler, an den Sitz des NDB, an die Papiermühlestrasse 20 in Bern. Er begleitet seither die Transformation, quasi als Coach. Dafür sollen gemäss der NDB-Medienstelle der Direktor Dussey und seine eben erst eingesetzten Direktunterstellten «ihr Hauptaugenmerk auf die Erfüllung des gesetzlichen Auftrages legen können».

Verschiedene Politikerinnen und Politiker verlangen erst eine «Erfolgskontrolle» der Umstrukturierung, bevor der Dienst mehr Ressourcen erhält. Unter ihnen Mauro Tuena, Nationalrat und Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission: «Der NDB muss uns erst zeigen, dass diese Transformation funktioniert und wofür er die neuen Stellen genau einsetzen will.»

Voraussichtlich nächste Woche präsentiert der Nachrichtendienst ausserdem seinen jährlichen Lagebericht «Sicherheit Schweiz 2024». Dieser kommt spät. In den letzten Jahren wurde er jeweils im Juni publiziert. 2023 schrieb der NDB zu seinem Bericht, dass es zentral sei, dass der Dienst frühzeitig Bedrohungen und relevante Veränderungen für die Schweiz identifizieren und beurteilen könne, um anschliessend die notwendigen Massnahmen zu ergreifen. In welchem Umfang der NDB das tatsächlich noch kann, wird die zentrale Frage sein, wenn der Direktor Christian Dussey wieder vor die Medien tritt.

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