Montag, November 10

Die zweitgrösste Partei Schwedens setzt auf eine fragwürdige Kommunikationsstrategie. Diese könnte der Regierung zum Verhängnis werden.

Sie streuen Falschinformationen, verleumden politische Gegner (und Partner) und schüren Hass auf Migrantinnen und Migranten. Die Kommunikationsabteilung der rechtsnationalen Schwedendemokraten unterhält in den sozialen Netzwerken mindestens 23 anonyme Accounts. Eine Trollfabrik, wie man sie bisher vor allem aus Russland kannte – betrieben von der zweitgrössten Partei Schwedens.

Aufgeflogen ist die unlautere Kommunikationsstrategie durch Recherchen des schwedischen Senders TV4. Mehrere Monate arbeitete ein Reporter verdeckt für die Kommunikationsabteilung der Schwedendemokraten und zeichnete den Arbeitsalltag mit verdeckter Kamera auf.

Die Posts reichen von fragwürdig bis offen fremdenfeindlich. Eine Karikatur zeigt einen Mann mit einem Turban und einem schwarzen Bart. Er deutet mit einer Hand auf einen Koran, der in Flammen steht, mit der anderen hält er einen blutigen Säbel. Zu seinen Füssen liegen vier abgetrennte Köpfe, und in einer Sprechblase steht auf Englisch: «Mama, er hat meine Gefühle verletzt.»

Auf einem anderen Bild schwingen Mitglieder der Neonazigruppe Nordische Widerstandsbewegung grün-weisse Fahnen mit Tiwaz-Runen – einem Symbol, das für Krieg, Kampf und Tat steht. Über dem Bild steht: «Im Nachhinein kommt es mir ziemlich komisch vor, dass wir diese Typen im gesamten letzten Jahrzehnt als die grösste Bedrohung für die Demokratie dargestellt haben.»

In einem Video sieht man Ministerpräsident Ulf Kristersson und die eingeblendete Frage: «Wer bestimmt die Klimapolitik?» Ehe Kristersson antworten kann, erscheint im Bild Jimmie Akesson, Parteichef der Schwedendemokraten. Er sagt: «Ich entscheide immer alles.»

Regierungsparteien entrüstet

Die Schwedendemokraten sind zwar nicht Teil der Regierung. Sie bestimmen die Politik aber entscheidend mit, denn die bürgerliche Koalition kommt nur dank ihrer Unterstützung auf die nötige parlamentarische Mehrheit. Sie nehmen Einfluss auf die Kriminalitätsbekämpfung und die Migrationspolitik, auf Schul-, Gesundheits- und Energiethemen. Es heisst, dass der Parteichef Jimmie Akesson auf dem besten Weg sei, den Ministerpräsidenten Ulf Kristersson in den Schatten zu stellen.

Nach dem Auffliegen der Trollfabrik sagte Kristersson an einer Medienkonferenz: «Das schadet dem Vertrauen.» Er erwarte von den Schwedendemokraten eine Entschuldigung. «Diese Sache ist ernst.» Die Liberalen, die ebenfalls in der Regierung sitzen, wollen den Parteien die anonyme Verbreitung politischer Botschaften sogar verbieten. Der Parteichef Johan Pehrson sagte gegenüber der Zeitung «Dagens Nyheter»: «Wenn die Schwedendemokraten Mist über die Liberalen verbreiten wollen, weil sie das für sinnvoll halten, sollten sie es mit dem richtigen Absender tun.»

Kristersson unter Druck

Akesson hingegen bezeichnete die Recherche von TV4 in einem Youtube-Video als «gigantische innenpolitische Einflussnahme», «Hetzkampagne» und «Desinformation». Bei den Posts handelt es sich seiner Meinung nach um Satire und Humor, für die man sich nicht zu schämen brauche.

Nachdem sich die Parteien vergangene Woche zu einer Krisensitzung getroffen hatten, gaben die Schwedendemokraten dennoch an, 45 Posts zu löschen, die auf ihre Kooperationspartner abzielten. Es hiess sogar, dass so etwas wie eine Entschuldigung gefallen sei. Am Sonntag betonte Akesson aber wieder gegenüber dem Sender SVT, dass die Partei keinerlei Absichten habe, ihre Arbeitsweisen zu überdenken.

Die Trollfabrik setzt Kristersson unter Druck. Um die Mehrheitsverhältnisse aufrechtzuerhalten, muss er an der Zusammenarbeit mit den Schwedendemokraten festhalten. Gleichzeitig droht er seine Glaubwürdigkeit als Regierungschef zu verlieren, wenn er seiner Kritik keine Taten folgen lässt.

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